Lohnt sich der Einkauf über der Landesgrenze?

Viele Produkte werden teurer und Vorarlberger fragen sich, ob man im Ausland sparen kann. Die NEUE hat zwölf Produkte in Deutschland, der Schweiz und in Vorarlberg verglichen.
Die Diskussionen um die Teuerung bei Lebensmitteln in Österreich reißen nicht ab. Viele Vorarlberger stellen sich daher die Frage: Zahlt es sich aus, für den Wocheneinkauf nach Deutschland oder gar in die Schweiz zu fahren? Die NEUE am Sonntag hat den Praxistest gemacht und zwölf identische Produkte eingekauft: das Ergebnis ist eindeutig.
Identische Produkte
Für den Vergleich wählte die NEUE am Sonntag alltägliche Produkte wie Zahnpasta, Waschmittel, Nudeln, Softdrinks und Grundnahrungsmittel. Die Preise wurden in einem Supermarkt in Vorarlberg, einer Filiale im süddeutschen Raum sowie einem Geschäft im Schweizer Rheintal erhoben, jeweils auf Basis regulärer, nicht rabattierter Preise und in gleichen Mengen.
Das Ergebnis: Deutschland ist im Schnitt am günstigsten. Der gesamte Einkaufskorb mit zwölf Produkten kommt dort auf 45,50 Euro. In Vorarlberg kostet derselbe Einkauf 47,68 Euro, in der Schweiz sind dafür stolze 66,31 Euro fällig. Damit liegt Österreich um knapp fünf Prozent über Deutschland, die Schweiz sogar um fast 46 Prozent.
Große Unterschiede
Bei manchen Markenartikeln sind die Unterschiede besonders auffällig. Das Flüssigwaschmittel Ariel (20 Wäschen) kostet in Deutschland 5,89 Euro, in Vorarlberg 6,79 Euro und in der Schweiz ganze 14,23 Euro. Auch bei der Zahnpasta Colgate (1,89 Euro in Deutschland, 2,79 Euro in Vorarlberg, 4,23 Euro in der Schweiz) und beim Deo von Nivea (2,95 Euro vs. 3,49 Euro vs. 4,92 Euro) sind die Differenzen beträchtlich. Gleich teuer sind dagegen Produkte wie Nutella oder Barilla-Spaghetti. Hier gibt es keinen Preisvorteil über die Grenze hinweg.
Interessant ist auch der Blick auf frische Produkte: Rinderhackfleisch kostet in Deutschland 8,45 Euro pro halbes Kilo, in Vorarlberg 7,49 Euro und in der Schweiz 10,65 Euro. Kartoffeln sind in Deutschland und Österreich mit 1,99 Euro pro 1,5 Kilo gleich günstig, während in der Schweiz 3,53 Euro verlangt werden.
Langjähriger Trend
Bei Markenprodukten liegt Österreich durchschnittlich also über dem deutschen Niveau, bewegt sich aber deutlich unter den Schweizer Preisen. Das bestätigt auch der langjährige Trend: Studien der Arbeiterkammer zeigen seit Jahren, dass Markenartikel hierzulande bis zu 25 Prozent teurer sind als in Deutschland. Besonders betroffen sind Körperpflegeprodukte, Waschmittel, aber auch Grundnahrungsmittel wie Öl, Eier oder Milch.
Wettbewerb
Dass Österreich über dem deutschen Preisniveau liegt, erklären Experten mit mehreren Faktoren: kleineren Marktstrukturen, höheren Logistikkosten und einem traditionell starken Einfluss der Handelsketten auf die Preisgestaltung. Der deutsche Markt sei durch seinen harten Wettbewerb stärker auf Niedrigpreise ausgerichtet.
Die Schweiz wiederum gilt seit Jahrzehnten als Hochpreisinsel. Auf viele Lebensmittel werden hohe Importzölle eingehoben, dazu kommen strengere Vorschriften und höhere Löhne im Handel. Das alles schlägt sich in den Endpreisen nieder. Für Konsumenten im Vorarlberger Rheintal oder in Grenznähe ist daher klar, dass der tägliche Einkauf sich in der Schweiz kaum lohnt. Umgekehrt nutzen viele unserer Schweizer Nachbarn die Möglichkeit, in Vorarlberg und Deutschland sparen zu können.
Zusatzkosten beachten
Wer für einen normalen Wocheneinkauf nur wenige Euro sparen will, muss allerdings auch den zusätzlichen Aufwand bedenken. Benzin und Zeit für die Fahrt über die Grenze schmälern die Ersparnis. Je weiter man vom Grenzgebiet entfernt wohnt, desto weniger rentabel ist der Einkauf in Deutschland. Für Konsumentinnen und Konsumenten, die in Bregenz, Hohenems oder Lustenau wohnen, kann sich der Griff zu Waschmitteln oder Pflegeartikeln durchaus bezahlt machen. Wer aber im Montafon oder im Bregenzerwald lebt, müsste längere Anfahrten einkalkulieren, wodurch sich der Preisvorteil rasch realtiviert.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Zeitfaktor. Wer weiter von der Grenze entfernt lebt, muss für einen Einkauf in Deutschland schnell ein bis zwei Stunden einplanen. Für viele Konsumenten relativiert sich damit die Ersparnis noch mehr. Der schnelle Griff im Supermarkt ums Eck bleibt oft die praktischere Lösung.
Teuerung
Die Teuerung der vergangenen Jahre hat das Bewusstsein vieler Haushalte geschärft. Laut Statistik Austria stiegen die Lebensmittelpreise in Österreich im Jahresvergleich zuletzt um rund 4 Prozent, einzelne Produkte wie Mehl oder Kartoffeln sogar um bis zu 50 Prozent seit 2019. Viele greifen gezielter zu Eigenmarken oder vergleichen Angebote über Apps und Online-Portale.
Gleichzeitig beklagen Konsumentenschützer, dass gerade Eigenmarken in Österreich deutlich teurer geworden sind und sich die Preisdifferenz zu Deutschland selbst in diesem Segment nicht schließen ließ. Auch die Europäische Kommission prüfte wiederholt, ob internationale Konzerne für den österreichischen Markt bewusst höhere Preise festlegen.
Fazit
Die Erhebung der NEUE am Sonntag zeigt: Wer gezielt einzelne Produkte einkauft, kann in Deutschland tatsächlich sparen – bei Waschmitteln, Körperpflege oder Kaffee sind die Unterschiede spürbar. Im Gesamteinkauf bleibt der Vorteil jedoch überschaubar. Und er schmilzt weiter, wenn die Kosten für die Fahrt dazugerechnet werden.
Ganz anders fällt der Vergleich mit der Schweiz aus. Hier sind fast alle Produkte spürbar teurer, teils doppelt so hoch im Preis. Für Vorarlbergerinnen und Vorarlberger bleibt die Schweiz daher beim alltäglichen Einkauf die teuerste Option.
Österreich ist zwar teurer als Deutschland, aber klar günstiger als die Schweiz. Wer sparen will, sollte die Preise vergleichen und auch die Fahrstrecke gleich mit einplanen.
Warenkorb und Preise
Produkt | Preis DE | Preis CH | Preis AT |
---|---|---|---|
Nivea Men Deo Spray | 2,95 € | 4,92 € | 3,49 € |
Colgate Zahncreme | 1,89 € | 4,23 € | 2,79 € |
Ariel Colorwaschmittel flüssig 20W | 5,89 € | 14,23 € | 6,79 € |
Nutella 450g | 3,79 € | 4,19 € | 3,79 € |
Kelloggs Smacks 400g | 4,49 € | 4,21 € | 4,19 € |
Tassimo Caffe Crema | 6,99 € | 9,23 € | 7,99 € |
Hackfleisch Rind, 500g | 8,45 € | 10,65 € | 7,49 € |
Barilla Spaghetti Nr.5 | 1,99 € | 2,78 € | 1,99 € |
Coca-Cola 1,5 l | 1,89 € | 2,62 € | 2,39 € |
Rauch Orange mild 1l | 3,99 € | 4,39 € | 3,49 € |
Haribo Goldbären 175g | 1,19 € | 1,34 € | 1,29 € |
Bio Kartoffeln festkochend 1,5 kg | 1,99 € | 3,53 € | 1,99 € |
Shrinkflation: Weniger Inhalt, gleicher Preis
Viele ärgern sich derzeit nicht nur über steigende Preise, sondern auch über die sogenannte Shrinkflation. Darunter versteht man das heimliche Schrumpfen von Packungsgrößen bei gleichbleibendem oder sogar höherem Preis.
Bei Chips oder Schokolade steckt zum Beispiel oft weniger Inhalt in derselben Verpackung, Waschmittel reicht für weniger Waschgänge und auch Joghurts oder Aufschnitt sind kleiner geworden. Im Regal wirkt alles unverändert, aber für Kunden bedeutet das eine verdeckte Preiserhöhung. Experten raten deshalb, genauer auf Füllmengen und Grundpreise pro Kilo oder Liter zu achten.
Der Österreich-Aufschlag im Fokus
Der „Österreich-Aufschlag“ bezeichnet den Umstand, dass identische Produkte hierzulande oft deutlich teurer sind als in Deutschland. Betroffen sind vor allem bekannte Markenartikel aus den Bereichen Körperpflege, Waschmittel und Lebensmittel. Konsumenten spüren diesen Aufschlag seit Jahren: Ein und dasselbe Produkt kostet im deutschen Supermarkt deutlich weniger, trotz identischer Verpackung, gleicher Menge und gleicher Qualität.
Experten erklären die Unterschiede mit kleineren Marktstrukturen, höheren Logistikkosten und einer stärkeren Macht der großen Handelsketten in Österreich. Für viele Haushalte bedeutet das spürbar höhere Ausgaben im Alltag und den Anreiz, für bestimmte Produkte gezielt über die Grenze zu fahren. Besonders in Grenznähe nutzen daher immer mehr Menschen diese Möglichkeit.
Preisvergleich der Tiroler Arbeiterkammer
Der Handel rechtfertigt höhere Lebensmittelpreise in Österreich traditionell mit höheren Lohnkosten, dichterer Filialstruktur und Transportwegen in alpinen Regionen. Eine Erhebung der AK Tirol von Ende August zeigt jedoch: Auch in Österreich hergestellte Produkte sind im benachbarten Bayern billiger als hierzulande.
Untersucht wurden ident angebotene Waren im REWE-Konzern – in Österreich Billa und Billa Plus, in Deutschland REWE. Von elf Produkten waren zehn in Bayern günstiger, nur eines kostete gleich viel. „Es gibt kein logisches Argument dafür, warum in Österreich hergestellte Waren in Deutschland billiger verkauft werden als in Österreich selbst“, kritisiert der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl.
Noch deutlicher wird der Unterschied bei Diskontern. Eigenmarken von Hofer/Aldi Süd und Lidl sind in Deutschland durchwegs günstiger. Ein Toastbrot kostet dort 0,69 Euro, in Österreich 0,99 Euro. Schinken, Käse und Joghurt liegen regelmäßig 20 bis 30 Cent über dem deutschen Preis.
Zangerl sieht die Ursache nicht in Löhnen oder Transportkosten, sondern in der Marktmacht weniger Handelskonzerne.