Kultur

Schallender Zweifel und Versöhnung

05.10.2024 • 07:00 Uhr
Schubertiade 2 Oktober Hohenems
Ammil Bushakevitz (l.), Konstantin Krimmel und Maren Ulrich verliehen dem revolutionären Dichter Heinrich Heine Ausdruck.Schubertiade 

Unter dem Titel „Schöne Wiege meiner Leiden“ inszenierte die Schubertiade am Mittwoch ein faszinierenden Portrait Heinrich Heines in Wort und Musik.

Für ein langes Wochenende lädt die Schubertiade wieder in den Markus-Sittikus-Saal in Hohenems: der Eröffnungsabend mit der Rezitation von Maren Ulrich und der musikalischen Einheit von Bariton Konstantin Krimmel und Pianist Ammiel Bushakevitz bot ein wunderbar durchkomponiertes Portrait des Dichters Heinrich Heine, der die Komponisten der Romantik zu unterschiedlichsten und meisterlichen Kompositionen angeregt hat.


Natürlich kann in rund 80 Minuten Wort-Musik-Programm nur ein Bruchteil von Heinrich Heines vielschichtigem Werk, Denken und Leben aufscheinen – der kritische Geist, der Dichter, der Beobachter, der Revolutionär, der 1897 in Düsseldorf zur Welt kam und seit 1831 in Paris lebte, hat die Literatur mit zahlreichen Gedichten, Reisebildern und politischen Artikeln bedacht. Doch so wie Maren Ulrich, Konstantin Krimmel und Ammiel Bushakevitz die Texte und Lieder ausgewählt haben, rundet sich ihr Programm „Schöne Wiege meiner Leiden“ zu einem faszinierenden Ganzen.

Begeisterung für Napoleon

Liedbegeisterte denken bei Heine an die sechs so ungemein verdichteten Lieder aus Schuberts „Schwanengesang“, an die großen Zyklen von Robert Schumann, an die „Loreley“, die auf dem Felsen über dem Rhein sitzend ihr goldenes Haar kämmt und deren verführerisches Singen unzählige Vertonungen angeregt hat. In „Die beiden Grenadiere“ spiegelt sich die Begeisterung für Napoleon (Heine verehrte ihn für dessen Code Civile) und Schumann zitiert im ekstatischen Fiebertraum des sterbenden Grenadiers die Marseillaise. Die blasphemische Überheblichkeit des babylonischen Königs Belsatzar inspirierte Schumann zu einer der packendsten Balladen. Auch Felix Mendelssohn Bartholdy fand in Heines Lyrik die Grundlage für fein poetische Liedvertonungen: Aus der Romantik ist Heinrich Heine nicht wegzudenken und auch spätere Komponisten haben seine Lyrik aufgegriffen.

Schubertiade 2 Oktober Hohenems
Schubertiade 


Das Besondere dieses Programms aber ist, wie Wort und Musik ineinandergreifen, wenn Maren Ulrich mit ihrer einfühlsam modulierenden Sprechstimme, die man aus dem Bayerischen Rundfunk kennt, den Dichter erzählen lässt und die Lieder einzelne Bilder spiegeln. Man erlebt die Majestät des strömenden Rheins und des Kölner Doms in den schillernden Figuren bei Liszt, die Bushakevitz rund ausformt, und Krimmels charmant lockende Pianofarben im „Fischermädchen“. Die „Loreley“ steigert sich in der Vertonung von Liszt zu tosenden Klangstrudeln und verweht in einem feinen Decrescendo. Aus Heines Hadern mit der deutschen Polizei wächst bei den Künstlern das fast schon impressionistische Bild von Schuberts „Die Stadt“, wenn Heine sich mit der Welt aussöhnt, antworten sie mit dem stillen Glanz von „Das Meer“.

Heiteres Intermezzo

Heines Menschen verzweifeln an der Liebe, an der Unmöglichkeit der Verbindung, grandios eingefangen in Schuberts Liedern und von den Künstlern mit einer ungeheuer farbenreichen und konzentrierten Interpretation dargeboten. Krimmel und Bushakevitz wagen die wohl langsamste und dichteste Deutung des „Doppelgängers“, wie der Sänger da die Vokalfarben mischt, ist schlicht atemberaubend. Als heiteres Intermezzo erscheinen da Heines Beobachtungen zu Webers „Freischütz“ und die allgegenwärtige Präsenz des Lieds vom „Jungfernkranz“, der der Dichter nur mit einem beherzten „Samuel, hilf!“ beikommen kann: Genüsslich karikiert Krimmel diese Melodie in verschiedensten Registern bis hinauf ins Falsett und Festspielbesucher haben sogleich die Bregenzer Deutung mit Wasserballett und Glitzerkrönchen vor Augen.

Abschied und Tod

Die Ausführenden schaffen eine ungemein enge Verbindung von Wort und Musik, von Heiterkeit und Tragik, von Revolutionsstürmen, Abschied und Tod. Bei Maren Ulrich wird die Sprache Musik, dank Krimmels exzellenter Textdeutlichkeit (von ihr geschult, denn auch abseits der Bühne sind die beiden ein Paar) rückt die Sprache in den Vordergrund und der Pianist trägt sie auf facettenreiche Weise. Ein begeisternder Abend!

Katharina von Glasenapp