Kontraste von Michael Armitage

Heute Abend eröffnet das Kunsthaus Bregenz die Sommerausstellung mit Gemälden von Michael Armitage.
Komplementäre Kontraste, leuchtende Umrisse und traumwandlerische Landschaften hat Michael Armitage geschaffen, um die Figuren, Tiere und Rituale auf großformatigen Gemälden lebendig werden zu lassen.
Jedes seiner Bilder hat eine spezifische Geschichte, beruht auf Ereignissen oder Erfahrungen aus Armitages Heimatland Kenia. Seine fiktiven Werke sind von ostafrikanischen wie europäischen Maltraditionen geprägt. Durch die geschwungenen, teils schemenhaften Motive, Überlagerungen und den intensiven Lichtstimmungen wirken sie magisch und surreal, doch tatsächlich behandeln sie politische und soziale Verhältnisse, die der Künstler quasi als „Historienbilder der Gegenwart“, wie Kunsthaus-Direktor Thomas D. Trummer formulierte, ästhetisch festgehalten hat.

Politik und Rituale
Eine um einen Baum versammelte Menschenmenge vor der Skyline von Nairobi erzähle von der politischen Kundgebung im September 2017. In seinen Werken reflektiert der Künstler oft gewisse Aspekte menschlicher Erfahrungen. Manche Bilder beziehen sich auf bestimmte Situationen, andere zeigen Themen wie Verunsicherung und Machtverhältnisse auf und porträtieren das Verhältnis von Politikern und dem Volk. Zudem beobachtet der Künstler auch traditionelle und religiöse Rituale, Tiere, Pflanzen, aber vor allem Menschen.
Neben politischen lässt sich Armitage auch von sozialen und gesellschaftlichen Ereignissen zu seinen Gemälden inspirieren. Nicht selten haben diese beunruhigende und verstörende Hintergründe, wie auch sein Gemälde „Conjestina“, das sich auf die Weltklasse-Boxerin Conjestina bezieht, die während einer Episode ihrer psychischen Probleme gefilmt und in den Nachrichten gezeigt wurde. „Für mich war das unglaublich verstörend, weil sie als eine Art von Unterhaltung benutzt wurde“, beschreibt Armitage. In anderen Werken setzt er sich mit der Geringschätzung gegenüber kenianischen Teepflückern oder an Klebstoff schnüffelnden Straßenkindern auseinander.

Unüblich aber wert
Eine Ausstellung von Gemälden sei für das Kunsthaus nicht üblich, aber es trotzdem wert, so der KUB-Direktor über „Pathos and the Twilight of the Idle“ bei der gestrigen Pressekonferenz. Auf drei Stockwerken verteilen sich 15 Skizzen und 17 farbenprächtige Ölgemälde des gefragten Malers. „Diese Bilder werden für mich jeden Tag besser“, sagt Trummer und stellt Armitage in die Reihen der großen Maler: Michael beschäftige sich nicht nur in der Kunstgeschichte mit Goya, mit Gauguin, Manet oder Tizian, „ich glaube, er erreicht auch in fast allen Bildern das Qualitätsniveau dieser alten Meister“. Die Schau ist laut KUB die erste umfassende Präsentation des 1984 in Nairobi geborenen Künstlers in Österreich.

Vernähtes Rindentuch
Für seine Bilder verwendet der Künstler keine Leinwände. Da die Gegenstände seiner Malerei in Ostafrika lokalisiert sind, sei es ihm wichtig gewesen, dass die Grundlage seiner Werke mit der Region in Verbindung stehen solle. „Es dauerte zwei bis drei Jahre, bis ich auf das Material gestoßen bin“, erzählt Armitage. Der aus der Rinde des ugandischen Feigenbaums hergestellte Stoff namens „Lubugo“ – der ursprünglich als Leichentuch benutzt und mittlerweile auch in Touristenshops verkauft wird – erwies sich schließlich auch aufgrund seiner idealen Funktionalität als guter Leinwand-Ersatz. Dennoch hat die Oberfläche des Materials viele Unebenheiten und Löcher, was die Sichtweise des Künstlers auf die Malerei auch verändert habe, beschreibt Armitage. Die Nähte und Löcher sind in den Gemälden deutlich sichtbar und wurden teilweise auch Teil der Bildkomposition.
Michael Armitage, Pathos and the Twilight of the Idle: Bis 29. Oktober im Kunsthaus Bregenz.