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Raisi ist tot, das Mullah-Regime ist es nicht

20.05.2024 • 12:44 Uhr
Russia Iran President Death 8688362 20.05.2024 A man places a photograph depicting Iran s President Ebrahim Raisi, Foreign Minister Hossein Amirabdollahian and other victims of a recent helicopter crash in northwestern Iran, outside the Iranian embassy in Moscow, Russia. Maksim Blinov / Sputnik Moscow Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxESTxLTUxLATxNORxSWExDENxNEDxPOLxUKxONLY Copyright: xMaksimxBlinovx
Eigentliche Machtzentrale des Landes ist – noch – das mittlerweile 85-jährige Staatsoberhaupt Chamenei.Maksim Blinov/IMAGO

Auch wenn die Frage nach dem Nachfolger Raisis eine dringliche ist, sollte man nicht den Fehler machen, das iranische Regime insgesamt akut geschwächt zu sehen.

Es war das jähe Ende eines unerbittlichen Ultrakonservativen, der bislang sogar als Nachfolger von Revolutionsführer Ali Khamenei gehandelt worden war: Irans Präsident Ebrahim Raisi ist tot, sein Hubschrauber – übrigens ein angestaubter US-Hubschrauber aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979 – zerschellte im dichten Nebel, irgendwo im Nirgendwo. Fünf Tage Staatstrauer wurden verordnet, gerade so, als sei Raisi ein Präsident der Herzen gewesen.

Massive Protestwellen, blutige Unterdrückung

In die Ära von Raisi, der den Beinamen „Schlächter von Theran“ erhielt, fallen die massiven Protestwellen, die der gewaltsame Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im Herbst 2022 auslöste. Zehntausende Demonstranten wurden verhaftet, viele getötet, zahlreiche hingerichtet. Das Aufbegehren gegen ein intolerantes, eisernes System wurde mit noch repressiverem Kurs beantwortet. Raisis Ruf als Hardliner war schon vor seinem Antritt als Präsident ein entsprechender: In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll für zahllose Verhaftungen und Exekutionen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein.

Auch wenn Teheran nun alarmiert sein dürfte und die Frage nach dem Nachfolger Raisis eine dringliche ist, sollte man nicht den Fehler machen, das Regime insgesamt akut geschwächt zu sehen: Eigentliche Machtzentrale des Landes ist – noch – das mittlerweile 85-jährige Staatsoberhaupt Chamenei, bei ihm laufen alle strategischen Fäden zusammen. Er verlor mit Raisi und dem ebenfalls getöteten Außenminister Hossein Amirabdollahian zwei loyale Gefolgsleute – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein Regime wie das iranische, flankiert von der mächtigen Revolutionsgarde und der Sittenpolizei, ist die Antithese zu jedweder Toleranz oder Modernisierung.

Die Ankündigung des Mullah-Regimes, das iranische Volk solle sich doch keine Sorgen machen, es werde „keine Störung für das Land geben“, darf vor allem für Millionen nach mittelalterlichen Vorgaben unterdrückten Frauen irgendwo zwischen Zynismus und Drohung verortet werden. Innerhalb von 50 Tagen muss nun gewählt werden, Chamenei und seine versteinerte Elite werden alles daran setzen, den Tod Raisis nicht zur Legitimitätskrise der Islamischen Republik werden zu lassen.

Abscheu gegen das System und die Eliten

Das iranische Volk, das von Demokratie nicht weiter entfernt sein könnte, zeigte schon im März seine Abscheu gegen das System und die Khamenei-Eliten: Damals beteiligten sich mit rund 41 Prozent so wenige Menschen an Wahlen wie nie zuvor. Totalitäre Apparate gründen im Wesentlichen auf Ausschaltung jedweder Opposition, gewaltsamer Unterdrückung kritischer Bürger, Kontrolle der Medienlandschaft und nicht zuletzt dem Eindruck, die Dinge allzeit im Griff zu haben: Das ist im Iran so, das ist auch beim Verbündeten Russland so.

Es wird sehr spannend zu sehen, welche Kandidaten zur Präsidentenwahl zugelassen werden und wie die Lagerbildung innerhalb Hardliner verläuft. Der Westen und der iranische Erzfeind, die USA werden gut beraten sein, mit Argusaugen auf Risse in der Machtstatik zu achten.