Auf den Spuren des Nazi-Musikers “Mr. Bond”

Vom beschaulichen Kärntner Dorf in die hasserfüllte Welt der Rassisten.
“Jetzt ist es offiziell. Der Typ erschoss nur zwei Deutsche, keine Moslems oder Ähnliches. Ein massives Versagen.” Derjenige, der bedauert, dass der Anschlag in Halle in Deutschland am 9. Oktober 2019 nicht andere und mehr Tote gefordert hat, ist ein Kärntner.
Als “Mr. Bond” hat er seit 2016 die internationale Nazi-Szene mit Songs beliefert und dafür Hits von Weltstars für seine rassistischen Ziele entfremdet. Tausendfach wurden die Lieder von einschlägigen Online-Plattformen heruntergeladen, geteilt und verbreitet.
Musik zum Amoklauf
Der 36-Jährige lieferte aber nicht nur den “Soundtrack zum Rechtsterrorismus”, wie es die Tageszeitung “Standard” geschrieben hat, “Mr. Bond” postete als “anon244311009” auch seine Meinung – hasserfüllt, menschenverachtend, juden- und ausländerfeindlich und ungewöhnlich gewaltbereit.
Das Zitat zu Beginn verfasste der Kärntner fünf Tage nachdem der mittlerweile zu lebenslanger Haft verurteilte Nazi-Terrorist Stephan B. die Synagoge in Halle stürmen und möglichst viele Juden ermorden wollte. B. scheiterte an der Synagogen-Türe, töte und verletzte daraufhin wahllos Menschen. Seine Tat übertrug er via Helmkamera live ins Internet, samt “passender” Musik.
Jahrelange Recherche
Dass viel mehr über ihn und die rechtsextremen Netzwerke öffentlich bekannt ist – als dem Nazi-Rapper und seinen Freunden lieb ist – ist Recherchen der Tageszeitung „Der Standard“ und des ARD-Magazins „Report München“ zu verdanken. Monatelang haben die Journalisten Christof Mackinger und Sabina Wolf etwa Chats und Protokolle ausgewertet.
Sohn von Ex-Politiker
Der Sohn eines ehemaligen Kommunalpolitikers leistete keinen Widerstand. “Er lebte unauffällig, hat keine Vorstrafen”, sagt Patrick Meierhofer, Sprecher des Innenministeriums. Derzeit gehen Verfassungsschützer davon aus, dass der 36-Jährige als Einzeltäter die Nazi-Songs produziert hat. “Aber natürlich wird das Umfeld des Beschuldigten unter die Lupe genommen”, sagt Maierhofer. Ob “Mr. Bond” mehr als fünf Jahre unbemerkt und unerkannt von seiner Umgebung so aktiv sein konnte, will Maierhofer nicht beurteilen. Das herauszufinden sei Teil der Ermittlungen.
Gleiches gilt für Attacken auf eine Flüchtlingsunterkunft in der Gemeinde: Im Frühjahr 2016 wurde das Heim für unbegleitete Minderjährige in Feistritz an der Drau mit fremdenfeindlichen Parolen beschmiert, ein Ziegelstein flog durch ein Fenster und Böller wurden gegen die Fassade geworfen. Die Täter konnten nie ausgeforscht werden. Derzeit seien zwischen diesen Taten und “Mr. Bond” keine Verbindungen bekannt, so Maierhofer. “Selbstverständlich wird das jetzt auch noch einmal überprüft.”
Sympathien für Massenmörder
Klar ist, dass der Kärntner Teil eines internationalen Netzwerkes war. Er sei kein Mitläufer, sondern eine durchaus bedeutende Figur gewesen, so Maierhofer. Das zeigen auch die Recherchen des “Standard” und des ARD-Magazins “Report München”. Am Tag des Terroranschlags von Halle postet “Mr. Bond” als “anon244311009” in einem aus den USA betriebenen Neonazi-Forum: “Ein Deutscher macht einen auf T.?”.
Ein Hinweis auf Brenton T.: Der Rechtsextremist, der am 15. März 2019 in Neuseeland bei Anschlägen 51 Menschen getötet und 50 verletzt hat. Der Australier griff gezielt Moscheen und islamische Einrichtungen an. Wie sein deutscher Nachahmer übertrug T. seinen Amoklauf live im Internet. “Mr. Bond” – im beschaulichen Paternion oder in der Großstadt Wien, wo er sich auch aufgehalten hat – war begeistert: “Ich liebe diesen Mann. Stellt euch 100 Brentons vor – auf der ganzen Welt!”, postet er am Tag nach dem Attentat. Er fordert: “Auch wir müssen uns bereit machen, um losschlagen zu können, und das sehr bald.”
Der 36-Jährige hat den zu lebenslanger Haft verurteilten Massenmörder auf seine Weise geehrt: Er das vor Rassismus triefende und von unhaltbaren Verschwörungstheorien gespickte 90-seitige Manifest des Brenton T. ins Deutsche übersetzt und auf diversen Online-Plattformen hochgeladen.
“Tastatur-Krieger”
Ein “Tastatur-Krieger” sei “Mr. Bond”, sagt der Journalist Christof Mackinger, der sich seit etwa zwei Jahren auch mit dem Rapper und dessen Aktivitäten beschäftigt. “Seine Wichtigkeit ist für die immer radikalere Online-Neonazi-Szene nicht zu unterschätzen”, findet Mackinger. Der Kärntner sei sehr gut vernetzt, etwa mit gewaltbereiten Rassisten- und Neonazi-Kreisen in Skandinavien und in den USA. “Dort dürfte er mehrere Unterstützer haben, die seine Songs, nachdem sie von einigen Plattformen gelöscht worden sind, immer neu hochgeladen und verbreitet haben”, sagt Mackinger.
Für “Mr. Bond” gilt die Unschuldsvermutung.