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Aksel Lund Svindal im Exklusivinterview: „Gegen Franz in Kitzbühel fahren – das wär’s“

HEUTE • 19:19 Uhr
Aksel Lund Svindal im Exklusivinterview: „Gegen Franz in Kitzbühel fahren – das wär’s“
hartingerAksel Lund Svindal im Exklusiv-Interview.

Am 16. Oktober fand im Bregenzer Festspielhaus das Tomorrow Mind Festival statt, veranstaltet von der Agentur w3 create. Ein Redner war dabei der ehemalige Skiweltcup-Gigant und zweifache Olympiasieger sowie heutige Unternehmer und Investor Aksel Lund Svindal. Im humorvollen Exklusivinterview mit der NEUE sprach der 42-jährige Norweger über Veränderung, sein Traineramt im Team von Lindsey Vonn – und darüber, was er vor Kurzem mit Ingemar Stenmark besprochen hat.

Donnerstag, 16. Oktober, 15.15 Uhr, Festspielhaus Bregenz. Das NEUE-Team wartet in der Gold Lunch, das ist ein kleines Separee, auf Aksel Lund Svindal, dessen Vortrag im Rahmen des Tomorrow Mind Festival eigentlich seit fünf Minuten zu Ende sein sollte und den wir für ein Interview treffen. Doch noch war aus der Ferne kein Applaus zu hören. Das bedeutete, dass Svindals Vortrag noch nicht vorüber war. Wenn man auf so einen Weltstar wie den norwegischen Skirennläufer der 2000er- und 2010er-Jahre wartet, dann ist das auch nach vielen Jahren Berufserfahrung und vielen, vielen Begegnungen mit Olympiasiegern, Weltmeistern und großen Ikonen nach wie vor eine spezielle Situation. Nicht, dass man nervös wäre, aber es durchströmt einen Vorfreude und Demut. Was gut ist, denn wäre man in so einer Situation abgebrüht, würde das bedeuten, dass man abgestumpft ist. In Momenten wie diesen wird man vielmehr still – und fokussiert. Witzchen werden in solchen Situationen keine mehr gemacht, auch wenn unseren Fotografen Klaus Hartinger wahrlich nichts aus der Ruhe bringt. Dann ist Applaus zu hören. Das bedeutet, dass Svindal gleich hier sein wird. 15.21 Uhr. Veranstalterin Patricia Zupan ruft an und erklärt, dass sich der Norweger noch etwas verspätet. Alles gut. Denn spätestens jetzt ist klar, dass nichts mehr dazwischen kommt. Die Einlasskontrolleurin der Gold Lunch fragt uns, auf wen wir eigentlich warten würden. Als wir ihr erklären, dass wir mit Aksel Lund Svindal einen Termin hätten, kann sie das gar nicht glauben. „Der kommt nicht hierher“, sagt sie zweifelnd, „doch, doch“ entgegen wir ihr, so ganz überzeugt sie unsere Ansage allerdings nicht. Dann ist es so weit. Svindal ist da, wir begrüßen einander mit einem festen Händedruck und mit einem Lächeln im Gesicht. Was nun folgen sollte, war ein Gespräch in einer Atmosphäre, als ob sich alte Freunde wiedersehen würden. Ganz so ist es freilich nicht. Doch man kennt, mag und schätzt sich sehr von mehreren Begegnungen in den vergangenen Jahren. Deshalb entwickelt sich ein locker-herzliches, offenes Gespräch, das wir natürlich per du führen.

Aksel, wie wichtig ist es, eine Vorstellung davon zu haben, wie man als Mensch in fünf oder zehn Jahren sein will und vor allem auch, was man für diese Entwicklung tun muss, um dieser Mensch zu werden?
Svindal: Du meinst, ein Ziel zu haben?
Mayer: Zum Beispiel, aber auch größer gedacht.
Svindal: Ich glaube, Ziele sind immer gut. Ein Ziel oder sogar ein Traum gibt eine Richtung vor – und diese Richtung hilft dir dabei, Entscheidungen zu treffen. Man muss ja immer viele Entscheidungen treffen, wenn du ein Ziel hast, dann ist das viel einfacher, weil du weißt, wohin du perspektivisch willst und was deine Entscheidungen bewirken sollen. Im Sport bekommst du sofort den Beweis, ob deine Entscheidungen gut oder schlecht waren, weil alles gemessen wird: Es gibt ein Rennergebnis, und es gibt eine Endzeit, die dir auf brutal ehrliche Weise aufzeigen, ob du gut oder nicht so gut warst.
Mayer: Gemessen wird bis auf die Hundertstel genau, die Tausendstel können den Rundungsunterschied ausmachen.
Svindal: Genau. Als Sportler bist du gewohnt, Ziele zu haben. Ein Ziel zeigt dir auch auf, welche Entwicklung du nehmen musst, um dein Ziel erreichen zu können. Dieser Antrieb dich weiterentwickeln zu wollen ist gesund, Stillstand dagegen nicht, weil Stillstand bedeutet, dass du die Entwicklung der Welt nicht mitgehst und dich überholen lässt. So gesehen ist Stillstand auch eine Entwicklung, denn du beginnst dich rückwärts statt vorwärts zu orientieren.

Aksel Lund Svindal im Exklusivinterview: „Gegen Franz in Kitzbühel fahren – das wär’s“
vmhNEUE-Sportchef Hannes Mayer traf Aksel Lund Svindal zum Interview.

War es für dich schwierig, aus dieser totalen Zielwelt Leitungssport, wo jeder Schwungansatz über das Endergebnis entscheiden konnte, in einen Alltag zu wechseln, in dem nicht mehr alles messbar und bewertbar ist?
Svindal: Es hat mich ein bisschen überrascht. Weil ich gewohnt war, dass es Daten und Fakten gibt, die eine ganz klare Bewertung bringen. Plötzlich bin ich beruflich auf Situationen gestoßen, in denen es keine klaren Fakten mehr gab, weil wir keine unumstößlichen Daten wie eine Zeit- oder Geschwindigkeitsmessung hatten. Und das meine ich damit, dass ich überrascht war: In solchen Situationen habe ich erlebt, dass es sehr viele Diskussionen gegeben hat, dass Entscheidungen sehr viel Zeit und viele Besprechungen benötigten – darauf war ich nicht vorbereitet. Und eigentlich habe ich ein bisschen zu wenig Geduld, so lange über Entscheidungen zu diskutieren. (lacht) Mich darauf einzulassen war eine Umstellung, ich war schnelle Analysen gewohnt, denn verlässliche Daten zu haben heißt die Antwort zu haben. Daten sagen dir nicht: Vielleicht machst du es so oder so.
Mayer: Daten sagen in den allermeisten Fällen: Ja oder Nein.
Svindal: Genau. Faktenbasiert Entscheidungen zu treffen, ist der viel bessere Weg, als stundenlang zu diskutieren, und immer nur über ein vielleicht zu reden. Es hat mich überrascht, dass die Welt außerhalb des Sports nicht so funktioniert.

Hat sich dein Leben seit deinem Rücktritt 2019 so entwickelt, wie du dir das vorgestellt hast?
Svindal: Das kann ich sagen, ja. Ich habe ein Zuhause, eine Familie, wir sind alle gesund, ich habe was zu tun, ich habe einen Hund.
Mayer: Da muss ich dich unterbrechen: Du bist ein Hundetyp?
Svindal: Ja, mir einen Hund zu besorgen, war das Erste, was ich gemacht habe, als ich aufgehört habe. (lacht) Wenn man auf sein eigenes Leben blickt, dann ist es wichtig, nichts – wie sagt man das auf Deutsch: to take granted for?
Mayer: Nichts als selbstverständlich zu betrachten.
Svindal: Das ist der richtige Ausdruck. Wenn ich mir nach meinen Karriereende ein neues Leben wünschen hätte können, dann wäre das genau das Leben gewesen, das ich jetzt führen darf. Dafür bin ich sehr dankbar, denn selbstverständlich ist das alles überhaupt nicht.

Aksel Lund Svindal im Exklusivinterview: „Gegen Franz in Kitzbühel fahren – das wär’s“
Mit Fortdauer des Treffens wird das Gespräch von Aksel Lund Svindal und Hannes Mayer immer noch humorvoller und herzlicher. Hartinger

Warum bist du als Vortragsredner zum Tomorrow Mind Festival nach Bregenz gekommen?
Svindal: Ich war schon vor zwei Jahren eingeladen, aber das war genau um den Termin herum, als mein Sohn geboren wurde. Also ging es dann doch nicht. Im vergangenen Winter habe ich dann wieder eine Anfrage bekommen, es hat mich gereizt, hierher zu kommen, auch die Vorstellung, bei Head in Kennelbach ein paar Leute zu besuchen, die ich sehr vermisse. Wobei ich ja nach vor ein paar Projekte mit Head habe und manchmal noch in Kennelbach bin, aber nicht mehr so oft wie früher als Athlet. Ich dachte, wenn ich nach Bregenz komme und bei dieser interessanten Veranstaltung auftrete, dann bleibe ich ein paar Tage hier und fahre danach zum Weltcupauftakt nach Sölden. Aber das ist jetzt kein Thema mehr, weil ich mich als neuer Trainer von Lindsey Vonn auf die Speeddisziplinen konzentriere und sowieso wieder mehr unterwegs bin. Ich bin sehr gern in Österreich und der Alpenregion.

Auf deine Zusammenarbeit mit Lindsey kommen wir natürlich gleich zu sprechen, aber lass uns zuerst allgemeiner bleiben. Als du 2017 deine nachhaltige Bekleidungsfirma „Greater Than A“, also „Größer als A“, vorgestellt hast, hast du zu mir gesagt: Wenn wir über Umweltschutz sprechen, dann ist es besser, wenn alle Menschen ihre Gewohnheiten ein ganz kleines bisschen ändern, als wenn drei oder vier Prozent radikal leben. Veränderungen beginnen für dich also im Kleinen?
Svindal: Ich kann mich an das Gespräch erinnern, seither hat sich leider vieles auf dieser Welt in die falsche Richtung entwickelt. Wenn wir über den Krieg in der Ukraine oder den Krieg in Israel und Gaza sprechen, dann reden wir natürlich über unvorstellbare menschliche Katastrophen. Das ist so schlimm. Aber es gibt noch eine Katastrophe, die im Moment logischerweise kein Thema ist: Diese Kriege verursachen auch eine ökologische Katastrophe. Das sind die großen Dinge, die du und ich nicht entscheiden können. Für die große Veränderung braucht es Leute, die den ersten Schritt machen, es braucht Pioniere. Die Veränderung im Kleinen beginnt mit den Dingen, die wir jeden Tag oder annähernd jeden Tag machen. Daran glaube ich weiterhin. Wenn die große Masse der Menschen ihre Gewohnheiten umstellen.

Du bist ja auch Porsche-Botschafter und leidenschaftlicher Porsche-Fahrer. Spiegelt das ein bisschen deine Einstellung wider? Man sollte sein Leben anpassen, um seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, aber man darf schon auch so leben, wie es einem Spaß macht?
Svindal: Ich fahre im Alltag nicht mit meinem 911er-Porsche. Das ist einfach nicht praktisch. Aber es ist richtig cool, wenn man das ein paar Tage im Jahr macht. Ich fahre zu Hause sowieso nicht so viel mit dem Auto, nur, wenn ich eine Vierstundenfahrt vor mir habe, will ich nicht sagen müssen: Verdammt, jetzt sitze ich vier Stunden im Auto. Ich genieße Autofahren. Für mich ist das Auto ein Produkt, mit dem ich eine Leidenschaft verbinde. Ein Auto stellt für mich Lebensqualität dar, weil es in meinem Leben einfach notwendig ist. Darum soll das Auto zu mir passen, dann bringt es Spaß in meinen Alltag. Und eine Aufwertung des Alltags ist mehr wert als ein Highlighttag, weil das Leben aus Alltag besteht. Ich erzähle dir was. Diesen Sommer haben wir mit unserer Familie eine Rundreise gemacht an der norwegischen Küste, dort, wo die ganzen Fjorde sind. Bei der Urlaubsplanung habe ich mir angeschaut: Wäre es möglich, mit dem 911er-Porsche zu fahren? Bringe ich da den Kindersitz, den Kinderwagen, eine Kindertrage und alles unter, was wir brauchen? Es ging. Mehr wäre nicht gegangen, aber meine Frau und ich haben alles untergebracht. Da hat schon das Fahren Spaß gemacht und war nicht nur eine Fortbewegung von A nach B.

Das Lustige ist ja, dass du schon als Kind mit einem 911er-Porsche gespielt hast?
Svindal: Du weißt Sachen. (lacht) Das stimmt, ich hatte ein Spielzeugauto, sagt man Matchbox?
Mayer: Ja, Matchbox-Auto.
Svindal: Mein Lieblings-Matchbox-Auto war ein silberner 911 GT Porsche.
Mayer: Viel mehr kann sich ein Kreis eigentlich nicht schließen, als Kind hast du mit einem Matchbox-Porsche gespielt, jetzt fährst du einen und bist sogar Markenbotschafter.
Svindal: Ja, das stimmt. Ich habe mir wahrscheinlich als Kind das Spielzeugauto nicht selbst gekauft, trotzdem ist das eine runde Sache. (lacht) Von den vielen Matchbox-Autos, die ich hatte, mochte ich auch noch einen roten Golf GTI sehr. Aber der 911er war mir noch lieber.

Du hast auch das berühmte Foto von Egon Zimmermann mit seinem Sprung über einen Porsche nachgestellt. Hast du Egon eigentlich je kennengelernt?
Svindal: Ich habe ihn in Kitzbühel mehrere Male getroffen, einmMal sind wir da sogar beim Abendessen nebeneinander gesessen. Und dann habe ich auch seinen Bruder Karl-Heinz kennengelernt, der ja in der Formel 1 gearbeitet hat. Als wir den Sprung über den Porsche geplant haben, habe ich die ganze Familie Zimmermann ein paar Mal getroffen. Jetzt habe ich schon eine Einladung bekommen, mir das neugebaute Hotel Kristberg anzusehen. Darauf freue ich mich schon.
Mayer: Ich erinnere mich lebhaft daran, wie ich mal bei Egon zu Besuch war, es war Nebensaison, das Hotel fast komplett leer. Wir saßen so da und redeten, als er plötzlich fragte: Erkennst du die Frau da drüben? Ich sagte, Ja, ihr Gesicht kommt mir sehr bekannt vor. Ich muss dazu sagen, dass sie eine Kapuze trug und wenig zu erkennen war. Da sagte Egon: Das ist Anni-Frid von ABBA.
Svindal: Und – bist du gleich rüber gerannt zu ihr? (lacht)
Mayer: Nein, aber nur, weil Egon meinte, dass ich das jetzt nicht machen soll. (lacht)
Svindal: Danke für diese coole Geschichte.
Anmerkung: Inzwischen hat sich eine kleine Menschentraube um uns herum gebildet, die aufmerksam das Gespräch verfolgt.

Ist das Format des Skiweltcups noch zeitgemäß?
Svindal: Bei der Diskussion über das Format sind drei Dinge wichtig: Dass es für die Athleten fair ist, dass es sicher ist und dass es den Zuschauern am Berg und bei der Fernsehübertragung Spaß macht. Ich weiß gar nicht, ob ich dir da eine neutrale Antwort geben kann, weil ich den Skirennsport noch immer so liebe. Aber es gibt natürlich schon ein paar Fakten. Ich glaube, die Klassiker funktionieren super gut. Wenn du zum Beispiel in die USA fliegst, dann werden die Leute Kitzbühel, Wengen, St. Anton, eben die ganz großen Skigebiete und die ganz großen Klassiker, kennen. Kitzbühel hat in der Sportwelt ein Branding wie der Formel-1-Grand-Prix in Monaco oder die Indy 500. Auch in den USA. Aber viele andere Weltcuprennen kennt man in den USA überhaupt nicht, das ist sogar teilweise in Deutschland so. Es bräuchte also noch den ein oder anderen neuen Klassiker, das wäre gut für das Marketing und würde die Aufmerksamkeit erhöhen. Ob das Punktesystem noch passt, ist eine eigene Debatte.

Du hast es vorhin schon angesprochen: Du bist seit dieser Saison ein Trainer von Lindsey Vonn. Was reizt dich an dem Projekt?
Svindal: Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass ich wie gesagt den Skirennsport liebe. Lindsey hat mich in der letzten Saison ein paar Mal angerufen und gefragt, ob ich ihr ein bisschen Rat geben kann. Im ersten Moment fand ich das schwierig, weil ich ja schon etwas Abstand zum Skiweltcup habe, aber weil sie Head-Läuferin ist, waren die Wege kurz. Ich kenne Head-Rennsportleiter Rainer Salzgeber und sein Team seit einer kleinen Ewigkeit, also habe ich Rainer mal angerufen und mir einen Überblick verschafft, welche Ski sie gefahren ist, was sie getestet hat und wie der Stand ist. Mir war auch wichtig, ihren Servicemann kennenzulernen, den kannte ich nämlich nicht. Und dann haben wir es einfach probiert. Ich glaube, das ein oder andere, das ich Lindsey mit auf den Weg gegeben habe, hat Sinn gemacht. Einfach war es nicht, alles übers Telefon abzuwickeln – doch es hat gut funktioniert. Lindsey hat mir vertraut, ich habe Head vertraut, und Head hat mir vertraut. Wir konnten sehr offen reden und gemeinsam gute Entscheidungen treffen. Jetzt, im Frühling, hat mich Lindsey überraschend angerufen und gesagt: Kannst du mir helfen und mich als Trainer auf Olympia vorbereiten?

Aksel Lund Svindal im Exklusivinterview: „Gegen Franz in Kitzbühel fahren – das wär’s“
hartingerSeit dieser Saison ist Ski-Legende Svindal Trainer von Lindsey Vonn.

Wie war deine Reaktion?
Svindal: Mein erster Impuls war: Erstens habe ich keine Zeit, und zweitens glaube ich, das passt nicht. Aber dann habe ich darüber nachgedacht und gemerkt, was für eine coole Herausforderung das sein könnte. Lindsey trägt so viel Feuer für den Sport in sich, das gefällt mir. Sie kommt zurück, weil sie den Sport liebt, das verbindet uns, sie kommt zurück, nicht weil sie muss, sondern weil sie möchte. Sie brennt unglaublich. Als mir das klar wurde, hat sich meine Meinung geändert. Ich habe natürlich auch mit Rainer Salzgeber und den Leuten bei Head Gespräche geführt.
Mayer: Rainer Salzgeber hat mir bei der Eröffnung einer Sonderausstellung im Skimuseum Damüls am 12. Juli erzählt, dass du in zwei Tagen nach Kennelbach kommst.
Svindal: Du hast einen guten Draht zu Rainer, ich war am Vormittag bei ihm, da hat er mir schon erzählt, dass du heute da bist.
Mayer: Richtig, ich wollte zuerst unser Treffen über ihn fixieren, aber dann hat sich gezeigt, dass es einfacher über die Veranstalter des Tomorrow Mind Festivals ist.
Svindal: Meine Gespräche mit Rainer waren gut, und irgendwie dachte ich dann, dass es schon ein sehr cooles Projekt ist. Natürlich gab es auch kritische Stimmen zum Comeback von Lindsey.
Mayer: Ich gestehe, dass ich anfangs große Zweifel an der körperlichen Fitness von Vonn hatte. Aber seit diese Zweifel weitgehend ausgeräumt sind, sehe ich für sie bei den Olympischen Spielen eigentlich kein Limit.
Svindal: Das ist doch okay, ich konnte nur die Kritik nicht verstehen, dass ihr Comeback nicht gut für den Sport ist. Das Gegenteil stimmt: Ihr Comeback tut dem Sport sehr gut, weil es ihr nur um den Sport geht und um nichts anderes. Das sagt schon sehr viel über sie aus.

Was hat dann den Ausschlag gegeben, dass du gesagt hast: Ich mache es, ich werde Teil von Lindseys Trainerteam?
Svindal: Es war ein Gedanke, den ich plötzlich hatte. Ich dachte mir: Sie hat nur noch einen Versuch bei Olympia, und diesen Versuch will sie mit mir zusammen machen. Das zeigt, wie sehr sie mir vertraut. Ich glaube, das war der Punkt an dem klar war: Ich muss einfach Ja sagen.

Ivan Lendl hat mal gesagt, er würde alle seine Titel für einen Wimbledonsieg eintauschen. Gibt es einen verpassten Erfolg, für den du vielleicht nicht alle, aber sehr viele Siege eintauschen würdest?
Svindal: Moment, Lendl hat das wirklich gesagt?
Mayer: Ja, er ist dem Sieg in Wimbledon verzweifelt hinterher gerannt, hat 1990 sogar die Sandplatzsaison ausgelassen, um sich auf Wimbledon vorzubereiten. Damals war der Rasen viel schneller als heute, er scheiterte regelmäßig an Serve-and-volley-Spielern: John McEnroe, Boris Becker, Pat Cash und Stefan Edberg.
Svindal: Du denkst bei mir an den fehlenden Kitzbühel-Sieg.
Mayer: Alles andere hast du ja gewonnen.
Svindal: Ein Sieg im Slalom fehlt mir auch, dann würde ich zu den wenigen gehören, die in allen Disziplinen gewonnen haben. Aber du denkst an Kitzbühel, und ich habe bei deiner Frage sofort an Kitzbühel gedacht. Ich weiß nicht, ich bin da, glaube ich, etwas anders als Ivan Lendl. Klar, Kitzbühel fehlt in meiner Sammlung. Aber auf der anderen Seite: Ich habe sieben Mal in Gröden gewonnen. Es wäre respektlos gegenüber den Verantwortlichen in Gröden zu sagen, ich würde ein paar meiner Grödensiege für einen Sieg in Kitzbühel tauschen. Wenn man sagen würde, ich könnte noch ein Rennen gewinnen, dann würde ich logischerweise sagen Kitzbühel. Aber einen Sieg für einen anderen Sieg hergeben? Ich finde diesen Gedanken falsch, ehrlich, das ist ein bisschen brutal, was Lendl da gesagt hat. Ich sehe das so, bei jeder Veranstaltung, wenn die Bedingungen gleichmäßig sind und die besten Leute am Start stehen, bist du mit einem Sieg an dem Tag die Nummer eins der Welt. Und das ist für mich eigentlich größer als wie viele Zuschauer da sind, wie viel Preisgeld ausgeschüttet und wie viel Wirbel rundherum gemacht wird.

Aksel Lund Svindal im Exklusivinterview: „Gegen Franz in Kitzbühel fahren – das wär’s“
Handshake am Ende des Gesprächs: Man sieht sich wieder. Hartinger

Ich finde deine Einstellung richtig gut. Wenn du gegen einen Läufer fahren könntest, der vor oder nach deiner Zeit gefahren ist, gegen wen würdest du gerne antreten?
Svindal: Das ist eine brutal coole Frage. Ich glaube, gegen Ingemar Stenmark im Riesenslalom. Es wäre zwar unmöglich für mich zu gewinnen, aber es wäre eine riesige Ehre. Die Leute in Schweden haben so einen riesigen Respekt vor Ingemar, das ist unvorstellbar, er ist eine Legende, ich kenne ihn mittlerweile ja ganz gut, er ist auch ein super Typ.
Mayer: Mittlerweile redet er ja auch mehr.
Svindal: Ja, ja, wir reden viel, wenn wir uns treffen. Wirklich viel. Ich habe sogar erst vorige Woche mit ihm geschrieben. Er hat mich gefragt, ob ich wie Lindsey ein Comeback mache, da habe ich ihm geschrieben, aber nur, wenn er auch eins macht. Und jetzt stellst du so eine Frage. Das muss ich ihm erzählen.
Mayer: Kennst du die Interview-Aufnahme aus Mitte der 1970er-Jahre, als Stenmark bei einem Interview so gut wie nichts sagt?
Svindal: (lacht) Ich glaube Nein, aber das musst du mir genauer erzählen.
Mayer: Stenmark hat ja bei den meisten Interviews nur sehr kurze Antworten gegeben. Bei dem Interview, das ich meine, sagt er nicht mal deutlich Ja oder Nein, sondern brummt eigentlich nur vor sich hin.
Svindal: Wie hat der Interviewer reagiert?
Mayer: Die Verzweiflung ist ihm anzumerken, er bohrt immer wieder nach, aber nach einer Minute hatte er alle Fragen gestellt, und geredet hat fast nur er.
Svindal: Das ist ja lustig, die Aufnahme kenne ich nicht. Aber weißt du, was noch cool wäre? Gegen Tomba in Italien einen Slalom zu fahren. Das wäre sicher wild, die Stimmung wäre mega. Ich bin ja gegen viele coole Typen gefahren. Im Super-G hatte ich meine Duelle mit Hermann Maier, im Gesamtweltcup habe ich mich mit Marcel Hirscher duelliert. Ich bin gegen Bode Miller gefahren, gegen Benni Raich und viele andere. Was aber natürlich auch eine große Sache wäre, wenn ich gegen Franz Klammer eine Abfahrt fahren könnte. Franz ist so ein lustiger Typ. Mit ihm im Ziel auf dem Podium zu stehen und das Adrenalin zu spüren, wäre großartig. Vielleicht würde er gewinnen, vielleicht ich. Okay, jetzt komme ich doch noch mal auf deine Frage zurück, ob ich einen Sieg einttauschen würde: Wenn ich gegen Klammer in Kitzbühel die Abfahrt gewinnen könnte oder gegen Stenmark einen Riesenslalom, dann könnten wir nochmal über einen Tausch reden. (lacht)

Und zum Schluss noch: Aksel Lund Svindal in zehn Jahren – wie soll sich der vom heutigen Svindal unterscheiden?
Svindal: Ich glaube, ich habe in den letzten fünf Jahren viele super Sachen gemacht mit meiner Familie und beruflich. Hoffentlich geht es so weiter. Aber man kann nichts in der Welt garantieren. Man muss es so nehmen, wie es kommt. Ich bin dankbar, dass es gut läuft. Und wenn es nicht gut läuft, dann muss man schauen, dass es besser wird. Aber ich bin ganz relaxed. Dann war’s das? Hast du alles, was du brauchst?
Mayer: Ja, wir haben den Zeitplan ohnehin schon überschritten. Aber ich habe alle Fragen gestellt, und wir haben ja auch darüber hinaus über viel gesprochen.
Svindal: Gut, es war cool, bis zum nächsten Mal. Rainer weiß eh immer schon ein paar Tage im Voraus, wann ich in Kennelbach bin.