Kultur

Günter Brus: Radikale Abrechnung mit dem System

16.05.2024 • 13:20 Uhr
Günter Brus: Radikale Abrechnung mit dem System
UMJ/N. Lackner

Schonungslos: Das Bruseum zeigt ab Donnerstag Zeichnungen von Günter Brus, die er nach seiner Verurteilung und seiner Flucht nach Deutschland gezeichnet hat.

“Bist du dir sicher, dass du das machen willst?“, erinnert sich Bruseum-Leiter und Kurator Roman Grabner an die Frage, die Günter Brus ihm gleich mehrfach gestellt hat. Der Künstler, der im Februar im Alter von 85 Jahren verstorben ist, wusste um die geballte Kraft dieser Zeichnungen, die nun im Bruseum zu sehen sind. Es war eine traumatische Zeit für den gebürtigen Steirer, der Ende der 1960er-Jahre mit einer Handvoll Mitstreitern die Verstaubtheit, Enge und Biedermeierlichkeit von Nachkriegsösterreich als Treibstoff für den Wiener Aktionismus verwertete.

Der Gegenwind war dann mehr ein Orkan: mediale Hetzjagd, Gerichtsprozess, Urteil – sechs Monate „strenger Arrest“, die Höchststrafe. Brus flüchtete mit seiner Frau Ana und ihrer gemeinsamen Tochter Diana nach Deutschland. In diesen zweieinhalb Jahren filetiert der brillante Zeichner die aus seiner Sicht institutionellen Moralapostel und ihr Gift: Staat und Religion, Scheinheiligkeit und Prüderie.

Günter Brus
Günter Brus/Ludwig Hoffenreich

„Das sind radikale Arbeiten, rund 150 bis 200 Stück. Für Günter Brus ist es ist eine Übergangszeit, wo er aufhört, Aktionist zu sein, aber noch nicht weiß, wie er weitermacht.“ Die Ausstellung zeichnet diesen Weg des Umbruchs vom Aktionskünstler zum Bild-Dichter nach. Von filigranen, beinahe schwerelosen Körpern, die er sukzessive in ein technoides Konzept presst – der Mensch, sein Körper, geknebelt, penetriert, vom System missbraucht. Brus hat sich sein Trauma schonungslos von der Seele gezeichnet. Dass diese Zeichnungen jetzt zu sehen sind, ist auch eine Antwort auf den Zeitgeist, erklärt Roman Grabner: „Wir haben daran festgehalten, weil in unserer Gesellschaft verändert sich gerade extrem viel, wir driften in eine Art Neo-Biedermeier ab. Die Ausstellung ist ein Statement.“ Schockierend? Möglicherweise vor 50 Jahren. In Zeiten von Social Media und einer im Internet allseits und immer verfügbaren Pornografie, wäre das wohl nur scheinheilig.

ABD0006_20240211 – WIEN – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD ++ ZU APA0022 VOM 11.2.2024 – Aktionist GŸnter Brus gestorben. GŸnter Brus, AktionskŸnstler und Maler anl. einer PressefŸhrung zu seiner Ausstellung “Unruhe nach dem Sturm” im Belvedere 21, aufgenommen am Donnerstag, 01. Februar 2018 in Wien. (ARCHIVBILD VOM 1.2.2018) – FOTO: APA/HANS PUNZ
Günter Brus APA/HANS PUNZ

Heute Abend (18.30 Uhr) findet im Bruseum eine Gedenkveranstaltung für Günter Brus mit Lesungen und musikalischer Umrahmung, darunter auch vom Ensemble Schallfeld, statt.