Sharon Eyals Körper in Schichten

Mit „Into the Hairy“ der israelischen L-E-V Dance Company war beim Bregenzer Frühling eine gefühlvolle Tanzwelt zu erleben.
Zum Plätschern von Wassertropfen erscheinen die Tänzerinnen und Tänzer aus der Dunkelheit – ineinander verwoben und gehüllt in am Körper anliegende Catsuits, in denen sich die Gliedmaßen im Takt der elektronischen Musik von den Individuen lösen und als Teil einer Einheit zusammenfinden.

Körperliche Präzision
In „Into the hairy“ wird das Publikum hineingezogen in einen Tanz, der verführerisch die Emotionen durchlebt und durch präzise ruckartige sowie fließende Bewegungen träumerisch vom Leben erzählt. Im pulsierender Takt formieren sich die Tänzerinnen und Tänzer zu weltfernen Formationen und fesseln mit einer bemerkenswerten Stabilität in ihrer Verbindung. Sharon Eyals Choreografie entsteht aus dem Inneren dieser Kollaboration heraus und holt das Körperliche auf eine ganz subtile dynamische Weise auf die Oberfläche, wo selbst die kleinsten Bewegungselemente im Gefüge der anderen Körper mit großer Dramatik wirken.
Auf das Wesentliche reduziert bringt die Performance die Fragilität menschlicher Gefühle zum Ausdruck, denen man sich in ihrer tiefen Sinnlichkeit nicht entziehen kann. Am Samstag war die 1971 in Jerusalem geborene Choreografin Sharon Eyal mit ihrer zusammen mit Gai Behar 2013 gegründeten L-E-V Dance Company im Festspielhaus Bregenz zu erleben. Mit ihrem innovativen und charakteristischen Stil, der die Grenzen des zeitgenössischen Tanzes auslotet, waren sie in über 200 Produktionen auf der ganzen Welt zu sehen. Sharon Eyal gilt als eine der gefragtesten Choreografinnen der Gegenwart. Sie begann ihre Tanzkarriere bei der legendären Batsheva Dance Company, wo sie auch mehrere Jahre lang als künstlerische Assistentin des israelischen Choreografen Ohad Naharin tätig war.

Überirdisch und bedrohlich
Gnadenlos wie Hyänen streifen die Tänzerinnen und Tänzer um die jeweils anderen, bewegen feinsinnig durch die Phasen des Lebens und formieren sich darüber hinaus in mehreren Schichten aus Gliedmaßen zu animalisch überirdischen Wesen, wo jede Individualität sich zu einer gemeinsamen körperlichen Kraft zusammensetzt.
Im roten Licht verfallen die langen schlanken Körper bedrohlich zu Skelette, die Bewegungen verschmelzen Formen aus der Clubkultur mit denen des klassischen Balletts zu einem verblüffenden Hybrid, in denen sich die ineinander fließenden Körper behutsam voneinander lösen und sich wie Magnete wieder ineinander neu organisieren. In einer düsteren Atmosphäre scheinen die Tänzerinnen und Tänzer wie in Trance gehüllt von Raum, Licht (Alon Cohen) und Musik (Koreless alias Lewis Roberts) in vielen kurzen Szenen Emotionen und Lebenszyklus von Lebewesen zu durchdringen. Betont wird der Körperausdruck durch die Kostüme von Diors Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri. Mit Begeisterungsrufen und einem langen Applaus bedankte sich das Publikum von dieser hypnotischen und 50 Minuten lang durchgehenden spannungsgeladenen Performance.