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Größere Öl-Katastrophe als “Exxon Valdez” droht

17.05.2022 • 15:40 Uhr
Die "Safer" liegt auf einer fixen Seeposition im Roten Meer vor der Küste des Jemen
Die “Safer” liegt auf einer fixen Seeposition im Roten Meer vor der Küste des Jemen holmakhdar.org

Der mit Rohöl beladene, schrottreife Super-Tanker “Safer” könnte bald zerbrechen.

Sie ist eine tickende, dahinrottende, 362 Meter lange Zeitbombe, mit enormem Potenzial zur ökologischen Katastrophe: Im Roten Meer vor der Küste des Jemen liegt auf einer fixen Seeposition die “Safer”.

Der 1976 gebaute Öltanker (“Ultra Large Crude Carrier”) wurde zuletzt als Ölübergabe-Terminal genutzt und hat 1,1 Millionen Barrel (174,9 Millionen Liter) Rohöl an Bord: Das ist fast das Vierfache jener Menge, die im Jahr 1989 von dem US-Öltanker “Exxon Valdez” unkontrolliert in das Meer vor Alaska floss und eine der größten Umweltkatastrophen der Seefahrt auslöste, warnen die Vereinten Nationen nun eindringlich.

Hochgefährlicher “Spielball” im Krieg

Akute Gefahr geht nun auch von der “Safer” aus – ihr Schicksal und ihr erbärmlicher Zustand haben einen politischen, kriegerischen Hintergrund: 2015 wurde das nach seinen Jahren auf den Weltmeeren seit 1988 nahe der jemenitischen Hafenstadt Hudaida festgemachte Schiff im Kriegsverlauf von Huthi-Rebellen besetzt. Seitdem kann es weder gewartet noch von Spezialisten betreten werden. An Bord ist nur noch eine “Skeleton Crew”, die den Verfall der “Safer” nicht aufhalten kann: Rost ist allgegenwärtig, ein Leck wurde notdürftig geflickt, in die Maschinenräume ist Wasser eingedrungen, die Pumpen funktionieren nicht mehr korrekt.

Die "Safer" auf einer Satellitenaufnahme von Maxar Technologies
Die “Safer” auf einer Satellitenaufnahme von Maxar TechnologiesAP

Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin von Greenpeace, erläutert die verheerenden möglichen Folgen: “Eine Ölpest könnte einerseits durch langsames und konstantes Auslaufen von Öl Realität werden – wenn der Schiffsrumpf weiter durch Verwitterung oder Korrosion beschädigt wird. Auch eine Explosion wäre ein mögliches Szenario – aufgrund von brennbaren Gasen an Bord oder wenn das Schiff absichtlich oder versehentlich von einer Rakete getroffen wird. Ebenso könnte die ‘Safer’ komplett sinken und seine Rohöl-Ladung freisetzen.”

Jasmin Duregger, Klima- und Energie-Expertin von Greenpeace
Jasmin Duregger, Klima- und Energie-Expertin von GreenpeaceSonstiges
Die Position der "Safer" nahe der jemenitischen Hafenstadt Hudaida
Die Position der “Safer” nahe der jemenitischen Hafenstadt HudaidaKleine Zeitung

Auch David Gressly, UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Jemen, warnt davor, dass der Koloss “auseinanderbrechen wird”. Für die Beseitigung der Folgen einer möglichen Ölpest über Hunderte Kilometer könnte der Jemen niemals aufkommen, werden die Kosten dafür doch mit gut 19 Milliarden Euro beziffert. Nicht zuletzt unzählige Fischer wären betroffen, im Ernstfall könnten zudem viele Häfen unbenutzbar werden. Sollte sich eine Ölpest bis in den Suezkanal ausbreiten, dürften die Effekte noch weitere Kreise ziehen.

Das beladene Schiff ist seit Jahren in einem bedenklichen Zustand
Das beladene Schiff ist seit Jahren in einem bedenklichen ZustandSonstiges

Es braucht noch mehr Mittel

Bei einer UN-Geberkonferenz zur Entschärfung der Situation sind 32 Millionen der dafür nötigen 77 Millionen Euro zusammengekommen. Ausfinanziert ist die Sache also noch lange nicht. Greenpeace-Expertin Duregger: “Die Katastrophe kann nur abgewendet werden, wenn das Öl auf einen anderen Tanker umgeladen wird, der die Sicherheitsbestimmungen erfüllt. Eine temporäre Waffenruhe im Kriegsgebiet Jemen eröffnet jetzt die Möglichkeit dafür – doch das Zeitfenster ist eng: Sollte der Öltransfer nicht bis Oktober geschehen, lässt das Wetter die Operation wieder mehrere Monate lang nicht zu.”

Der 1976 gebaute Öltanker wurde zuletzt als Ölübergabe-Terminal genutzt
Der 1976 gebaute Öltanker wurde zuletzt als Ölübergabe-Terminal genutztSonstiges