Neueinsteiger begleiten und fördern

Die Induktionsphase soll Neueinsteigern ins Lehramt Sicherheit geben. Anne Frey, Vizerektorin an der Pädagogischen Hochschule (PH) Vorarlberg, über die Einführungsveranstaltungen und die Wichtigkeit des Mentorings.
Der Lehrkräftemangel ist auch in Vorarlberg spürbar. Was muss geschehen, um den Beruf attraktiver zu machen?
Anne Frey: Zum einen wünschen wir uns bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrpersonen: eine gute Ausstattung, Ressourcen für Teamteaching und Möglichkeiten für moderne Lernarchitekturen. Zum anderen leidet das Image des Lehrerberufs unter einer oft negativen Darstellung. Dabei kann er sehr erfüllend sein, da man junge Menschen auf ihrem Weg im Leben begleitet. Neue Personengruppen im Lehrerberuf wie zum Beispiel Quereinsteigende können den Schulen zudem viel bringen – etwa Erfahrungen aus Wirtschaft oder Wissenschaft. Wichtig ist aber, dass sie parallel eine fundierte Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule absolvieren.

Mit der Neugestaltung des Lehramtsstudiums in der Primarstufe, die schon heuer an der PH Vorarlberg in Kraft tritt, wird der Praxisorientierung eine hohe Bedeutung gegeben. Ein wichtiger Schritt?
Frey: Der Schritt war überfällig, und wir setzen ihn konsequent für unsere Studierenden um. In Vorarlberg haben wir die Praxisanteile schon bisher sehr hochgehalten: Die Studierenden sind ab dem ersten Semester in Schulen, absolvieren wöchentliche Praxiseinsätze und Blockpraktika. Wichtig ist aber, dass Praxis immer von Lehrveranstaltungen und Mentoring begleitet wird. Nur so werden die Studierenden gut vorbereitet. Wir hoffen, dass das neue System mit einem dreijährigen Bachelor- und einem zweijährigen Masterstudium zusätzliche Attraktivität bringt.
Auch die oft frühen Austritte aus dem Lehramt sind ein Problem. Sie sind Mitglied des Kernteams der österreichweiten Studie „Berufseinstieg im Lehramt“.
Frey: Die Pädagogischen Hochschulen haben den Auftrag, Lehrerinnen und Lehrer auszubilden, aber auch zu forschen. Deshalb haben sich alle 14 Hochschulen in Österreich zusammengeschlossen, um gemeinsam den Berufseinstieg zu untersuchen – eine ganz entscheidende Phase in der Biografie von Lehrpersonen. Wir wollten unter anderem herausfinden, wie sicher sie sich beim Unterrichten fühlen und wie hilfreich sie die vom Ministerium gesetzten Maßnahmen wie Einführungsveranstaltungen oder Mentoring erleben. Daraus können wir dann Empfehlungen für die Bildungsadministration ableiten.

Warum ist gerade diese Einstiegsphase so wichtig?
Frey: Der Einstieg in einen Beruf ist generell eine entscheidende Phase. Deshalb gibt es eigentlich in allen Unternehmen sogenannte Onboarding-Programme, die Berufseinsteigende unterstützen. Auch für neue Lehrpersonen gibt es solche Programme. Dabei markiert das Schuljahr 2019/20 einen Neuanfang, denn seitdem gibt es in Österreich die sogenannte Induktionsphase. Alle Lehrpersonen, die neu in den Beruf einsteigen, besuchen verpflichtend Lehrveranstaltungen an den Pädagogischen Hochschulen und erhalten zusätzlich ein Mentoring durch eine erfahrene Lehrperson. Gelingt der Berufseinstieg nicht, kann es zu Enttäuschungen, Belastungen und Unzufriedenheit kommen – schlimmstenfalls sogar zu einem frühen Ausstieg oder zu Burnout.

Was umfasst die Induktionsphase?
Frey: Die Induktionsphase selbst ist vom Bildungsministerium geregelt. Sie umfasst Einführungsveranstaltungen und Mentoring. Es gibt Pflichtthemen wie zum Beispiel Schulrecht, aber das BMB gibt eine Reihe an möglichen Themen für die Teilbereiche vor, aus denen wir wählen können. Hier versuchen wir das anzubieten, was Neulehrpersonen aus unserer Sicht am ehesten benötigen.
Zur Person
Anne Frey, 57, lebt in Feldkirch und ist verheiratet. Seit 2018 ist sie an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg tätig, seit 2022 gehört sie dem Rektorat an. Als Vizerektorin verantwortet sie aktuell die Bereiche Bildungsforschung und -entwicklung, Fort- und Weiterbildung sowie Schulentwicklungsberatung. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Tanzsport, fährt Mountainbike und geht gerne wandern.
Wie läuft die Umsetzung in Vorarlberg?
Frey: Hier in Vorarlberg läuft es sehr gut. Wir haben ein hervorragendes Team und eine enge Zusammenarbeit aller Verantwortlichen – etwa der Bildungsdirektion und der Schulleitungen. Die Rückmeldungen sind positiv. In mehreren Studien wird vor allem das Mentoring als großer Gewinn gesehen. Kritisch sehe ich aber die Diskussion über eine Verkürzung der Phase auf ein halbes Jahr. Ein Jahr Begleitung der Berufseinsteigenden ist meiner Meinung nach unbedingt notwendig.

Stichwort Mentoring. Wie läuft das konkret ab?
Frey: Jede neue Lehrperson bekommt in Österreich einen Mentor. Sie unterstützen fachlich und emotional, beantworten Fragen zu Unterricht und Schulkultur und fördern die berufliche Entwicklung. Das ist eine komplexe Aufgabe. Deshalb plädieren wir dafür, dass die verpflichtende Mentorenausbildung unbedingt erhalten bleibt. Erfahrung allein macht noch keinen guten Mentor – sonst besteht die Gefahr, dass nur alte Muster weitergegeben werden.
Wer übernimmt das Mentoring?
Frey: In der Regel sind es Lehrpersonen, die über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung verfügen. Vorrangig werden jene eingesetzt, die eine Mentorenausbildung absolviert haben. Wo es an ausgebildeten Mentoren mangelt, übernehmen auch Lehrpersonen, die von der Schulleitung als besonders geeignet eingestuft werden. Die Aufgabe ist freiwillig – und viele machen sie aus Überzeugung.

Wie wichtig sind die Einführungslehrveranstaltungen?
Frey: Grundsätzlich sehr sinnvoll, zumal sie auch eine Art Auftakt darstellen und das Ankommen im Beruf markieren. „Jetzt bin ich wirklich Lehrerin/Lehrer!“ Wir haben aber sehr unterschiedliche Gruppen im Berufseinstieg, und da macht es keinen Sinn, diese Veranstaltungen für alle pauschal verpflichtend zu machen.
Induktionsphase
Am Montag startet das neue Schuljahr. An der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg absolvierten in den letzten Tagen gut 350 Neu- und Quereinsteiger (Primarstufe, Mittelschule, Berufsschule) die verpflichtenden Einführungsveranstaltungen für den Lehramtsberuf. Diese sind Teil der Induktionsphase, die im Schuljahr 2019/20 eingeführt wurde, und auch Mentoring im ersten Berufsjahr beinhaltet. Damit soll der Berufseinstieg erleichtert werden.
Was wäre sinnvoll?
Frey: Begleitende Lehrveranstaltungen über das ganze Jahr, da viele Fragen und Herausforderungen erst im Laufe des ersten Dienstjahres entstehen. Auch Supervision und professionelle Lerngemeinschaften wären wichtig, um Lehrpersonen beim Einstieg zu unterstützen.

Was möchten Sie den rund 350 neuen Lehrkräften, die nun ins Berufsleben starten, mitgeben?
Frey: Das Wichtigste ist die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern. Und direkt an die Lehrpersonen gerichtet: Vermittelt Neugier auf die Welt, unterstützt sie beim Lernen und fördert kritisches Denken. Helft ihnen, mündige und reflektierte Menschen zu werden, die mit Informationen verantwortungsvoll umgehen und sich für Menschenrechte einsetzen. Und achtet auch auf euch selbst: reflektiert, holt euch Unterstützung, wenn ihr an Grenzen stößt. Das ist keine Schwäche, sondern Professionalität – gerade in einem so komplexen Beruf.