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Der Kitt der Gesellschaft

20.09.2025 • 10:00 Uhr
Der Kitt der Gesellschaft
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Ohne Moral zerbricht unser Zusammenhalt.

Von Christof Skala
neue-redaktion@neue.at

Normen und Werte, die bestimmen, welches Verhalten innerhalb einer Gesellschaft als richtig oder falsch gilt, bezeichnet man als Moral. Die Übernahme von Verantwortung des Einzelnen für das Funktionieren von Gemeinschaft empfinden fast alle für moralisch richtig. Moral ist also der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält.

Oft fordern Gruppen allerdings Vorteile für sich selbst, ohne das größere Ganze im Blick zu behalten, nämlich Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit für alle, besonders für kommende Generationen. Wir erleben es gerade bei der emotionalen Diskussion, ob man den lediglich besser gestellten Pensionisten und öffentlich Bediensteten die Inflation nur zum Teil abgelten darf oder nicht. Gewerkschaften und Standesvertretungen poltern, aber ist das in derart schwierigen Zeiten wirklich angemessen? Auch verfügen nicht alle Bevölkerungsgruppen über ausreichend Möglichkeiten, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Ein-Personen-Unternehmen etwa (immerhin 350.000 in Österreich) können ihre Honorare auch nicht jedes Jahr anheben – hier setzen Auftraggeber und der Wettbewerb die Grenzen. Einsparungen undifferenziert auch bei den Ärmsten mit wenig Fürsprache vornehmen zu wollen, ist moralisch ziemlich fragwürdig.

Ein temporärer Verzicht auf ein Mehr halten doch die allermeisten von uns aus. Kriegsbetroffene in der Ukraine oder im Gaza-Streifen würden unsere Diskussionen wohl als Luxusprobleme einordnen.

Moralische Ansprüche und politisches Verhalten scheinen zunehmend auseinanderzufallen. Autokraten, aber auch so manche Oppositionspolitiker in Demokratien instrumentalisieren die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Anstand und Ehrlichkeit, kennen aber selbst kaum Skrupel, Regeln zu brechen oder Fakten zu verdrehen. In Zeiten hoher Unsicherheit wählen dann Menschen noch vermehrt solche Politiker, die mit wenig haltbaren Botschaften schnell bessere Zustände versprechen.

Verantwortung und Moral beginnen zuerst bei einem selbst. Das eigene Interesse ist manchmal zugunsten des Gemeinwohls zurückzustellen, sonst zerbrechen wir als Gesellschaft.

Der Kitt der Gesellschaft
Christof Skala ist selbstständiger Ingenieurconsulent und Unternehmensberater in Bregenz.