Kein Flug, sondern Erdenschwere

Das Künstlerduo Valentin Hämmerle und Jan Klammer bespielt das ORF-Funkhaus mit Tafeln von Blindenschrift.
Silberfarben präsentieren sich die großen Tafeln im zentralen Rundbau von Gustaf Peichl. Die Punkte der Blindenschrift könnten aber auch von einem blinden Riesen mit riesigen Händen nicht gelesen werden. Zwar handelt es sich um die sogenannte „Brailleschrift“, die international von Blinden und stark Sehbehinderten benutzt wird, da sie Schwarzschrift nicht oder nur schwer lesen können – sie wurde 1825 von dem Franzosen Louis Braille entwickelt – aber es handelt sich um sogenannten Blindtext.
Kultur als Genussmittel
Ein Layoutprogramm oder die Präsentation einer Werbeagentur ist üblicherweise nicht mit sinnvollen Sätzen, sondern eben mit Blindtext gefüllt, der sich ständig wiederholt und keinen Sinn ergibt. Blindtext in Blindenschrift ist sozusagen die potenzierte Blindheit unserer Gesellschaft, die Kultur, sei es nun Text oder Bild, wie ein Genussmittel zu konsumieren gewohnt ist.
Klar, dass im allgemeinen Infotainment die Menschen für den Sinn erblinden. Eigentlich eine traurige Nachricht, die im Gegensatz zu der Lustigkeit der beiden Artisten steht, die im Doppelpack selbst unterhaltsam sein können. Der eine ein gebürtiger Lustenauer Valentin Hämmerle, in Wien lebend, gerade mit einer Abschlussarbeit an der Angewandten bei Professor Bernhard Kleber graduiert, der andere ein gebürtiger Bregenzer, Jan Klammer hat in Wien Architektur studiert und lebt heute in Berlin
Kunstraum DWDS
Beide haben sie den alternativen Kunstraum DWDS, was so viel bedeutet wie „Die Wiederkehr des Schaufensters“ neben einem Skatershop in Bregenz gegründet. Die Kunst und die Skaterszene haben ja eine gemeinsame anarchische Ader, die aber in beiden Fällen leider durch die Versuchungen des Kommerz völlig überwuchert ist. Die Kunst diffundiert ja heute in alle möglichen Lebensbereiche. Eine Handtasche von Louis Vuitton kann mehr Kunst sein als ein Caravaggio im kunsthistorischen Museum.
So haben die beiden jungen Künstler auch schon in kunstnahen Bereichen reüssiert. Zusammenarbeiten mit der Kultband Wanda sind allemal herzeigbar. Wenn in einem Musikvideo Marco Michael Wanda in einer Dystopie schwarze Engelsflügel trägt, dann ist das keine Metapher für den Aufschwung der Seele in den Himmel, das Emporgerissen-Werden von einer anderen Dimension, sondern betont die Erdenschwere, die Sprachenverwirrung Babylons, die das Duo Hämmerle/Klammer in seiner Arbeit im FRO (so nennt Ausstellungsmacher Marbod Fritsch den ORF) persifliert.
Wolfgang Ölz