Einblicke in Neues und ein Wiedersehen

Pressetag der Bregenzer Festspiele mit erstem Einblick in “Nero”.
Die künstlerischen Teams der großen zwei Festspiel-Produktionen der Saison bereiten sich gerade intensiv auf die Premieren vor, es wird auf Hochtouren geprobt – nur beim gestrigen Pressetag wollte das Wetter nicht mitspielen. Der Regen verhinderte einen Probenbesuch am See, dafür standen Mitwirkende des Opernspektakels Rede und Antwort. Im zweiten Jahr der Seeproduktion verschiebt sich die Neugierde auch ein wenig in den Großen Saal, wo die Hausoper „Nero“ von Olivier Tambosi inszeniert wird. Er und sein Team gaben einen tiefen und spannenden Einblick in die Inszenierung.
“Überglücklich”
Die Festspielleitung nutzte den Termin zudem, um über die aktuellen Sicherheitsbestimmungen und Verkaufszahlen zu informieren. Intendantin Elisabeth Sobotka nannte es ein „Geschenk“, dass die diesjährigen Festspiele „scheinbar normal“ ablaufen werden. „Vor drei Monaten habe ich noch gedacht, wir spielen mit halber Kraft“, verriet sie. Auch der kaufmännische Leiter Michael Diem ist „überglücklich“, dass das Programm mit mehr als 80 Veranstaltungen in vollem Umfang gezeigt werden kann: „Für das sind wir gebaut“. 80 Prozent der 192.000 „Rigoletto“-Tickets sind laut Diem schon gebucht. Mit 7000 Ticketkäufen pro Woche liege man auf demselben Niveau wie vor Corona. Wer also noch eine der insgesamt 280.000 Karten erstehen möchte, sollte sich nicht zu viel Zeit lassen.

Bei der Eröffnung und der „Nero“-Premiere am 21. Juli sowie bei allen „Rigoletto“-Abenden werden bereits am Vorplatz des Festspielhauses an vier Punkten die drei Gs kontrolliert. Im Haus und an den anderen Spielorten gibt es keine Maskenpflicht für Besucher. Für die Künstler sieht dies noch anders aus: Wenn mehrere Sänger aufeinandertreffen, wird bis zu den Endproben mit Maske geprobt. Auch regelmäßige Testungen sollen vor Infektionen schützen, was bislang gelungen sei, so die Verantwortlichen. Während der Endproben sollen Künstler noch engmaschiger, alle 24 Stunden, getestet werden.
Viele Farben
Julia Jones, die neue „Rigoletto“-Dirigentin, schwärmte von der Atmosphäre am See. Sie hat ihre Arbeit in Bregenz bereits aufgenommen, am Montag folgen ihr die Wiener Symphoniker. Ihre Aufgabe sei es, diese „brilliante Partitur“ für das Publikum mithilfe des Orchesters zu übersetzen und die vielen Farben darin herauszuarbeiten. Während Verdi genügend Angaben etwa zu den Tempi hinterlassen habe, hätten die Sänger doch etwas Spielraum – jede Stimme sei eben anders, sagte Jones.
„Es ist, als wäre es hundert Jahre her oder gerade gestern gewesen“
Philipp Stölzl, “Rigoletto”-Regisseur, über die Rückkehr nach zwei Jahren
Was ändert sich? Diese Frage steht meistens im Zentrum, wenn der Regisseur des Spiels auf dem See das Stück im zweiten Jahr wiederaufnimmt. Das Gefühl sei jedenfalls dasselbe wie vor zwei Jahren, „als wäre es hundert Jahre her oder gerade gestern gewesen“, meinte Philipp Stölzl. Wieder proben und spielen zu können, sei für ihn und die Künstler wie das „Licht am Ende des Tunnels“. In der Inszenierung selbst gebe es keine „bahnbrechenden Änderungen“, man habe schließlich drei Jahre an dem Stück gearbeitet und sei damit zufrieden. Nun müssten die neuen Sänger eingearbeitet werden, was angesichts der komplexen Abläufe durch die bewegliche Bühnenmaschinerie eine Herausforderung sei.
High Heels
Das komplexe Innenleben von Nero zeigt Frank Philipp Schlössmann mit seinem aus zahlreichen Gängen und Räumen bestehenden Bühnenbild – dieses war gestern jedoch noch nicht als endgültiges Original zu sehen. Aus vier Ebenen besteht die Bühne, drei davon sind drehbar: Für die Sänger und Darsteller sei daher Konzentration gefragt, wie Rafael Rojas erklärte, der in der Rolle des titelgebenden Herrschers zu erleben ist und einmal sogar mit High Heels auf der Bühne stehen wird. Svetlana Aksenova, die die Rolle von Asteria singt, gab zu, dass die Maske bei den Proben für das Singen sehr hinderlich sei. Nichtsdestotrotz zeigten sich beide Darsteller glücklich, wieder auf der Bühne zu stehen.

In Boitos Lebenswerk – er arbeitete schließlich 56 Jahre lang an der Oper – nahm der Komponist die Figur des römischen Kaisers als Ausgangspunkt, um die brennenden Fragen seiner Zeit, des 19. Jahrhunderts, zu beleuchten, wie Regisseur Olivier Tambosi beschrieb: Religion und der Verlust des Göttlichen, die Frage nach gültigen moralischen Werten oder der Beziehung zwischen Mann und Frau seien in die Oper eingeflossen. Nero zeigt sich dabei als zwiespältige Figur, geprägt von Machtgier und Perversion, aber auch von seiner Kindlichkeit und der Gewissheit seiner schweren Schuld durch den Mord an der Mutter.
Die Inszenierung zeigt uns also diese Innenschau, in deren Labyrinth Nero seiner Schuld nicht entkommen kann. Spannend ist auch die Figur des Simon Mago (gesungen von Lucio Gallo), der mit steuerbaren schwarzen Flügeln erscheint. Eines scheint sicher, wie der musikalische Leiter Dirk Kaftan sagte: Diese Oper lässt sich in keine Schublade stecken.