Kultur

Die große Geste und der feine Klang

29.04.2024 • 18:04 Uhr
Bregenzer Meisterkonzerte_Bergen PhOr
Bregenzer Meisterkonzert „Bergen Philharmonic Orchestra“ im Festspielhaus Bregenz.
Udo Mittelberger (2)

Am Samstag wurde die diesjährige Reihe der „Bregenzer Meisterkonzerte“ mit einem meisterhaften Konzert des „Bergen Philharmonic Orchestra“ unter der Leitung von Edward Gardner abgeschlossen.

Der englische Stardirigent Edward Gardner, der als später Nachfolger von Edvard Grieg das Bergen Philharmonic Orchestra leitet, gibt mit dieser Saison die Führung ab, weil er als Chef der Norwegischen Oper berufen wurde – sehr schade, denn ein derart gut eingespieltes Team verliert ungern seinen Captain. Und: was dieser Klangmagier aus seinem Orchester herauszuholen vermag, ist wahrhaft erstaunlich!
Schon bei den ersten Klängen von Paul Dukas‘ bestens bekanntem Scherzo: „der Zauberlehrling,“ entfaltete Gardner seinen feinen Sinn für Klangmagie auf überzeugende Art. Er forderte transparent-zauberische Klänge gepaart mit musikalisch durchpulstem Gestaltungswillen – und das Orchester lieferte bereitwilligst alles nach des Meisters Willen. Und so erwachten die feinen Ideen aus Dukas‘ Werk zu neuem Leben und fesselten das aufmerksam lauschende Publikum.

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Wie eine Priesterin

Eine ungewöhnliche Interpretation von Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert war danach zu hören. Die deutsche Stargeigerin Veronika Eberle vermochte auf ihrer Stradivari-Geige diesem gut bekannten Konzert eine so frische Note zu verleihen, als sei das Konzert eben erst entstanden und als hörte das Publikum nun gerade die Uraufführung. Völlig in ihr Spiel versenkt war sie ganz auf die Musik konzentriert und in ihrem strengen grauen Kleid mit fast antikem Faltenwurf gemahnte sie beinahe an eine Priesterin des römischen Vesta-Kultes, die nur eine Aufgabe hat: dem Vestalinnen-Kult, sprich der reinen Musik zu dienen.
Nie war da eine Passage nach Art der Virtuosen nach außen gerichtet, nie war etwas für das Publikum gegeigt, sondern immer war der Focus der Musik nach innen gerichtet, auf die Quelle der Töne, auf ihren Ursprung und ihren Sinn. Ein derart intimes Spiel bei einem Violinkonzert, das aber derart überzeugt, ist wirklich nur selten zu hören!

Aus der neuen Welt

Nach der Pause begeisterte Edward Gardner mit seiner Deutung der bekannten 9. Symphonie „aus der neuen Welt“ von Antonín Dvořák vollends. Er bot einen dermaßen überraschend neuen Zugang zum Werk, dass das gefesselt zuhörende Publikum meinen mochte, dieses Werk sei ganz neu aus Amerika eingetroffen. Poetisch erzählend, die Bilder im Werk plastisch nachzeichnend, klanggewaltig auftrumpfend und dann wieder zart verwehend wie ein Frühlingswind in der Prärie legte er seine Interpretation an und wagte sich mit großangelegten rubati weit vor in den delikaten Herausforderungen der Dirigentenkunst.
Aber seinem Orchester vertrauend, gelang ihm jede Nuance, jede Klangschattierung, jedes Nachgeben, damit sich die feinen Töne entfalten können. Mutig dröhnend und die Pauke mächtig donnern lassend beendete er seine durch und durch überzeugende Reise durch eine neue und unberührte Welt voller Schönheit und Kraft. Das Publikum spendete großen Applaus mit vielen Bravos.

Valse triste berührt

Ein Bonbon zum Abschied gab’s dann auch noch: Jean Sibelius‘ sentimentaler „Valse triste.“ Wieder ungemein musikalisch durchpulst und mit sehr feinem Gespür für Klangbalance und Dynamik entließen Gardner und sein Orchester ein begeistertes Publikum bewegt von den vielen Eindrücken in eine milde, klare Frühlingsnacht, die nach der Kälte der vergangenen Tage wie eine Erlösung wirkte.

Von Thomas Thurnher