Kultur

Urbane Verhüllungen eines Künstlerpaars

09.04.2024 • 23:00 Uhr
Christo Ausstellung
Ausstellungsansicht im Kunstmuseum Lindau. Christian Flemming

Ab Samstag zeigt das Kunstmuseum Lindau in der Sonderausstellung „Christo und Jeanne-Claude – Ein Leben für die Kunst“ die monumentalen Projekte des Künstlerpaares.

Dreimal war das Projekt abgelehnt worden. Nach hitzigen Debatten konnten Christo und Jeanne-Claude im Jahr 1994 schließlich doch noch ihre 25 Jahre zuvor entstandenen Pläne realisieren und sie verhüllten das Reichstagsgebäude in Berlin vollständig mit aluminiumbedampftem Polypropylengewebe.

Christo und Jeanne-Claude
Christo und Jeanne-Claude vor dem verhüllten Reichstag. Wolfgang Volz

1972 hatten sie einen gigantischen Vorhang zwischen zwei Berghänge in Colorado gespannt, 1983 elf Inseln in schwimmenden pinkfarbenen Stoffe eingerahmt und nach den ersten Plänen von 1962 wurde schließlich nach Christos Tod im Mai 2020 der Triumphbogen in Paris im Herbst 2021 für 16 Tage in Stoffbahnen eingepackt. Die Künstler Christo und Jeanne-Claude, die beide am 13. Juni 1935 geboren wurden – er im bulgarischen Gabrowo, sie in Casablanca – haben im Laufe ihres Lebens große Installationen, Verhüllungen und andere Projekte gemeinsam und mit „einer großen Beharrlichkeit“ realisiert.

Christo und Jeanne-Claude
Mit Stoff eingerahmten Inseln. Sieglinde Wöhrer

Verhüllungen

Die Idee, in einer Sonderausstellung das Leben und die Werke der beiden „Ausnahmekünstler“ zu dokumentieren, sei entstanden, als der Lindauer Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn auf den Umstand aufmerksam wurde, dass die Stoffe für die Verhüllungen von Lindauer Dornier-Maschinen gewebt wurden. „Es war schon lange Zeit ein Wunsch von uns, dass wir eine Ausstellung zu Christo und seiner Frau Jeanne-Claude in Lindau präsentieren“, sagt Warmbrunn bei der gestrigen Pressekonferenz. Untrennbar mit dem Werk verbunden sei auch der aus Ravensburg stammende Fotograf Wolfgang Volz, der seit 1972 die internationalen Projekte des Künstlerehepaars mit seinen Aufnahmen begleitete und dabei auch die Prozesse der Entwicklung erlebbar machte.

Christo und Jeanne-Claude
Alexander Warmbrunn bei der Presseführung. Sieglinde Wöhrer

Leihgaben aus New York

Rund 70 Arbeiten des Künstlerpaares präsentiert das Kunstmuseum Lindau ab Samstag bis 13. Oktober. Über die weitreichenden Netzwerke des Kurators Roland Doschka hat er die Kunsthistorikerin Sophie Sümmermann ins „Duo-Kuratorenteam“ geholt. Ein Großteil der Werke stammt von der Christo und Jeanne-Claude Foundation in New York, zu der Sümmermanns enge Verbindungen pflegt. Realisierte Verhüllungen, aber auch geplante Projekte, die nicht umgesetzt werden konnten, etwa die Verhüllungen des Kölner Doms oder des Opernhauses in Sydney werden anhand von Fotografien, Zeichnungen und detailreichen Collagen näher beleuchtet. Auch Originale auf der Dornier-Maschine gewebte Stoffe sind ausgestellt.

Finanzierung der Kunst

Angefangen von verhüllten Ladenfronten in New York begann Christo in den frühen 60er-Jahren Alltagsgegenstände zu verhüllen, „um den Blick auf das Alltägliche zu verändern“. Zur Finanzierung der Großprojekte entstanden die ausgestellten Zeichnungen, Arbeiten, Objekte für den Verkauf direkt aus dem Atelier, beschreibt Sümmermann. „Die meisten Projekte haben sie über die Credit Suisse in der Schweiz finanziert, die haben sich wirklich mit Millionen verschuldet, um diese Projekte zu finanzieren. Also diesen Mut zu haben, das ist unfassbar“, betont Warmbrunn.

Christo Ausstellung
70 Arbeiten des Künstlerpaares werden im Kunstmuseum Lindau präsentiert. Christian Flemming

Während es in den 60er- und 70er-Jahren für eine Frau noch schwierig gewesen sei, sich als Künstlerin zu positionieren, habe sich das Paar erst ab 1995 konsequent entschieden, als Künstler-Duo aufzutreten. „Christo und Jeanne-Claude sind das wohl berühmteste Paar der zeitgenössischen Kunst“, sagt Warmbrunn. „Ich glaube, sie waren Nomaden der Kunst ihr Leben lang, sie haben für die Kunst und ihre Kunst gebrannt.“ Die Inszenierung spannt sich über die frühen 50er-Jahre über Paris, New York zu den großen urbanen Projekten und sei mit der Vision entstanden, eine kleine Retrospektive der beiden Künstler zu präsentieren.

„Guten Riecher“

Die Werke von Christo und Jeanne-Claude werden die nächsten Jahre in großen Museumsausstellungen zu sehen sein, ist Warmbrunn überzeugt. Mit dieser ersten Museumsausstellung in Süddeutschland mache das Lindauer Kunstmuseum nun den Anfang. „Ähnlich wie bei Warhol letztes Jahr haben wir wieder einen guten Riecher für das richtige Thema gehabt“, so der Kulturamtsleiter.

Um die Ausstellung „für alle zugänglich zu machen“, wie auch die Projekte von Christo und Jeanne-Claude im öffentlichen Raum für alle zugänglich waren, wird die Ausstellung um neun Stelen auf der Lindauer Insel erweitert, die mit großformatigen Fotos einen Einblick in das Schaffen des Künstlerpaares erlauben. Mit einer „Rätselroute“ durch Lindau sollen auch junge Besucherinnen und Besucher an das Werk herangeführt werden.

Bis 13. Oktober, Lindau.