Die tanzenden Socken der ewigen Sehnsucht

„Nonchalance – Mensch 6“.
Die Galerie Maximilian Hutz in Hard stellt Alina Kunitsyna aus. Ein Sockentanz.
Wer die Galerie Maximilian Hutz in Hard betritt, schaut wie magisch von ihr angezogen auf die linke Wand. Hier hängen mit einer Höhe von vier Metern zwei Ölbilder von Alina Kunitsyna. Wer hat schon solche Wände? Es ist eine Schau, die erstmals Tuschearbeiten, Ölbilder und Skulpturen der Künstlerin in Vorarlberg zeigt. Zu Anfang des Jahres waren Arbeiten noch im Kunsthistorischen Museum Wien ausgestellt.
Bilden gemeinsam ein Einzelnes
Kunitsyna setzt sich in ihrem Werk häufig mit Textilien und ihrem komplexen Faltenwurf auseinander. Für die hauptsächlich in diesem Jahr entstandenen Arbeiten des Zyklus’ „TANZMA“, also Mundart für „Tanzen wir“ hat sie aber einen überraschenden Stoff gefunden: Socken. Kein Hermelinmantel, keine Tracht, kein Faschingskostüm, sondern Socken. Blau mit lila Punkten, weiß-pink-lila-blaugestreifte, weiße Socken, erstaunlich wenig schwarze. Beim Drapieren ihrer Malvorlage scheint sie sich gefragt zu haben, wie sie möglichst viele möglichst unterschiedliche Socken möglichst spielerisch auf möglichst engem Raum unterbringen kann. Die Socken bilden gemeinsam ein Einzelnes, das einzig da zu sein scheint, um gemalt zu werden. Wohlgemerkt sind es keine dreckigen, muffelnden, zerknautschten Socken. Vielmehr sind es hauptsächlich einzelne, wie sie vor Waschmaschine oder Trockner tagtäglich auftauchen können. Sprich: der Hausfrauen- und -männeralbtraum.
Sehnsucht nach anderer Hälfte
Die Künstlerin schreibt hierzu: „Die Gebilde aus verschollenen oder sich gefunden habenden Paare stehen für mich in der Ausstellung TANZMA für die unausweichliche Notwendigkeit der Kommunikation, für die ewige Sehnsucht nach der andere Hälfte, gleichzeitig das trotzige Sich wieder Finden und alleine glücklich Sein. Es ist eine Forschung über Beziehungen zu anderen und zu sich selber. Der asymmetrische Mensch stolpert immer wieder über eigene symmetrischen Ideen.“ Ob Kunitsyna das zu Paaren Ordnen von Socken auch als eine symmetrische Idee bezeichnen würde, über die man im Waschalltag stolpert? In jedem Fall geht es um die Oberfläche und das Darunter. Sehnt sich eine einzelne Socke nach ihrem Partner, oder freut sie sich über unverhoffte Freiheit? Der Humor ist jedenfalls nicht weit, wenn die Künstlerin Sockenbilder aus bunter Tusche „Der alte Hase 1, 2 und 3“ nennt: Um die Hasenohren aus geknoteten Socken zu erkennen, braucht es keine ausgeprägte Phantasie.
Harmonisches Gemeinsames
Die in Minsk geborene Kunitsyna lebt in Wien und Kärnten. Am Kunst-Lyzeum in Minsk lernte die 1981 geborene Kunitsyna Malerei und Grafik, es folgte ein Kunststudium in Linz und das Studium „Neue Medien“ in Wien. Sie arbeitet nicht nur mit Ölfarben, sondern viel mit Tusche, die sie in durchscheinenden Schichten in perfekter Technik übereinanderlegt, auch mit Druckgrafik und Trickfilm. In der Galerie Maximilian Hutz werden zwei Skulpturen gezeigt, es sind mit Ölfarben übermalte Bronzegüsse. Auch hier sind es zu einer Einheit komponierte Tuchfalten, verschiedenfarbig angemalt, lässig drapiert, vielleicht mit einem gepolsterten Mund in Rosa, der am Hinterteil klebt, so man die Skulptur als Figur interpretiert. Die Buntheit ist eine Einladung zum Hinschauen. Auch bei einem Birkenstockschuhpaar, das vielleicht auch ein noname Schuhpaar ist, das versucht, als Markenschuhe durchzugehen. Bei Kunitsyna erscheinen sie in Giftgrüngelb mit durchleuchtendem Grünem Punkt. Gruß von der Abfallwirtschaft: Wie sehr ist ein Schuh einmalig, wie sehr Wegwerfprodukt? Auf ihren Bildern jedenfalls hat sie Gegenstände verewigt, die schon bald den Weg des Vergänglichen gegangen sein werden. Damit ist sie nicht die Erste. Damit verweist sie ebenfalls aufs Kollektiv. Zum Beispiel auf das Kunst rezipierende. Letzendlich erscheint Kunitsyna aber als Optimistin, wenn sie schreibt: „Trotz Widersprüchlichkeit des Paares oder des Individuums, vielleicht können wir ein harmonisches gemeinsames Vorhaben erfinden.“ Dieses Vorhaben könnte sein, den Sockentanz auf vier Metern mal zwei Metern fünfzig anzuschauen. Danach betrachtet man Socken anders: Sie besitzen ihre eigene Ästhetik.
Alina Kunitsyna, TANZMA, Galerie Maximilian Hutz, In der Winke 4, Hard, bis 26.10. donnerstags und freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags von 10-12 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet.