Kultur

Über große Distanzen berührend

21.07.2023 • 18:26 Uhr
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Die Wiederaufnahme von „Madame Butterfly“. Beate Rhomberg (4)

Ohne störenden Regen und Gewitter glückte am Donnerstag die Premiere der Wiederaufnahme von Puccinis Madame Butterfly auf der Seebühne.

Die Magie im Zusammenspiel von Musik, Geschichte, Stimmen, Orchesterglanz, Bühnenbild, Kostümen, Choreografie und Lichtstimmungen kommt auch im zweiten Jahr von Puccinis „Madame Butterfly“ bestens zur Wirkung. Am Premierenabend hätte man mitunter eine Stecknadel fallen gehört, so intensiv wurde das Publikum in das Geschehen hineingezogen. Keine Gewitterstimmung lenkte am Himmel ab, stattdessen berührten Barno Ismatullaeva in der Titelpartie, ihr Opernkind Riku Seewald und Annalisa Stroppa als ihre fürsorgliche Dienerin Suzuki auch über große Distanzen hinweg.

Malerische Farben

Es ist ein Fest der glühend emotionalen Musik, der Farben und der Lichtstimmungen: Die warmen orange-rostroten Farben der Geishas, die olivgrünen der zahlreichen Verwandtschaft und die weißen Gewänder der Ahnengeister, die mit der trotz Tonnenschwere schwebenden Bühne verschmelzen, zeichnen in den wunderbaren Kostümen von Antony McDonald die wahrscheinlich schon zu Puccinis Zeiten stilisierte japanische Welt nach. Sie dominieren in malerischen Prozessionen von oben herunter, bilden eine rote Wand von Schirmen, aus deren Mitte Cio-Cio-San hervortritt. Sie bedrohen auch die ehemalige Geisha, die doch so gerne eine amerikanische Dame sein will und die Stars-and-Stripes-Flagge wie einen Schutzmantel umlegt. Faszinierend, wie die Geister der Ahnen im letzten Akt eins werden mit ihrer Umgebung! Die knalligen Farben der „Amerikaner“ (Gelb, Blau, Pink) sprechen auch in der Farbsymbolik der Kostüme eine andere Sprache. Hinzu kommen die Künste des Lichtdesigners Franck Evin, der das zerknüllte Papier und die feine Zeichnung darauf in allen Farbtönen schillern lässt, während die Videos von Luke Halls den zornigen Onkel Bonzo aus der Wand hervorwachsen lassen oder einen duftigen Schleier von Kirschblüten über die gewellte Bühnenskulptur von Michael Levine breiten.
Die Inszenieru

Starke Präsenz

Die Inszenierung von Andreas Homoki überzeugt gerade durch ihre Konzentration, ihren Fokus auf Cio-Cio-San und das fatale Aufeinandertreffen von östlicher und westlicher Weltsicht. Und durch ihren Wechsel von großer Gruppendynamik der Tänzerinnen und Tänzer zu intimen Dialogen, Blickwechseln oder im zweiten und dritten Akt die Einbeziehung des Kindes.

Besonders die beiden Frauen entwickeln eine Ausstrahlung, die über die ganze Bühnenbreite trägt: Annalisa Stroppa hat die Trippelschritte und die demütige Haltung der Suzuki verinnerlicht, auch das Mitleiden mit der vergeblich wartenden Cio-Cio-San. Barno Ismatullaeva verkörpert das 15-jährige zerbrechliche Mädchen, das in der Heirat mit dem Amerikaner seine Rettung sieht, mit zierlicher Anmut und Würde – umso stärker wirken ihr unbeirrter Glaube an die Rückkehr Pinkertons, ihre Bühnenpräsenz, wenn sie eine Nacht lang auf dessen Erscheinen wartet.

Der Abschied von ihrem Kind ist ebenso herzzerreißend wie der Selbstmord am Bühnenrand. Pinkerton und den Konsul Sharpless verbindet die amerikanische Herkunft, doch empfindet Sharpless mehr Verständnis und Empathie für die japanischen Traditionen, die für den amerikanischen Bräutigam nur ein exotisches Spiel sind. Auch diese feinen Beziehungen zeichnet Homoki mit erfahrener Hand nach. Auch wenn die Inszenierung nicht oder kaum merkbar verändert ist, so hat sie sich im zweiten Jahr doch gesetzt und verdichtet.

Mächtige Stimmen

Auch stimmlich zieht Barno Ismatullaeva alle Register vom kindlich hellen Klang zur warmen Innerlichkeit und tragischer Verzweiflung: Sie vermittelt Verletzlichkeit und Glut in allen Lagen, jubelt im Liebesduett und stammelt mit rauer Stimme angesichts der fremden Amerikanerin. Annalisa Stroppas Alt tönt warm und mitfühlend. Neu in der Premierenbesetzung, doch schon aus dem ersten Jahr vertraut, sind der georgische Tenor Otar Jorjikia als etwas nüchterner Pinkerton und der kanadische Bariton Brett Polegato als eindringlich mahnender Sharpless. Omer Kobiljak hat seinen starken Auftritt als Fürst Yamadori, der rund um die Bühne über das Wasser getragen wird.

Einen Tag nach der „Ernani“-Premiere gestaltet Enrique Mazzola mit den Wiener Symphonikern auch die so anders auftretende Partitur Puccinis: Bald opulent und mit breitem Pinselstrich, bald fein transparent und beweglich oder archaisch dröhnend in den „japanischen“ Teilen zeichnet er sehr organisch das Auf und Ab der Emotionen nach. Die berühmte Bregenzer Tontechnik lässt Orchester und Stimmen manchmal mächtig auftrumpfen, ebenso finden sie zu zauberisch intimen Szenen. Der „Schmetterling“ darf in den nächsten Wochen wieder seine Flügel ausbreiten, um mit dem letzten Video im Feuer zu verglühen. Das Premierenpublikum war begeistert und berührt von dieser so stimmigen Produktion.

Termine und Restkarten unter
bregenzerfestspiele.com/de/programm/madame-butterfly

Von Katharina von Glasenapp