Das Holz, so fein wie Papier

Herbert Golser verarbeitet Naturmaterialien zu Skulpturen.
Gefächert wie ein aufgeschlagenes Buch ist das Innere des Baums nach außen gewölbt, beinahe so dünn wie ein Blatt Papier sind die unzähligen Holzlamellen, und der Betrachter fragt sich unweigerlich: Wie hat er das nur gemacht? Die Rede ist von dem niederösterreichischen Künstler Herbert Golser, dessen Werke – wieder ab nächster Woche – im Bildraum Bodensee zu sehen sind. „Materialgeflüster“ ist der bezeichnende Titel dieser Schau, denn hier kommt dem Stoff, aus dem Golsers Werke gemacht sind, eine zentrale Bedeutung zu. Aus den Naturmaterialien Holz, Marmor und Metall fertigt der Künstler seine Skulpturen an. Und auch wenn er das Material drastisch bearbeitet, werden die Objekte doch den Eigentümlichkeiten der Substanz mehr als nur gerecht.

Die Spannung und die Energie, die im Holz steckt, hat Golser schon immer interessiert, wie der Bildhauer bei einem Ausstellungsrundgang vor dem Lockdown im Dezember erzählte. Der Großvater war Tischler, der Künstler selbst hatte Elektromaschinenbau gelernt, bevor er seine Karriere als Bildhauer startete. Dieses Wissen und Können kommt ihm nun zugute, so bearbeitet er das Holz üblicherweise mit eigens adaptierten Sägen, etwa einer Kreissäge oder Motorsäge. Für den Betrachter bleibt es ein Rätsel, wie der Künstler es schafft, derart feine Schichten mit einer Motorsäge herzustellen. Es ist ein Grenzgang, sagt der Bildhauer, und mit kleinen Unregelmäßigkeiten könne er leben. Diese werden vom Gegenüber aber selten bemerkt.

Golsers Arbeit mit Holz – das am meisten vertretene Material in dieser Schau – ist von einer großen Achtung gegenüber diesem geprägt. Der Stoff war einst lebendig und wuchs, er weist in seinen Schichten Eigenheiten auf, wie etwa Astlöcher oder Risse. Diese Spezifika sind in der gegenwärtigen Holzverarbeitung aber unerwünscht, meint der Bildhauer: Möglichst homogen und glatt soll die Oberfläche sein. Golser lässt das Stück meistens Stück sein, er schneidet es selten zu und verwendet hauptsächlich Fundstücke bei Spaziergängen. Doch auch Bekannte würden sich immer wieder melden, wenn sie ein interessantes Stück entdeckt hätten, erklärt der Niederösterreicher. Mit seinen speziellen Sägen schneidet er das feuchte Holz, in dem langwierigen Vorgang des Trocknens ergeben sich dann die besonderen Wölbungen der Blätter. Quadratische Raster, Kreise und ein Architekturmodell sind ebenfalls zu sehen.
Sonne und Zeit
Marmorskulpturen stehen im seeseitigen Raum: erstaunlich, wie dünn die Schicht des weißen Laaser Marmors ist – hier kam laut Golser eine computergesteuerte Seilsäge zum Zug. Im Videoraum gibt es eine Diashow zu sehen und die „Solaren Aufzeichnungen“: Durch eine Lupe brennt die Sonne Muster in das Holz, das der Künstler wochenlang im Freien platziert. Und so schreiben sich auch die Zeit und das Wetter in das Material ein.
Zur Ausstellung
Herbert Golser. „Materialgeflüster“. Bis 1. April verlängert, zu sehen im Bildraum Bodensee in Bregenz. Dienstag und Donnerstg, 13 bis 18 Uhr, Freitag und Samstag, 11 bis 16 Uhr geöffnet.