Schoßbänder und Schäppeli – die Walsertracht

Mit viel Herz und Engagement bewahrt Familie Nigsch aus Sonntag das kulturelle Erbe des Großen Walsertals und hält es mit ihrer Tracht lebendig.
Von Christine Moosmann-Hämmerle
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Wenn Armida Nigsch von der Walsertracht erzählt, spürt man, dass die Tracht für sie mehr ist als nur ein traditionelles Kleidungsstück. Ihr Weg in die Welt der Trachten begann in der Trachtengruppe Sonntag, der sie auch heute noch angehört. Als 16-Jährige besuchte sie die Gruppe mit ein paar Freundinnen – vorerst nur zum Schnuppern, doch die Gemeinschaft und das Tanzen gefielen ihr auf Anhieb. Anfangs lieh sie sich, wie viele andere Mitglieder auch, die Tracht vom Verein aus. Als gelernte Schneiderin nähte sie ihre erste Tracht schließlich selbst. Auch ihren damals vierjährigen Sohn Claudio stattete sie mit einer Tracht aus. Ihre Fertigkeit wurde im Verein sehr geschätzt. Sie übernahm Änderungsarbeiten und Reparaturen an den Trachten und sorgte so neben ihrer Tätigkeit im Vereinsvorstand dafür, dass sie weiterhin in gutem Zustand blieben und auch getragen wurden. Die Töchter Selin und Jana wuchsen durch das Engagement der Mutter mit der Trachtengruppe auf, sie begleiteten diese zu Auftritten, Festen und Ausrückungen mit dem Verein. Mit 16 Jahren traten sie selbst der Tanzgruppe bei. Selin hat ihre Mutter inzwischen im Vorstand der Trachtengruppe abgelöst und ist Mitglied des Obteams. Gemeinsam mit ihrer Schwester tanzt sie weiterhin aktiv. Sie schätzt besonders, dass bei der Trachtengruppe Jung und Alt zusammenkommen. Einmal im Monat tritt die Tanzgruppe im Gasthaus „Weißes Kreuz“ in Feldkirch auf. Ein weiterer Fixpunkt und sozialer Treffpunkt für Mitglieder aus dem ganzen Großwalsertal ist die wöchentliche Tanzprobe.

Immer gut angezogen
Für Auftritte tragen Frauen ein Dirndl. Zu festlichen Anlässen aber kleiden sie sich in der edleren Walsertracht. „Mein Mann und ich ziehen die Tracht sehr oft an“, erzählt Armida Nigsch, „In einer Tracht ist man so schön angezogen, sie passt immer und damit fühlen wir uns einfach wohl.“ Sie ist eine der wenigen Frauen, die noch die historische Tracht trägt. In den 1950er Jahren entstand eine erneuerte Version der Frauentracht, die nach wie vor viele Elemente des historischen Vorbildes besitzt. Auch für Selin ist die Tracht ein Festtagsgewand, wird im Walsertal aber häufig nur noch im Rahmen von Vereinsausflügen und Auftritten getragen. Auch heute noch entstehen viele Teile der Tracht im Tal. Dazu gehören auch die traditionellen Kopfbedeckungen wie das mit Perlen geschmückte Schäppeli, das nach der Hochzeit durch einen Hut ersetzt wird. Die Männer tragen eine mit Stickerei verzierte Chappa oder einen niedrigen schwarzen Filzhut.

Die Kleidungsstücke der Männer sind wie die Chappa mit farbenfrohen floralen Stickereien verziert. Früher trugen die Frauen die Juppe meist ohne Schürze. Die Juppe wurde aus festem, schwarzem Wollstoff gefertigt, war kürzer als die heutige Version, und damit praktischer im steilen Gelände. Da zur Tracht keine Handtasche getragen wird, ist in die Juppe eine Tasche eingenäht. Es hieß, dieser Sack müsse so groß sein, dass ein kleiner Brotweggen hineinpasst. Die Schürze oder Schoß aus Seide ist ein besonderes Schmuckstück. Laut Selin Nigsch ist sie eines der wertvollsten Teile der Tracht, die Schoßbänder, die am Rücken getragen werden, sind kunstvoll bestickt.

Viele Accessoires
Ein spezielles Accessoire der Frauentracht ist der sogenannte Backbeutel. Anders als der Name vermuten lässt, hatte er nichts mit dem Backen zu tun. Er diente vielmehr zur Aufbewahrung von Pfeifentabak. So sieht man auf alten Bildern häufig Walserinnen mit einer Pfeife. Armida Nigsch erinnert sich, dass früher die älteren Frauen auf den Umzügen noch ihre Backbeutel bei sich trugen und Pfeife rauchten. Ein weiteres Schmuckstück der Tracht ist eine Halskette aus roten Perlen. Diese bestand ursprünglich aus Granaten, wird heutzutage im Tal jedoch meist aus Glasperlen gefertigt. Die Pflege der wertvollen Stücke ist anspruchsvoll. Armida Nigsch führt nach wie vor Reparaturen und Änderungen durch und erzählt, wie wichtig es ist, jemanden zu finden, der nähen kann und das auch möchte. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern möchte sie das Wissen um die Trachten erhalten und kümmert sich darum, dass die Kleidungsstücke in einem guten Zustand sind. Die Trachtengruppe gibt außerdem Tipps zur Reinigung und Pflege der kostbaren Kleidung. Dazu hat der Verein eigens eine kleine Pflegehandschrift verfasst, die besonders für neue Mitglieder wertvoll ist. Den ganzen Verein auszustatten, gebe viel Arbeit, erzählt Selin Nigsch. Ihre Mutter erinnert sich noch an alte Regeln: „Eine Tracht darf man niemals bei Sonne hinaushängen und auch bei Vollmond nicht“, erklärt sie.

Für Armida und Selin bedeutet die Tracht Heimat, Tradition und auch Familiengeschichte. „Du musst kein Wort sagen, und jeder weiß trotzdem: die kommen aus dem Walsertal“, sagt Armida. Die Tracht symbolisiert für sie auch den Ort, an dem sie lebt und mit dem sie sich verbunden fühlt. Selin liebt das Noble an der Tracht, die Ketten und die vielen kunstvollen Details. Die Floristin hofft, dass es auch in Zukunft immer junge Leute gibt, die die Tracht tragen und im Verein aktiv sind. Armida freut es besonders, dass die Mitglieder ihrer Familie die Tracht zu schätzen wissen und ihre Kinder und Enkelkinder sie gerne tragen. Inzwischen ist diese ein Teil des Familienerbes. Sie wünscht sich, dass auch zukünftige Generationen weiterhin Freude an der Tracht haben: „Ich hoffe, dass ich es in meinem Leben geschafft habe, diese Freude weiterzugeben.“ Im Familienkreis ist ihr das ganz sicher gelungen.