Ein schwarzes Loch im Leitmedium

Gerold Tagwerker experimentiert mit seiner Licht- und Spiegelinstallation in der Kunsthalle FRO in Dornbirn.
von Daniel Furxer
Im runden Eingangsbereich des ORF-Foyers hat Gerold Tagwerker einen kreisförmigen, schwarzen Spiegel horizontal an einer Stahlkette aufgehängt. Bodennah schwebt er im „Raumschiff“ ORF, oder besser gesagt inmitten der „Peichl-Torte“ (umgangssprachlich werden so die baugleichen ORF-Landesstudios, geplant von Architekt Gustav Peichl, genannt). Drei nackte, flackernde Glühbirnen hängen an der Kette. Sie geben dem Kunstwerk eine Lebendigkeit, die verstört und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Der Spiegel tut dies sowieso. Ist er doch seit jeher eine Metapher für Reflexion und Selbsterkenntnis.

Material oder Metapher
„Ich habe bewusst einen dunklen Spiegel gewählt, ein silberner Spiegel erschien mir zu laut, umgeben von so vielen Silberrohren“, betont der 1965 in Feldkirch geborene Künstler Gerold Tagwerker. Seit über 20 Jahren fließt das Medium Spiegel als Material oder als Metapher in seine Kunst ein. „So nahe am Boden entsteht durch den Spiegel die Illusion eines Brunnens, in den man hinabblicken kann. Man erkennt auf dem Grund sowohl die Architektur des Gebäudes als auch sich selbst.“
Bewegt man sich im Raum, sieht man verschiedene Ansichten, den Himmel oder die noch monumentaler erscheinende Architektur – eine Illusion, wie sich herausstellt. Das Material des Spiegels vergrößert den Raum.

Der Spiegel schmiegt sich sehr gut in den Innenraum, in ein Gebäude, das an sich schon Kunst ist. Im 1972 eröffneten Funkhaus wirken die silbernen Rohre, Stiegen und Decken futuristisch, damals wie heute. Weit entfernt von einem reinen Zweckbau, steht das Landesstudio als architektonischer Prunkbau da. Traditionell gehängte bildende Kunst habe es da von vornherein sehr schwer. So sieht es jedenfalls Kurator Marbod Fritsch. Er wählt für die Kunsthalle FRO seit Oktober 2022 drei Mal jährlich Objekte von zeitgenössischen, Vorarlberger Künstlerinnen und Künstlern aus. Sein Zugang ist es, ungewöhnliche, speziell für den Ort konzipierte Kunst zu zeigen. „Ich selbst war als Jugendlicher fasziniert von diesem Bauwerk, und wähnte mich wie auf dem Raumschiff Enterprise“, erinnert sich Fritsch. „Es ist eine Faszination, die bis heute anhält und mich motiviert, Kunst für diesen Ort zu suchen.“
Speichermedium.
Ein weiterer Aspekt wird schon vom Titel „mirror.disc_after(the party)“ verraten und vom Künstler Gerold Tagwerker noch weiter präzisiert: „Das Runde erinnert, zumindest unsere Generation, an die CD, ein klassisches Speichermedium. Der ORF selbst steht für mich für die Speicherung und Wiedergabe von Information.“
Was der Zusatz „after(the party)“ bedeuten könnte, sei dem Betrachter des Kunstwerks selbst überlassen. Es könnte auf den rauschhaften Zustand nach der Party hindeuten, oder auch auf das Gefühl der Nüchternheit. Bei längerem Betrachten wird einem tatsächlich schwindlig und man wendet sich wieder den alltäglichen Objekten zu. Zum Beispiel dem eigenen Badezimmerspiegel.
Bis 26. Mai: Gerold Tagwerker, mirror.disc_after(the party), Kunsthalle FRO, Dornbirn. Geöffnet von 17 bis 19 Uhr, Eintritt frei.