Erforschung von Klang und Raum

Thomas Trummer und Martina Feuerstein stellten gestern das Kunsthaus-Ausstellungsprogramm für 2024 vor.
Vier Ausstellungen und die Uraufführung einer Oper (im Rahmen des Opernateliers der Bregenzer Festspiele) hat das Kunsthaus Bregenz (KuB) für das Jahr 2024 geplant. „Das Haus ändert sich alle drei, vier Monate und wird vollkommen ausgetauscht“, sagt Trummer bei der gestrigen Programmpräsentation und spricht von einer „unglaublichen Vielfalt“. Für das Opernatelier, das gemeinsam mit Regisseur und Librettisten David Pountney und der Komponistin Éna Brennan in einem dreijährigen Prozess realisiert wird, hat das Kunsthaus den bildenden Künstler Hugo Canoilas beigesteuert, der die künstlerische Gestaltung der Bühne übernimmt. Im Mittelpunkt der Uraufführung am 15. August steht ein Oktopus. Davor veranstaltet das Kunsthaus zwei Einblicke: Einen „Einblick Spezial“ im Februar im Rahmen der Kunstmesse „Stage“ und einen weiteren im Mai im Kunsthaus Bregenz.
Wiener Aktionist
Mit Günter Brus zeigt das Kunsthaus erstmals das Œuvre eines Wiener Aktionisten. Fasziniert blickt Trummer zurück auf Brus Kunstaktion 1965, in der er „in weiß getüncht“ am Heldenplatz aus dem Auto steigt und „wie ein gipsener Untoter, ein Zombie, durch die Stadt geht – zu der Zeit war das skandalös“. Mit einer schwarzen Nahtwunde über den Schädel, die ihn in der Mitte teilt, werde Brus damit zu einer „anonymen Maske“, die auch zum heute empfundenen Phänomen der gesellschaftlichen Spaltung passe, meint Trummer. Anstatt einer Retrospektive möchte der Kunsthaus-Direktor den Raum des Hauses nutzen, um die informellen Malereien von Günter Brus sowie die fotografischen Aufzeichnungen seiner Aktionen und Performances szenisch wirken zu lassen. Darunter finden sich auch aktuelle während der Pandemiezeit entstandene Arbeiten, die noch nie breit gezeigt wurden. Der KuB-Direktor verstehe das Kunsthaus „fast so wie einen Resonanzraum für verschiedenste künstlerische Wellenlängen“. Für die Sommerausstellung konnte das KuB die deutsche Performance- und Medienkünstlerin Anne Imhof gewinnen. „Es war ein längerer Prozess, sie zu kriegen, sie ist ein Superstar“, beschreibt Feuerstein. Brus’ „Weltschaudern“ finde man auch bei Imhof, jedoch nicht gegen den Körper gerichtet, sondern in den Raum übersetzt, erklärt Trummer und erzählt vom langjährigen Kontakt, den das Kunsthaus mit der Künstlerin pflegt. In der ab 8. Juni eröffnenden Ausstellung konzentriert sich Imhof auf Malerei und Skulptur und wird im Kunsthaus zwei Zonen errichten, die aus der Idee der Spaltung hervorgehen.

Primäre des Klangs
Der nächste Künstler war bereits in den Jahren 2017 und 2018 als Musiker in Bregenz und wird im nächsten Herbst im KuB den Klang erforschen. Tarek Atoui interessiere sich dabei für das „Primäre des Klangs“, die Sound- und Instrumentenforschung, beschreibt Trummer. Inspiriert von unterschiedlichen Kulturen baut er seine eigenen Instrumente und versucht, in seinen Ausstellungen die körperliche Wahrnehmung der Klänge im Raum erfahrbar zu machen. Die Winterausstellung gestaltet die in New York lebende Künstlerin Precious Okoyomon. 2022 nahm Okoyomon an der 59. Biennale di Venezia teil, wo die Pflanze Kudzu im Fokus ihrer Installation stand. In den 70er-Jahren wurde diese invasive japanische Pflanze absichtlich im Süden der USA angesiedelt, um die dort vom Baumwollanbau erodierten Böden wieder zu stärken, mit dem Effekt, dass die Pflanze alles überwucherte. Für Okoyomon wird Kudzu zu einer Metapher für die Verschränkung von Sklaverei, Zuschreibungen von „Race“, Diaspora und Natur. Im Kunsthaus zeigt Okoyomon von ihrem Lyrikband inspirierte skulpturale Interventionen als Versuch, sich der strukturellen Gewalt mit Humor und Lebensfreude zu widersetzen.
Rekorde
Beim Rückblick sprechen Thomas Trummer und Matina Feuerstein von einem „fantastischen“ Jahr, das mit der derzeitigen Ausstellung von Solange Pessoa ins neue Jahr übergeht. Nachdem Anna Boghiguians „Period of Change“ aufgrund des großen Erfolgs verlängert wurde, wurden im KuB die Lichter getauscht, um 50 Prozent der Stromkosten einzusparen. Es folgten die Ausstellungen von Valie Export, Monira Al Qadiri und Anna Jermolaewa. Besonders beliebt war Michael Armitage, der mit seinen großformatigen Gemälden über 26.000 Menschen ins Kunsthaus lockte und damit auch zum „tollen Rekord“ von 60.000 Gesamtbesuchern – die bis zum Ende des Jahres erwartet werden – beitrug. Auch mit dem Vermittlungsprogramm konnte ein vorpandemisches Niveau erreicht werden. Trummer freut sich ebenfalls über die täglichen 1000 Klicks auf Youtube über die weite „Strahlkraft“ des Kunsthauses.