Kultur

Die Suche nach der Wahrheit in Bildern

04.03.2024 • 20:05 Uhr
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Anja Köhler

Mit „Stromberger oder Bilder von allem“ von Gerhild Steinbuch wurde am Samstag in Bregenz ein Stück über die Vorarlberger Erinnerungskultur uraufgeführt.

Vier übergroße Köpfe im Schlafanzug mit geschlossenen Augen und verzerrten Stimmen ziehen an den Fäden der österreichischen Geschichte. Das Stück über die Krankenschwester Maria Stromberger beginnt mit vier Kindern aus den 90ern, die sich durch das mehrschichtige aus Schnüren und drehbaren Türen bestehende Bühnenbild bewegen, das manchmal durchlässig scheint und sich dann wieder zur festen Wand zusammenfügt, während sie die vielen Aspekte der Erinnerungskultur zur Sprache bringen

Daten und Fakten

Wie jede Generation, die die Vergangenheit wieder neu erzählt, sind die vier Figuren der Autorin Gerhild Steinbuch geprägt von den politischen Skandalen aus der jüngeren Zeit, in der man noch nicht gedacht hätte, „dass es noch schlimmer kommen könnte“. Mit ihren Gesichtern in der Kamera berichten sie von geschichtlichen Fakten, und den politischen Missständen, um später vor allem eine Figur aus der Vergangenheit vor den Vorhang zu holen: Die Krankenschwester Maria Stromberger.

Die Schauspielerinnen Vivienne Causemann, Isabella Campestrini, Rahel Jankowski und Luca Hass in der Inszenierung. <span class="copyright">Anja Köhler</span>
Die Schauspielerinnen Vivienne Causemann, Isabella Campestrini, Rahel Jankowski und Luca Hass in der Inszenierung. Anja Köhler

In dem Stück, das am Samstag im Vorarlberger Landestheater uraufgeführt wurde, erzählt die Autorin nicht nur von einer Frau, deren bedeutende Biografie lange Zeit in Vergessenheit geriet, sondern beschäftigt sich intensiv mit der (unvollständigen) Erinnerungskultur im Nachkriegsösterreich, „wo sich keiner für Geschichte interessiert“. Dabei zeichnet sie eine Chronik über das rechtsextreme Geschehen, während immer wieder die Frage nach der Vergangenheitsbewältigung aufkommt.

In dieser vorherrschenden Unwissenheit muss die Protagonistin erstmal gefunden werden. Denn als Maria Stromberger 1957 in Bregenz starb, war sie in Vorarlberg weitgehend unbekannt und erst viele Jahre später, nachdem der kommunistische Widerstandskämpfer und KZ-Überlebende Hermann Langbein auf ihre Mitwirkung im Widerstand und ihren lebensgefährlichen Einsatz aufmerksam machte, wurde ihre Geschichte erzählt. Als ein „Engel in der Hölle von Auschwitz“ wird sie später vom Historiker Harald Walser portraitiert, der über die Krankenschwester, die sich 1942 freiwillig nach Auschwitz versetzten ließ, um den Häftlingen zu helfen, ein Buch verfasste.

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Mehr als eine Geschichte

In der Inszenierung von Bérénice Hebenstreit wird mit projizierten Fotos und Briefen, das Leben von Stromberger (und anderen) in Erinnerung gerufen, ohne dass dabei versucht wird, die genaue Geschichte zu erzählen. Stattdessen nähern sich die vier Protagonistinnen den Möglichkeiten der Rekonstruktion, darüber „was wirklich passiert“ sei. „Was sagen die Bilder?“ in dieser Suche nach der Wahrheit geraten sie in einen Streit über die richtigen Methoden zwischen Fakten und Fiktion und der korrekten Aufarbeitung des Gewesenen. Das Stück gräbt die Unwissenheit heraus und zeigt ein Portrait, das nicht erzählt werden kann, weil „es mehr als eine Geschichte gibt“.

Maria Stromberger selbst will dazu nichts dazu sagen und auch die Engelsflügel will sie nicht haben. In dieser Zerlegung einer „Heldin“ kommen die Erwartungen zum Vorschein, die an die „Erinnerten“ gestellt werden. Erwartungen, die Stromberger in ihrer Zurückgezogenheit nicht zu erfüllen schien. Stattdessen findet sie sich „mitten unter „Nazis, SS, Gestapo“ wieder, als sie 1946 wegen des Verdachts der Beteiligung an den Verbrechen in Auschwitz interniert wird. Ehemalige polnische Häftlinge aus Auschwitz erreichten ihre Freilassung. Im Stück wird Stromberger auch den Tätern gegenübergestellt – etwa dem Industriellen Rudolf Hämmerle und sagt als Zeugin im Prozess gegen Rudolf Höß (1947) aus.

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In „Stromberger oder Bilder von allem“ ist es auf kompakte Weise gelungen, regionale Erinnerungsgeschichte mit einem zeitgemäßem Zugang zu verbinden. Auch wenn sich das Publikum anfangs erst in den textlastigen Szenen zurechtfinden musste, hat Hebenstreit dieses komplexe Stück und die verschiedenen zeitlichen Bezüge am Ende gut durchdacht zusammengeführt.

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