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Trump wurden fast alle Stoppschilder aus dem Weg geräumt

02.07.2024 • 14:38 Uhr
FILE - Former President Donald Trump speaks during a news conference at Trump Tower, May 31, 2024, in New York. Trump's lawyers have sent a letter to the Manhattan judge in his hush money criminal case seeking permission to file a motion to set aside the verdict. The letter to Judge Juan M. Merchan cited the U.S. Supreme Court's ruling on July 1 and asked the judge to delay Trump's sentencing while he weighs the high court's decision and how it could influence the New York case. (AP Photo/Julia Nikhinson, File)
Donald Trump meldet sich bei Fans . AP Photo/Julia Nikhinson, File

Das US-Höchstgericht leistet dem nach seiner Wiederwahl Greifenden und seinen Allmachtsfantasien Schützenhilfe. Niemand darf über dem Gesetz stehen, auch nicht ein US-Präsident.

Eine juristische Unsäglichkeit, die für die Vereinigten Staaten von Amerika für die nächsten Jahre demokratiepolitisch das Schlimmste befürchten lässt: Der Supreme Court erhebt nun mit seinem Urteil zur Immunität jeden US-Präsidenten de facto über das Recht. Wer im Wesentlichen davon profitiert, ist offenkundig.

Laut jubeln darf Donald Trump, der mehrfach angeklagte und im Skandal um Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin verurteilte Ex-US-Präsident mit blendenden Aussichten auf einer Wiederwahl im November. Trump hat seit dem peinsamen, taumelnden TV-Duell-Auftritt seines offenbar massiv überforderten Gegners Joe Biden einen Lauf, das Urteil spielt ihm formidabel in die Hände. Siehe da, schon will er das Urteil von New York aufheben lassen.

Dass Trump seinen Fans – tiefe Einblicke in seine Gefolgschaft bekam man ja beim blutigen Kapitolsturm vom 6. Jänner 2021 – die höchstgerichtliche Entscheidung online in großen Lettern als „GROSSER SIEG FÜR UNSERE VERFASSUNG UND DEMOKRATIE!“ verkauft, ist eine Scharade, eine Farce, ein heuchlerisches Täuschungsmanöver. In Wahrheit wurde Trump für seine zweite Amtszeit, die er als persönlichen Rachefeldzug gestalten dürfte, damit die Bühne bereitet.

Immunität, aber für was?

Trump wollte „absolute präsidentielle Immunität“ – nun ist es „nur“ eine teilweise Immunität gegen strafrechtliche Verfolgung, die ihm zuerkannt wurde: Bei Vergehen im privaten Zusammenhang genießt ein ehemaliges Staatsoberhaupt keinen Schutz. Aber: Für „offizielle“ Handlungen innerhalb seines verfassungsmäßigen Aufgabenbereichs ist die Immunität absolut – und Trump wird diese Möglichkeit bis zum Anschlag ausreizen. Und: Dass ein Bezirksgericht entscheiden soll, ob Trumps Verhalten in verschiedenen Fällen als offiziell oder inoffiziell einzustufen ist, wird vor dem 4. November aller Voraussicht nach nicht passieren.

Kritiker sogar im Gerichtshof

Sonnenklar ist, dass das Urteil dem mit aller Vehemenz und Ruchlosigkeit nach Macht greifenden Ex-Präsidenten direkt auch für die Zukunft in die Hände spielt: Die empörte Richterin Sonia Sotomayor hat recht, wenn sie feststellt: „Der Präsident ist jetzt ein König über dem Gesetz. Das Gericht gewährt dem ehemaligen Präsidenten Trump die von ihm geforderte Immunität und noch mehr.“ Sie und zwei Kollegen widersprachen sechs anderen Richtern, „aus Angst um unsere Demokratie.“, doch am Ende stand die 6:3-Entscheidung. Ein Blankoscheck zur passenden Zeit für Trump.

Der Supreme Court wollte das Urteil als Mittelweg verkaufen, doch das ist es nicht. Es ist, wie Sotomayor es noch vornehm ausdrückt, „fehlgeleitete Weisheit“. Vor allem aber ist es Schützenhilfe für den Republikaner, der seinen Allmachtsfantasien mit Kurs Richtung Trumpistan mehr denn je freien Lauf lassen kann. Niemand darf über dem Gesetz stehen, auch nicht ein US-Präsident, der letztlich oberster, umsichtiger, trittsicherer Diener des gesamten Volks sein sollte. Genau das wurde aber nun ermöglicht.