Spuren und Räume mit viel Platz für Träume

Chiara Bals aus Hittisau lebt in Wien. Für eine Ausstellung im Salon Angelika des Angelika-Kauffmann-Museums Schwarzenberg kehrt sie in den Bregenzerwald zurück.
Von Miriam Jaeneke
Wer zum ersten Mal im Salon Angelika des Angelika-Kauffmann-Museums Schwarzenberg steht, dem ergeht es wahrscheinlich wie Chiara Bals, die zur Zeit hier ausstellt. Sie rief aus: „Dieser Raum ist ja fast sakral!“ So ist es tatsächlich. Der riesige Raum wurde mit großen Fenstern und etwas Abstand in die Außenfassade, die unter Denkmalschutz steht, hineingebaut.
So alt der Stall ist – 450 Jahre –, so jung sind die regionalen Nachwuchskünstler und -künstlerinnen, die hier ausstellen. Bals ist 27 Jahre alt und hat in Wien die Universität für Angewandte Kunst in der Klasse von Hans Schabus besucht. Für ihre Arbeit bekam sie den Simacek Award verliehen. Ihre Abschlussarbeit und eine weitere waren bereits da, den Rest hat Bals für die Ausstellung in Schwarzenberg angefertigt.
Abschlussarbeit aus Aluminium
Die Abschlussarbeit besteht aus drei gleichen Korpussen aus Aluminium, die an Amphoren erinnern. Hineingearbeitet sind feine, gepunktete Linien, die sich zu Wolken formieren, zu vielleicht menschlichen Wesen mit Stummelschwänzen, zum immer wiederholten Buchstaben „S“. Auf dem Metall sind Schweißspuren offen zutagegelegt. Es geht nicht ums Glatte, Perfekte, sondern genau um Spuren, Spuren aus der Vergangenheit. Woher kommen sie, was bewirken sie?
Bals traktiert Museumskarton, der üblicherweise zum Archivieren verwendet wird, mit verschiedenen Werkzeugen. Hauptsächlich mit Punkten sticht sie Bilder in die papierne Unterlage, die sie auf Aluminiumplatten montiert. Das Aluminium hat sie zuvor mattgeschliffen. Allerdings weisen die Platten an den Seiten scharfe Zickzackkanten auf, die die Künstlerin ganz exakt mit dem Lasercutter geschnitten hat. Fast sehen sie aus wie Puzzleteile, die auf der Suche nach ihrem Gegenstück sind, bemerkt der Kurator Thomas Hirtenfelder.

Gegenstücke finden sich in den anderen Exponaten, aber wahrscheinlich auch im Betrachter. Die gepunkteten Bilder stellen nämlich eine stilisierte Sonne dar, eine Raupe mit Sternantennen, Hände, die nach einem Herz greifen. Bals erklärt: „In den Ausstellungsstücken geht es um Erinnerungen. Die Ausstellung heißt ,Rock, Paper, Scissors’, also ‚Schere, Stein, Papier‘. Spielerisches und Brutales treffen hier aufeinander. Ist das Dargestellte wahr oder sind es Träume?“ Man sieht Spuren beim Betrachten, und diese Spuren setzen sich vielleicht fort in einem selbst, im eigenen Assoziieren.
Eine der Arbeiten fordert die Betrachter explizit zum selbst Träumen auf: Zwei jeweils meterlange Papierbahnen liegen auf dem Boden, beschwert von aus Aluminium gegossenen, unregelmäßigen Sternen. Handtellergroß sind sie und liegen verteilt auf dem Papier. Sitzt man als Betrachterin auf dem Hocker, werden die Papierbahnen zum Hintergrund für das weiße Rauschen der eigenen Gedanken. Während vom Hocker Kühle in den Körper kriecht, wirkt der warme Holzboden dagegen. Die Metalleinlassung im Hocker ist mit Fingerabdrücken bevölkert: absichtlich Spuren auch hier, das stille Betrachten hinterlässt persönliche Merkmale.

Leise und furchtlos sind Bals’ Arbeiten. Nur eine Handvoll sind es, die die Wände bevölkern mit Natur- und Traumwesen, mit Träumen von Chiara Bals wie dem, auch mal vom Pferderücken aus auf die anderen herabzusehen: „But when I ride that horseback, I’ll just look as gorgeous“.
Bals hat auch in der Realität Träume wie den, von ihrer Kunst leben zu können. Einstweilen kehrt die aus Hittisau stammende Bregenzerwälderin ab und an in ihr Elternhaus zurück, das sie aus Drähten zusammengeschweißt und mit aufgefädelten Keramikkugeln versehen wie ein verkleinertes Architekturmodell in den Ausstellungsraum gestellt hat. Haus ihrer Kindheit, Haus ihrer Träume.
Gedicht für die Ausstellung
Ansonsten lebt Bals in Wien mit ihrem Partner zusammen und sitzt im Zoom-Kindermuseum an der Kassa. Ihr Partner ist Japaner, und so spricht, denkt und träumt Bals häufig auf Englisch. Ihr Gedicht für die Ausstellung ist jedoch auf Deutsch: „Der Kamingeruch in meiner Nase/fühlt sich an wie ausgedacht/Wenn ich an den Häusern vorbei spaziere/strömt noch warmer Rauch/durch meinen Körper/und mein Kind –/es läuft die Straße hinab/zurück nach Hause/nicht zu weit/aber weit genug/um sich die Wärme der Räume auszudenken (…).“ Es sind Räume mit viel Platz für Träume.
Chiara Bals im Salon Angelika, Angelika-Kauffmann-Museum Schwarzenberg. Bis 14. April, freitags bis sonntags, 14 bis 17 Uhr. http://angelika-kauffmann.com/