Mit üblichen Sehgewohnheiten brechen

In Kooperation mit der Wiener zs art galerie präsentiert der Bildraum Bodensee in Bregenz die neue Sommerausstellung „Karl Kriebel | Only…“
Es seien eigentlich „nur“ „Linien und Punkte, Flächen, Hell und Dunkel und Schwarz und Weiß“, beschreibt der Künstler Karl Kriebel seine neue Ausstellung „Only…“ im Bildraum Bodensee: Es gibt dünne und dicke Linien, mehrere Winkel oder auch nur einen, in manchen Bildern gibt es Hunderte Linien, „aber auch das Rauslöschen ist ein Prozess“ – in den Werken zusammengestellt werden sie zum Vordergrund oder Hintergrund – aber was sich in den architektonisch anmutenden Werken sehen lässt, darüber entscheiden am Ende die Betrachter, aber auch unsere üblichen Sehgewohnheiten, die Kriebel in besonders detaillierter Weise zu „brechen“ versucht. „Viele schiefe Linien zusammen ergeben dann eine gerade Linie, denn das Auge sucht automatisch immer die Vertikale und die Horizontale“, erklärt Kriebel
Raumgefühl
Die Bilder hängen jedenfalls waagrecht, auch wenn der Boden im Bildraum Bodensee „so schief“ ist. „Es hat sich ja das ganze Haus gesenkt“, sagt Carmen Zanetti (Bildraum Bodensee). Ein Umstand, der durch Kriebels Werke stärker zur Geltung kommt, auch weil die Bilder ungewöhnlich hoch an den Wänden im Bildraum Bodensee angebracht sind. Es seien genau diese kleinen Details von geraden und ungeraden Linien, die ein Gefühl von Raum erzeugen, mit denen Kriebel sich in seinen Werken intensiv auseinandersetzt.

In manchen Bildern konzentriert sich der Künstler allein auf die Schwarz-Weiß-Kontraste, in anderen etwa um die Gegenüberstellung von Linie und Fläche. So sind es oft spezifische Aspekte, die er in seinen Werken fokussiert. Manchmal geht’s um Emotion, manchmal um Größe, Haptik oder den Lichteinfall und die jeweilige Wirkung. Lange Zeit hat sich Kriebel als Maler nur mit dem Farbraum beschäftigt, den er durch unterschiedliche Lichtsituationen kippte.
Von der Fläche sei der Übergang zur Linie dann naheliegend gewesen. „Es ging irgendwann darum, zu versuchen, den Manierismus rauszukriegen, weil ich glaub, wenn man sich in einem Format einmal wohlfühlt, dass es dann einfach nur das Repetieren von etwas ist.“ So stelle sich Kriebel selbst zeichnerisch immer vor neue Herausforderungen und arbeitet als Rechtshänder auch oft mit der linken Hand, um der Routine entgegenzuwirken. „Die Challenge ist, etwas zu tun, was man nicht kann, weil man dann wirklich wieder munter wird. Das ist eine wesentliche Komponente von Qualität – auch in der Musik. Spannend sind die Leute, die sich aufs dünne Eis begeben und das Spektrum ausloten, um zu schauen, wie weit geht’s nach links, nach rechts, nach oben, nach unten.“

Dekonstruktion
Mit den Linien definiert der Künstler den Raum und löst ihn gleichzeitig wieder auf, indem er die räumliche Wahrnehmung in seinen Werken dekonstruiert. „Es geht darum, eine neue Wahrnehmung von Raum, Farbraum und perspektivischem Raum zu konstruieren“, der die Betrachter irritiert, wenn er „falsch“ ist. Ausgangspunkt einiger Arbeiten sind Fotografien von Innenräumen und Außenräumen, denen Kriebel im Alltag begegnet. In daraus erstellten Collagen wird die übliche räumliche Wahrnehmung durch mehrere übereinanderliegende Layer mit Elementen etwa aus Acryl, Öl oder Tusche gestört. Seine Vorgangsweise vergleicht Kriebel mit der „Verzeichnung einer Figur“: Es gibt Figuren, die sind einfach falsch falsch gezeichnet und es gibt Figuren, die sind richtig falsch gezeichnet, das setzt voraus, das man wissen muss, wie die Figur überhaupt aussieht“.

Bei der Ausstellung seien jedoch nicht die einzelnen Objekte im Vordergrund, sondern der Gesamteindruck der Zusammenstellung und dessen Wirkung auf das Publikum, diese könne auch ganz unterschiedlich ausfallen. Ob Bilder in die Tiefe gehen oder Räume hervortreten liege in der Lesbarkeit der Betrachterinnen und Betrachter. Und auch wenn seine Bilder gänzlich übersehen werden, ist es für ihn „total okay“, sagt der Künstler und erinnert sich an ein Erlebnis während einer früheren Ausstellung: „Da kam einer herein und schaut so und sagt: Aha, gibt’s heute keine Ausstellung? Ist noch nichts aufgebaut? Und ich so: Nein, nächste Woche hängen wir erst was.“ Diese „Fenster“, die der Besucher nicht sehen konnte, waren Arbeiten im großen Format mit dreißig, vierzig Farbschichten übereinander.
“Karl Kriebel | Only…“: Bis 3. September im Bildraum Bodensee, Bregenz. Geöffnet: Dienstag, Donnerstag: 13 bis 18 Uhr und Freitag, Samstag: 11 bis 16 Uhr.