Weihnachtsmann trägt heuer Sixpack

Das Genre der Weihnachtsfilme treibt in diesem Jahr besonders bunte und schrille Blüten. Klassiker haben keine Konkurrenz zu befürchten.
Die „New York Times“ brachte es auf den Punkt: „Die Feiertagsunterhaltung entwickelt sich in Richtung Oberkörperfreiheit.“ Was da an freizügigen Muskelmännern unterwegs ist, ergänzt das romantische Weihnachtsfilmensemble: Detailreich geschmücktes Schneeidyll, Wohlfühlmusik, ein Wellenbad der Gefühle und am Ende ein Kuss, der das Happy End besiegelt.
Genau genommen folgen Filme wie „Hot Frosty“ mit dem sich vom Schneemann zum Nakedei wandelnden Dustin Milligan dennoch weihnachtlichen Motiven. Es wird diese Zeit des Fantasie anregenden Wünschens bloß etwas lustvoller interpretiert als in der Vergangenheit: Womöglich erkannten algorithmusgeleitete Streamingdienste wie Netflix, dass romantische Weihnachtskomödien tendenziell eine Frauen-Sache sind – und Sixpacks gut ankommen.
„Hot Frosty“ handelt von Cathy (Lacey Chabert), die nach dem Tod ihres Ehemannes in ein tiefes Loch stürzt. Als sie zwei Jahre später in ihrem Verdruss einem Schneemann einen Schal umlegt, verwandelt dieser sich in einen feschen Kerl in Fleisch und Blut. Das Glück, es wäre perfekt, würde nicht ein weihnachtliches Tauwetter drohen. Das mögen nämlich auch die menschgewordenen Schneemänner nicht leiden. Wie gewonnen, so zerronnen.
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Knackig gibt sich auch „The Merry Gentlemen“, unter anderem mit „One Tree Hill“-Schönling Chad Michael Murray: Broadway-Tänzerin Ashley (Britt Robertson) kehrt in ihre idyllische Heimatstadt zurück – ein klassisches Weihnachtsfilm-Motiv – und bemüht sich, die Eventagentur ihrer Eltern zu retten. Womit? Mit einer Strip-Revue. Bevor das Projekt starten kann, braucht es ein Schaulaufen der Feschen aka Casting: Das soll nicht zu Ashleys Schaden sein.
Und dann wäre da noch „Meet Me Next Christmas“. Wie die oben genannten Filme findet sich auch diese Weihnachtsromanze in der aktuellen Liste der fünf beliebtesten Filme auf Netflix wieder. Schauplatz ist – durchaus genreüblich – ein Flughafen, wo Layla (Christina Milian) ihren Flug versäumt, nicht aber die Gelegenheit, den attraktiven James (Kofi Siriboe) kennenzulernen. Zum Glück fehlt bloß: Sie hätten Nummern austauschen sollen.
Privilegierte Liste der Klassiker
Die Wahrscheinlichkeit ist überschaubar, dass einer der neuen Weihnachtsfilme es in das Ensemble der Klassiker schafft. Diese heiß begehrten Plätze sind privilegierte Geldmaschinen, ähnlich den Weihnachtsklassikern der Musikindustrie, und reichen von der hassgeliebten Schnulze „Tatsächlich Liebe“ über „Die Geister, die ich rief“, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ bis zum österreichischen Regionalklassiker, dem bereits dutzendfach ausgestrahlten „Single Bells“.
In diese Kategorie wollen auch die jüngst erschienenen Titel fallen, Auffallen um jeden Preis ist der Weg dorthin. Der britische Filmkritiker John Nugent ist nicht überzeugt, dass das gelingt: „Ich verstehe auch nicht ganz, was die Verbindung zwischen der Geburt Jesu Christi und heißen Männern mit Bauchmuskeln ist“, sagte er dem „Guardian“. Der Weihnachtsromanzenkomödienindustrie dürfte das egal sein – weil sie nur einer Regel folgt: Was gestreamt wird, wird auch produziert.