Kultur

An der Schnittstelle zum Kitsch

08.02.2024 • 23:00 Uhr
Die Ausstellung „Soil Oil Soul“ ist die vierte Sequenz von Tsaos Videoserie „The Land of Promise“. <span class="copyright">Miriam Jaeneke</span>
Die Ausstellung „Soil Oil Soul“ ist die vierte Sequenz von Tsaos Videoserie „The Land of Promise“. Miriam Jaeneke

Im Kunstraum Remise in Bludenz ist noch bis 25. Februar die Ausstellung „Soil Oil Soul“ der Künstlerin Chin Tsao zu sehen. Bei ihr treffen sich Ost und West zum humorvollen Dialog.

Der Verein „allerART“, der in der Remise in Bludenz beheimatet ist, ist auch ein „allerORT“ für Kultur. 22 Programmkinofilme werden hier jährlich gezeigt, es gibt einen literarischen Salon und regelmäßige politische Debatten. Der Kulturraum Remise möchte nicht bequem sein, sondern fordert Besucherinnen und Besucher auf, sich auf den Ort einzulassen – so, wie sich umgekehrt auch die Künstlerin Chin Tsao auf die Remise eingelassen hat. Die Arbeiten, die sie dort bis Ende Februar zeigt, hat sie extra dafür angefertigt.

Skulpturen und Videos

Die 1989 in Taiwan geborene und dort aufgewachsene Künstlerin beschäftigt sich mit den Bereichen Keramik, Video, Musik und Performance. Was zuallererst auffällt im Kunstraum: Alles ist am Boden installiert, keine einzige Arbeit hängt an der Wand. Die Augenhöhe muss also zunächst rein körperlich gesucht werden. Lila-giftgrüne Epoxidharzverschnörkelungen lehnen vom Boden aus an den Wänden.

Werke von Chin Tsao <span class="copyright">Miriam Jaeneke</span>
Werke von Chin Tsao Miriam Jaeneke

Vier Bildschirme mit Videoarbeiten stehen auf dem Boden und können mit den Wandhalterungen gekippt werden. Was das Feedback betrifft, seien Besucherinnen und Besucher begeistert, so die Remise: Diese Art Kunst sei mal was anderes. In zwei mit neon-, dunkelgrünem oder rosa Lack gefärbtem Gebilde hat Tsao Nebelmaschinen eingebaut, die leise fauchend feinste Wassertropfen in den Raum schicken und für das nötige klamm-nasse Klima sorgen. Denn in einem gekonnten Spiel mit Kitsch und einer Replik auf die Natur, erinnert die erste der hüft- und kniehohen Skulpturen doch an eine Tropfsteinhöhle.

„Chin Tsao beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Themen wie dem queeren Körper, Ängsten und der Entfremdung, die die Menschen in einer technologisch fortschrittlichen Zeit erleben. Die Arbeiten sind meist von einem Gefühl des Chaos’ und Kitschs geprägt“, erklärt die Kuratorin Luka Jana Berchtold. Die Bildgestaltung der vier Videoinstallationen greift die giftgrün-lilafarbenen Skulpturen und Epoxidharzschleifen farblich auf. Eine männliche und eine weibliche Stimme werden ineinander gezogen, Farbbänder verflechten sich, reißen ab und prallen aufeinander.

Humor und Kitsch

„In ihren Arbeiten wird immer auch ihr Humor sichtbar“, bemerkt Berchtold, auch der Kitsch ist ein augenzwinkerndes Zitat. „Wir haben viel über den Skulpturenbegriff in der westlichen und der fernöstlichen Kultur gesprochen und darüber, wie das Wasser europäischer Springbrunnen meist aus Körperöffnungen figurativer Darstellungen strömt, während in östlichen Skulpturen mehr landschaftliche Darstellungen und organische Formen zum Tragen kommen.

Der Chinese Garden sowie kitschige Miniaturdarstellungen davon waren Inspirationsquellen für diese Ausstellung.“ Rings um einen der „Springbrunnen“ gruppieren sich lila-grüne Flächen mit Ausstanzungen, vielleicht sind es eher Labyrinthe, nicht ganz flach, sondern sanft gewölbt. Im ganzen Raum lehnen sie lässig an der Wand, umringen die Bildschirme, sind Teil der Kunstwerke, vielleicht auch Kommentare. Sie holen das Videobildhafte ins Dreidimensionale, das Digitale ins Analoge. Es plätschert leise, aus den Wasserschüsseln der Skulpturen blinken die Nebelmaschinen. Ein bewusst sichtbargemachter Mechanismus.

Soil Oil Soul

In dem zweiten Video geht Tsao einen Schritt weiter und hinterlegt das wiederum bewegt verzerrte Bild mit elektronischer Musik. Die Ausstellung „Soil Oil Soul“ ist die vierte Sequenz von Tsaos Videoserie „The Land of Promise“. „Sie collagiert Bilder, die mittels Artificial Intelligence (Künstlicher Intelligenz, KI) produziert wurden – mit gefundenem, digitalem Bildmaterial. Zum Beispiel zeigt sie KI-generierte, asiatische Berge.

Videoarbeiten von Chin Tsao <span class="copyright">Miriam Jaeneke</span>
Videoarbeiten von Chin Tsao Miriam Jaeneke

Es sind Bilder von nicht­existierenden Bergen, die Produkte eines Algorithmus, der von Klischees genährt wird. Chin Tsao bewegt sich an der Schnittstelle von westlicher und östlicher Kultur“, erläutert Berchtold. Eine Dialogschnittstelle, das ist Chin Tsaos Ausstellung im Kunstraum Remise sicherlich.

„Soil Oil Soul“, Chin Tsao; bis 25. Februar, Kunstraum Remise, Bludenz. Geöffnet von Mittwoch bis Samstag und an Sonn- und Feiertagen, von 15 bis 18 Uhr.