Stickstoff: Tanztheater erweckt Textilindustrie zum Leben

Ab heute ist im Alten Hallenbad Feldkirch ein Tanztheaterprojekt zur Vorarlberger Textilgeschichte zu erleben.
Mit Körper und Tanz widmet sich das Walktanztheater den Textilien im weitesten Sinne und auf verschiedenen Ebenen. Dafür wird das Alte Hallenbad in eine Industriehalle verwandelt und mit original alten Nähmaschinen aus Textilfabriken ausgestattet. Im neuen Stück „Stickstoff“ nähern sich der Tänzer Aly Khamees und die Schauspieler Maria Fliri, Helga Pedross und Peter Bocek der Vorarlberger Textilindustrie in Form von Erinnerungen. „Das Interessante daran ist, dass eben auch die Schauspielerinnen und Schauspieler tanzen und wir aber auch einen professionellen Tänzer haben“, beschreibt Maria Fliri die Zusammenarbeit im Stück, das von Brigitte Walk inszeniert wird.

Probenprozess
„Wir haben uns die ersten paar Wochen sehr mit Körper und Tanz beschäftigt und an Choreografien gearbeitet. In der zweiten Hälfte des Probenprozesses sind wir dann auf die Texte eingegangen“, sagt Maria Fliri im Gespräch mit der NEUE. „Wir hatten einen riesigen Materialberg, den wir dann versucht haben, zu konzentrieren und chronologisch zu ordnen.“ Im Stück passiere dann beides gleichzeitig nebeneinander. Während die Schauspielerinnen ihre Szene spielen, würde der Tänzer die Stimmung nochmal verstärken. „Aber es gibt eben auch Tanznummern, wo es eben rein assoziativ ist“, beschreibt Fliri. Neben den Darstellern gibt es drei Statisten und auch das Publikum, das seine Rolle erfüllen soll. Denn in die Inszenierung integriert ist ein Museumsformat, weshalb sich die Zuschauer in den ersten 20 Minuten komplett frei im Raum bewegen können. „Es ist wie eine Ausstellung. Es gibt Hörstationen, Videostationen mit Kurzfilmen, Schauspielerinnen erzählen Geschichten, es gibt Bildmaterial an den Wänden.“ Nach dieser Einfindungsphase fängt das Stück an, erzählt vom Baumwollhandel nach Europa, vom Sklavenhandel, der Textilindustrie in Vorarlberg und von den Handelsbeziehungen zwischen Lustenau und Nigeria, beschreibt Fliri.
Texte aus Interviews
Die Kinder der Stickerinnen und Sticker in Lustenau erzählen, wie wenig sie eigentlich von ihren Eltern hatten. Vorarbeiter schildern ihre Perspektive, und unter anderem kommen auch die in den 1970er-Jahren eingewanderten türkischen Arbeiterinnen und Arbeiter zu Wort. „Wir Schauspielerinnen und Schauspieler spielen geschätzt fünf bis sieben verschiedene Figuren“, so Fliri.
Obwohl das Tanztheaterstück zwar einer geschichtliche Chronologie folge, sei es oft assoziativ und springe zwischen den Figuren hin und her. Inhaltlich werden geschichtliche Informationen präsentiert, die zum Teil aus Interviews gewonnen wurden. Originaltexte gäbe es unter anderem auch von einer Frau, die für den Handelsaustausch von Lustenau und Nigeria nach Lagos in Afrika gereist war. Insgesamt werden 200 Jahre der Geschichte der Textilindustrie aufbereitet, aber auch Bezüge zur Gegenwart und der heutige Umgang mit Kleidung verhandelt. Nachwirkend gibt es die Möglichkeit, nach der Vorstellung in der Ausstellung weiterzulesen.