Festspiele in „heißester Phase“

Beim gestrigen Pressetag der Bregenzer Festspiele gab es knapp zwei Wochen vor Festspielbeginn Einblicke in die Seebühnenproduktion „Madame Butterfly“ und die Hausoper „Ernani“.
Man sei derzeit in der heißesten Phase, in der alles zusammen kommt, was zusammen kommen soll, stellte Festspielintendantin Elisabeth Sobotka eingangs fest. Heute finden nämlich bei See- und Hausoper die Klavierhauptproben statt, wo bis auf das Orchester alles da ist. Die Wiener Symphoniker kommen dann nächste Woche.
Einblick in die Proben
Beim gestrigen Pressetag der Bregenzer Festspiele gab es wie üblich einen Einblick in die Proben von Seebühnenproduktion und Hausoper und ein jeweils anschließendes Gespräch mit einigen der Beteiligten. Puccinis „Butterfly“ auf der Seebühne erlebt nach dem großen Erfolg im Vorjahr heuer bekanntlich ihren zweiten Sommer. Viel ändern will Regisseur Andreas Homoki an seiner Inszenierung nicht. „Wenn ich mich vertan hätte, hätte ich es letztes Jahr gemerkt.“ Es gebe selten Situationen, in denen er mit seinen Inszenierungen nicht zufrieden sei und sich über eine zweite Chance freue, sagte er.
„Ich liebe diese Bühne“
Die Dirigentin Yi-Chen Lin stand schon im Vorjahr abwechselnd mit Enrique Mazzola bei „Madame Butterfly“ am Pult. „Ich liebe diese Bühne“, sagte sie. Obwohl das Orchester nicht mit den Sängerinnen und Sängern im selben Raum sei, gebe es aufgrund der „unglaublichen Technik“ eine starke Bindung.
Anna Princeva wird hingegen heuer erstmals die Cio-Cio-San, die „Butterfly“, singen – nicht nur in Bregenz. Es ist auch ihr Rollendebüt. „Es ist keine normale Umgebung, um mit ‚Butterfly‘ zu debütieren“, stellte sie in Hinblick auf die Seebühne fest. Sie finde das allerdings alles extrem aufregend.

„Unfassbar lang“
Mit ihren Vorbereitungen und der Annäherung an die Figur habe sie vor etwa einem Jahr begonnen, erzählt die russisch-italienische Sopranistin. Musikalische Herausforderungen bei der Rolle gebe es viele: „In jedem Akt sind Stellen, nach denen du, wenn du sie gut gemacht hast, ein paar Minuten durchatmest.“ Zudem sei die Rolle „unfassbar lang“ und erfordere dadurch maximale Konzentration.
Am schwierigsten zu singen sei für sie persönlich aber die letzte Arie (darin verabschiedet sich „Butterfly“ von ihrem kleinen Sohn, bevor sie sich umbringt, Anm.), gestand Princeva – weil sie gerade selbst ein zweieinhalbjähriges Kind habe. Ähnlich geht es da Yi-Chen Lin, Muttter eines dreijährigen Kindes: „Man muss aufpassen, dass die Emotionen nicht überschwappen“, meinte auch sie – bei der gesamten Oper, aber „vor allem bei der letzten Arie“.
Auf die Frage an den Regisseur, was er noch für einen Wunsch hätte, meinte Andreas Homoki abschließend: „Schönes Wetter – mit ab und zu Regen am Morgen zum Abkühlen.“
Premiere „Madame Butterfly“: 20. Juli, 21.15 Uhr, Seebühne. Weitere Vorstellungen: www.bregenzerfestspiele.com

„Wir wollen lieben, tanzen, aber bringen stattdessen einander um“
Mit Giuseppe Verdis „Ernani“ werden die Festspiele am 19. Juli auch künstlerisch eröffnet. Es ist ein Werk, das sich zwischen Tragik und Komik bewege, so die Regisseurin Lotte de Beer.
Mit „Ernani“ ist heuer ein Frühwerk (1844) von Giuseppe Verdi im Haus zu sehen. Die Titelfigur ist ein verstoßener Adeliger, der der Anführer einer Räuberbande ist. Er will seine Geliebte Elvira vor einer Heirat retten – ab da wird es kompliziert und blutig. Die literarische Vorlage zur Oper stammt von Victor Hugo.
Intendantin Elisabeth Sobotka begleitet das Werk schon seit ihrer Jugend, wie sie erzählte. Mit der Regisseurin Lotte de Beer habe sie eine Gleichgesinnte gefunden. „Wir beide haben dieses Stück sehr gern.“ Und Enrique Mazzola, der auch die Hausoper dirigieren wird, sei ein Spezialist für den jungen Verdi. Owohl die Geschichte wahnsinnig abstrus sei, habe sie viel mit uns zu tun, ist die Intendantin überzeugt.
Der Kern des Stücks sei, dass es vier Figuren gebe, die alle Liebe, Glück und Ehre wollen, aber sich selbst im Weg stehen, sodass nur Hass, Rache und Blutvergießen rauskommen, erläuterte die Regisseurin. „Das hat viel mit uns zu tun“, sagte auch Lotte de Beer, „wir wollen das Gute und tun dann das andere.“ Die Musik in Kombination mit dem Libretto bewege sich zwischen Komik und Tragik, so De Beer weiter und: „So ist das Leben und Verdi versteht das.“

Für Dirigent Mazzola gibt es zwar auch eine musikalische Charakterisierung der Rollen, aber Situationen und Ereignsse seien wichtiger. Und: „Es ist eine volle Belcanto-Oper.“ Der albanisch-italienische Tenor Saimir Pirgu singt die Titelpartie. Für ihn ist es eine Rolle, in der man nicht nur musikalisch viel zeigen kann, sondern auch die verschiedenen Figuren: Adeliger, Bandit und so weiter. Musikalisch beginne es mit der ersten Arie zu 100 Prozent, sagte er. „Jedes Mal, wenn er rauskommt, will er alle töten“, so Pirgu über seine Figur. Es sei „Belcanto perfetto“.
„Wir wollen lieben, tanzen, aber bringen stattdessen einander um. Im Kunstwerk gibt es die Möglichkeit, das zu reflektieren“, erklärte die Regisseurin. Am Beginn der Inszenierung stehe wie auch am Bühnenbild sichtbar ein verbrannter Planet. Dann kommen die Menschen, – „so Beckett-‚Warten auf Godot‘-Menschen“ – und fangen schnell an zu streiten und es fließt Blut“, beschreibt Lotte de Beer den Anfang der Oper. Und: „Es gibt eine unglaubliche Menge an Fake-Blut, das überall hinspritzt.“
Für Mazzola ist es indes kein Problem bei Puccini draußen und Verdi drinnen am Pult zu stehen. „Madame Butterfly“ habe man schon im Vorjahr gut erarbeitet und „Ernani“ habe er auch schon in Chiago gemacht. Zudem seien die Opern sehr unterschiedlich, was die Arbeit durchaus erleichtete.
Und Intendantin Sobotka meinte zu „Ernani“ dann noch: „Den Schluss kann ich nicht unemotional überstehen und dann bin ich traurig über die Unzulänglichkeit der Menschen.“
Premiere „Ernani“ von Giuseppe Verdi: 19. Juli, 19.30 Uhr, Festspielhaus Bregenz. Weitere Vorstellungen im Festspielhaus: 23. Juli, 11 Uhr, 31. Juli, 19.30 Uhr.

Gleichzeitiger Ab- und Aufbau
Für die aktuelle Saison habe man schon früh mit dem Kartenvorverkauf begonnen, berichtete der Kaufmännische Direktor der Festspiele, Michael Diem, wobei der beste Verkaufsmonat der Dezember sei. Derzeit sei man bei einer Auslastung von 85 Prozent, informierte er.
Seit heuer gibt es ja auch eine neue Tribüne mit genau 6659 Sitzen – 200 weniger als zuvor. Dies sei zugunsten der Barrierefreiheit erfolgt, erklärte Diem. Unter anderem gebe es nun mehr Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer. Fertig gebaut ist damit aber noch nicht. Das neue Mehrzweckgebäude soll im Herbst in Betrieb genommen werden und ab Herbst wird auch der Betonkern der Seebühne erneuert.
Dabei werde gleichzeitig das Bühnenbild der „Madame Butterfly“ abgebaut und das des „Freischütz“, der bekanntlich ab kommendem Jahr zwei Sommer lang auf der Seebühne gespielt wird, aufgebaut. Das wird ein „Husarenritt“, hieß es. So würden sechs Stunden nach der Dernière, also der letzten Vorstellung, auf der Seebühne die Bagger auffahren.