Kultur

Verschlungene Linien und dunkle Farben

01.10.2024 • 18:21 Uhr
Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Auf das Konzert in Feldkirch folgte am Sonntag ein weiterer Auftritt im Festspielhaus Bregenz.Mathis

Symphonieorchester Vorarlberg lud am Samstag zum Saisonauftakt nach Feldkirch. Gemeinsam mit Dirigent Roland Kluttig und Violinist Kolja Blacher spielten sie Bartók, Bacher und Mozart.

Beim ersten Abo-Konzert der neuen Saison zeigte das Symphonieorchester Vorarlberg seinen Farbenreichtum und seine Vielseitigkeit in Werken des 20. Jahrhunderts und mit Mozarts letzter Symphonie, ebenso konnte der deutsche Dirigent Roland Kluttig dem Orchester seine Erfahrung in der neuen Musik wie in der Klassik vermitteln. Souveräner Solist im Violinkonzert seines Vaters war Kolja Blacher, der dem SOV damit zum zweiten Mal verbunden war.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Mathis

Bohrende Intensität

Wie ein Doppelorchester des Barocks sind die Streichergruppen bei Bartok postiert, sie spielen sich zu, reagieren aufeinander. In der Mitte ein Flügel (Kathrin Nußbaumer), eine Harfe (Ulrike Neubacher), eine Celesta (Johannes Hämmerle, sonst doch der Spezialist für historische Tasteninstrumente, beim Ausflug in die sphärischen Klangwelten) und die Schlagzeuger: Bartoks viersätzige „Musik für Saiteninstrumente, Schlagwerk und Celesta“ aus dem Jahr 1937 beginnt mit dunklen Farben und verschlungenen Linien, die Roland Kluttig in großer Dichte bis zur Steigerung mit dem ersten Beckenschlag führt und wieder in einem feinstofflichen Pianissimo ausklingen lässt. Spielerisch, jazzig, musikantisch pulsiert der zweite Satz in der Art einer nächtlichen Krimimusik. Im Adagio hört man den hochexpressiven, tragischen, auch unwirklichen Tonfall, die Zeit scheint stillzustehen, bevor der vierte Satz in seiner Spielfreude und bohrenden Intensität begeistert.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Mathis

Lebensfreude nach dem Krieg. 11 Jahre und einen Weltkrieg später hat der deutsch-baltische, von verschiedensten Kulturen geprägte Komponist Boris Blacher im Jahr 1948 sein spannendes Violinkonzert geschaffen, das in den Außensätzen von der Lebensfreude nach den Kriegsjahren erzählt und neben dem höchst anspruchsvollen Violinsolo auch zahlreiche Soli für die Bläser und pointiertes, rhythmisch vertracktes Zusammenspiel des Solisten mit dem Orchester bereithält. Kontrastreich spielt es auch in der Solokadenz mit hohen und tiefen Registern, mit Ruhe und Bewegung, im langsamen Mittelsatz spannt sich eine expressive Sololinie über einem untergründigen Pulsieren, sparsam kammermusikalisch instrumentiert scheint der Satz zu schweben. Kolja Blacher, der lange Jahre Konzertmeister der Berliner Philharmoniker und des Lucerne Festival Orchestra unter Claudio Abbado war, meistert den schwierigen Solopart mit traumwandlerischer Sicherheit in enger Verbindung mit dem Dirigenten und dem hochmotivierten Orchester.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
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Wirbelnde Polyphonie

Mozarts große C-Dur-Symphonie KV 551 (mit dem später hinzugefügten Beinamen „Jupiter“-Symphonie) bildete den Schluss, schön musiziert und phrasiert zwar, nach dem spannenden ersten Konzertteil wirkte sie (im hier besuchten Konzert vom Samstag in Feldkirch) allerdings etwas steif, freilich mit feinem Schwingen im Menuett und viel Freude an der wirbelnden Polyphonie des letzten Satzes.

Katharina von Glasenapp