Sehnsuchtsorte in Bild und Display

Junge Kunstschaffende präsentieren im Künstlerhaus ihre von Tiktok-Videos inspirierten Werke. Außerdem zeigen Jeannette Frei und Claudia Keel ihre Bilder im Dialog.
Aus dem viralen Tiktok-Trend „Are you happy to be in Paris?“, bei dem Nutzer zu diesem Audio, das erstmals im August 2020 online auftauchte, einen kurzen Videoclip von ihrem Paris-Urlaub posten, haben Juan Blanco, Mateusz Dworcyk, Ramona Kortyka, Jennifer Merlyn Scherler vom Kollektiv „memeclassworldwide“ eine Ausstellung gemacht.Die Arbeiten dafür haben sie zusammen mit anderen jungen Kunstschaffenden im Rahmen eines Seminars für das Künstlerhaus entwickelt, wobei sie die Veränderung des Reiseverhaltens sowie die Wahrnehmung des Tourismus im heutigen digitalen Zeitalter thematisch in den Fokus setzten. In zwölf Einzelpositionen nehmen die Studierenden von ihrem persönlichen Reiseverhalten aus Bezug zu Phänomenen wie Massentourismus, Klimakrise oder virtuellen Tourismus.

Audios und Videos
Schon am Weg runter in den Keller des Künstlerhauses bereitet Géraldine Honauer mit QR-Codes, einem Aroma-Diffuser und einer Cavendish-Banana als Augmented-Reality den Einstieg in die Medienwelt. Auch die restliche Ausstellung setzt sich zusammen aus Audiowerken, Installationen und Videos, die beispielsweise in der Arbeit von Ramona Kortyka über drei Smartphones gleichzeitig laufen, die in Kopfhöhe im Dreieck von der Decke hängen und den passenden Kontext zu den Stofffischen am Boden liefern. Im üblichen 16:9 (Instagram)-Hochformat hängen die Bilder (wie bei Letizia Aurora Calasso) als Inszenierung der akribischen Reisedokumentation auch an den Wänden. Jennifer Merlyn Scherler nähert sich sozialen Differenzen anhand des Weltraumtourismus. Fernanda Braun zeigt in einer Videospiel-Optik fragile und weltweit einzigartige Ökosysteme. Ebenfalls im Stil eines Videospiels sind die Szenen in „Temptation Island“ von Moritz Piehl, in denen er online gefundenes Material als Möglichkeitsraum für Sensation und Eskapismus präsentiert. Mit Sehnsuchtsorten beschäftigt sich auch Malin Dorn in einer fiktiven Landkarte aus realen Inseln. Auf drei unterschiedlich hoch platziert liegenden Bildschirmen können Besucher auf Satellitenbildern „düstere Geschichten“ erleben.

Reisealltag
Andere Arbeiten orientieren sich mehr an der Realität: Mateusz Dworczyk hat die Rahmen seiner zehnteilige Bildserie überklebt, um das Erleben der Orte mit der gleichzeitigen Aktivität am Smartphone zu verknüpfen. Auch Laura Leppert zeigt in ihrem Video auf leicht bizarre Weise typische Urlaubsmomente wie das Warten am Flughafen oder das Ausharren zwischen den Menschenmassen bei Touristenattraktionen.
Julia Dolipski lässt das Publikum auf einem Massagestuhl in die Alltagsgeräusche eintauchen und Juan Blanco untersucht in einer Bilder-Installation die Romantik des Reisens und gleichzeitig die möglichen Folgen von scheinbar harmlosen Urlauben. Laura Gonzales macht die Werke in Audio-Interviews mit den Künstlerinnen erfahrbar.

Neben dieser Ausstellung, die im jährlichen Format „zur Zeit“ realisiert wurde und dem aktuell stattfindenden Format „… im Erdgeschoss“ präsentiert das Künstlerhaus im ersten Stock sowie im Dachgeschoss wieder eines seiner Mitglieder: Jeanette Frei bringt in „Die Blumen, die Nacht und die Liebe“ eine Gegenüberstellung mit den Werken von Claudia Keel und damit auch den Frühling ins Haus.

Blumen im Dialog
Beide sind (gebürtige Schweizer) Malerinnen, die teils ähnliche Motive haben, aber sich in ihrer Malweise stark unterscheiden. Im Dialog stehen hauptsächlich Landschaftsbilder aus Ölmalerei, in denen Frei die Natur, Häuser und Menschen in einer besonderen Farbintensität abbildet, während Keels Gemälde auch abstraktere Züge annehmen und auf geheimnisvolle Weise Figuren sanft in die Szenerien verweben. So lassen sich Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede im Dialog, aber auch schon in den Titeln erkennen, die bei Frei oft auf konkrete Personen oder Orte verweisen und bei Keel mehr Spielraum für die Fantasie der Betrachter zulassen. Vermeintliche Blumen verwandeln sich in Keels Bildern bei näherer Betrachtung oft in Menschen. Freis Bilder erhalten dagegen durch die starken Kontraste ihre Dynamik. Malerisch sei sie von den Blumen nie weggekommen, wie auch ihr Werk „Ich wollte nie wieder Blumen malen“ deutlich macht.