„Wir leben in einer dunklen Welt, in die das Licht hinein geboren ist“

Die vier Adventsonntage stehen heuer im Zeichen der Gedanken und Erfahrungen katholischer Geistlicher. Zum vierten Advent kommt Paul Burtscher, Pfarrer in Schwarzach und Bildstein, zu Wort. Für ihn ist Weihnachten wie ein Licht, das ins Dunkel der Welt leuchtet.
Weihnachten ist zum Konsumfest geworden. Ist das nicht das Gegenteil der ursprünglichen Idee?
Paul Burtscher: Weihnachten ist in Beschlag genommen vom Kommerz. Ursprünglich ist es ein Fest der Hoffnung und der Liebe. Ein Fest der Familie, wobei heutzutage auf die Familie wieder mehr Wert gelegt wird. Ich habe das Gefühl, dass, auch wenn der Konsum im Vordergrund steht, die Leute sich zu Weihnachten auf wichtige Werte besinnen, dass ihnen Liebe und gute Beziehungen wichtig sind.
An Weihnachten sind die Kirchen ja nach wie vor sehr voll.
Burtscher: Es lässt nach, es sind weniger Menschen in der Kirche, aber die Gottesdienste sind immer noch gut besucht. Darüber hinaus spielen auch die Rituale eine verstärkte Rolle, weil man in der Weihnachtszeit stark an die eigene Kindheit erinnert wird. Da kommt vieles zum Vorschein, was einem als Kind wichtig war: Geschenke, Weihnachtslieder oder der Heilige Abend.

Wie erleben das aus Ihrer Sicht ältere Leute?
Burtscher: Für sie ist Weihnachten ein zwiespältiges Fest. Auf der einen Seite ist die Einsamkeit größer, weil man vielleicht schon so manche Menschen verloren hat. Andererseits ist das gerade auch ein Ansporn, die Gemeinschaft zu suchen, im Gottesdienst, oder wenn man miteinander Weihnachtslieder singt, oder in der Seniorenweihnacht. Schön ist aber auch die Kinderweihnacht in Bildstein, wo der Kinderchor auftritt, ein Krippenspiel aufgeführt wird, wo viele Kinder und Jugendliche mitmachen. Es gibt ja zu keiner Zeit so viele Lieder und Krippenspiele und Bräuche wie zu Weihnachten, da fühlen sich viele Menschen sehr zu Hause.
Weltweit gibt es viele Krisen. Fallen sie an Weihnachten besonders ins Gewicht?
Burtscher: An Weihnachten brechen die urmenschlichen Sehnsüchte auf nach Geborgenheit, Sicherheit, Frieden, nach Harmonie untereinander. Gleichzeitig wird die Diskrepanz zwischen Ursehnsucht und Realität spürbar. Die Bibel sagt, wir leben in einer dunklen Welt, in die das Licht hinein geboren ist. Weihnachten ist das Fest, wo wir uns nicht von der Dunkelheit deprimieren lassen, sondern an den Stern glauben, der am Himmel leuchtet, und dieser Stern ist das göttliche Kind.

“Christus ist als Licht in die Welt gekommen, um uns selbst hell zu machen.”
Paul Burtscher
Weihnachten ist also ein wichtiges Fest.
Burtscher: Weihnachten ist wichtig für uns, weil es uns eine Hoffnung vermittelt. Weihnachten ist ein Anlass daran zu glauben, dass Chaos und das Friedlose in der Welt, das uns Angst und Sorgen macht, nicht das Bestimmende sein darf. Sondern dass wir aus einer tiefen Hoffnung leben dürfen, dass diese Dunkelheit von einem Licht durchbrochen wird, das uns Leben und Zuversicht schenkt. Das ist ähnlich, wie wenn man in einen dunklen Raum eine brennende Kerze hineinstellt, und plötzlich ist der ganze Raum erhellt.
Wie weit kann so eine Hoffnung reichen?
Burtscher: Diese Hoffnung ist begründet in etwas, das wirklich passiert ist. Das ist keine vage Hoffnung darauf, dass es vielleicht doch noch anders werden wird, sondern dieses Licht in Bethlehem ist tatsächlich gekommen und ist stärker als alles Dunkle und alles Gewaltvolle und Böse in der Welt. Wir Christen glauben an Jesus Christus, der als Licht bei uns lebt und mit uns ist. Insofern hat diese Hoffnung einen Anker in dem Kind in der Krippe, das wirklich unser Retter ist.
Was müssen wir selbst tun?
Burtscher: Erstens ernst nehmen, dass es dieses Licht unter uns gibt, und es annehmen, darin unser Vertrauen setzen. Und zweitens, uns selbst von diesem Licht anstecken lassen. Wenn ich mich selbst in den Schein einer Kerze stelle, dann werde ich auch Licht und kann anderen Licht bringen. Christus ist als Licht in die Welt gekommen, um uns selbst hell zu machen und zum Leuten zu bringen. Das Licht wird dadurch heller und heller.

Woran merken wir, dass Weihnachten wird?
Burtscher: Weihnachten kommt näher, die Vorbereitungen sind in vollem Gange, es werden Geschenke gekauft, mehr Lichter angezündet. Aber die Frage ist ja: Komme ich auch innerlich Weihnachten näher, was tue ich selbst dafür, dass ich für das Weihnachtsfest bereit werde? Bin ich in einem Dauerstress und kann mich eigentlich auf das Fest gar nicht richtig freuen? Die beste Vorbereitung auf Weihnachten ist eine Vorfreude auf das Fest zu nähren, wie das bei Kindern ist. Gerade Eltern, die kleine Kinder haben, können sich mit ihnen wunderbar auf Weihnachten freuen.
Was für ein Weihnachten wünschen Sie sich?
Burtscher: Das sind sehr große Wünsche, die ich habe: Ich wünsche mir Frieden für unsere Welt, für das Volk in der Ukraine, für die Menschen im Nahen Osten. Ich wünsche mir auch Frieden für viele Familien und Paare, den Frieden und die Fähigkeit, sich wieder zu versöhnen, das Vergangene an Konflikten hinter sich zu lassen und an einer positiven Lebenskultur zu arbeiten.
Andererseits wünsche ich den Menschen heutzutage etwas mehr Gelassenheit. Wir leben in einer Zeit, wo die Menschen in vielerlei Hinsicht Druck verspüren. Zum Beispiel ist nicht mehr so viel Geld zur Verfügung – auch die Institutionen bekommen das zu spüren, sie müssen ebenfalls sparen. Das beste Mittel aus meiner Sicht ist, dass wir uns wieder mehr auf die Einfachheit beschränken, uns vielleicht auch bewusst reduzieren und die Dankbarkeit pflegen. Wir können für einfache Dinge dankbar sein. Vielleicht werden wir in zehn Jahren nicht mehr den Luxus und Wohlstand wie heute haben. Aber es kann uns trotzdem gut gehen, wenn wir uns auf die menschlichen Werte besinnen und Dankbarkeit pflegen.
Was ist Ihr persönlicher Wunsch?
Burtscher: Mein Wunsch, verbunden mit den beiden vorhergehenden, ist, dass die Menschen sich die Wirklichkeit Gottes wieder mehr bewusst machen. Denn unser Leben läuft nicht automatisch ab und wir kommen nicht von irgendwoher. Sondern wir kommen aus der Hand des Schöpfers, und wir gehen auf eine Ewigkeit zu, die über den Tod hinausgeht. Unser Lebenshorizont ist unglaublich weit und ist umgeben von sehr viel Liebe: der Liebe Gottes, aber auch der der Menschen. Wer sie sehen will, kann trotz Hass und Gewalt auch viel Liebe auf dieser Welt finden. Wir alle können einen Beitrag leisten, dass diese Liebe wächst, im Kleinen wie im Großen. Wir finden sie im göttlichen Kind.