Einstiger Abfall strahlt in der Feldkircher Altstadt

Wett
Das dritte „Spotlight“ in Feldkirch zeigt die Installation „Crystalline“ der Architektin Sofia Hagen.
Hat jemand den Schrein eines archaischen Kultes aus einer heiligen Höhle geraubt und vor die alte Dogana in der Feldkircher Innenstadt gestellt? Oder gibt es Arktos aus Tabaluga wirklich? Diese fantastischen Mutmaßungen sind angebracht, wenn man „Crystalline“ zu Gesicht bekommt.
Zur Entwarnung: Der fast drei Meter große Kristall ist keiner übernatürlichen Kraft gewidmet. Meldungen über bösartige Schneemänner liegen auch nicht vor. Stattdessen handelt es sich um die neue Schöpfung von Sofia Hagen. Die Architektin studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien bei Zaha Hadid und lebt in London. Heuer wurde sie vom Verein Lichtstadt eingeladen, das Kunstwerk für das dritte „Spotlight“ zu gestalten. „Spotlight“ ist ein Intermezzo, das abwechselnd zur alle zwei Jahre stattfindenden Lichtstadt Feldkirch im Kleinen erhellt.

Plastikabfall aus der Medizin
„Crystalline“ besteht aus vier kleinen und einem großen Kristall, die Nebel umhaucht in der Dunkelheit glitzern. Echte Bergkristalle wachsen über tausende Jahre. Vielen dienen sie als Sinnbild für die kalte Schönheit der Natur. Im Gegensatz dazu wirkt die Installation wie ein Denkmal für eine nachhaltige Zukunft. Denn sie besteht aus medizinischem Plastikabfall und wurde mit einem 3-D-Drucker geformt.

Roboterarbeit
„Ich wusste schon immer, dass ich nicht bloß wegen den Gebäude Architektin wurde. Mir geht es um die Wirkkraft“, stellt Hagen klar. Den passenden Hebel fand sie in der Pandemie. Damals hatten Werkstätten geschlossen, aber Roboter konnten arbeiten. Ein Glücksfall für die Architektin, die sich seitdem intensiv mit 3-D-Druck beschäftigt.

Der Installation gingen zweieinhalb Jahre Planung voraus. Aufwendige Materialstudien und die Zusammenarbeit mit Experten begleiteten diesen Prozess. Die Software-Ingenieure, mit denen sie arbeitet, stellen Prototypen für NASA, Formel 1 oder Boeing her. Trotz der guten Vernetzung dauerte es fast ein Jahr, bis ein passender Drucker gefunden wurde. Fündig wurde Hagen in Dänemark, bei „MDT A/S Flexible Products“. Mit deren Roboter konnte der große Kristall in 68 Stunden gedruckt werden, während die kleineren schon nach einem Tag vom Plan in die Wirklichkeit übersetzt wurden.
Nachhaltige Kreislaufwirtschaft
Ziel der Architektin ist die Schaffung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Wissend, dass sich der Anspruch nicht auf das Material beschränken darf, rückte sie die Wiederverwertbarkeit in den Fokus. Ursprünglich war vorgesehen, „Crystalline“ an ein Unternehmen zu verkaufen. „Für uns wäre das ein Optimum an Nachhaltigkeit gewesen, denn dadurch müsste nichts eingelagert, oder weggeschmissen werden“, berichtet Thomas Häusle vom Verein. Hagen könnte sich vorstellen, dass aus der Installation einmal Sitzmöglichkeiten oder Leuchtkörper werden. Sie hofft, dass dadurch „die Kunst für die Menschen zugänglich wird und als Installation für alle greifbar weiterlebt.“
Spottlight
Neustadt 37, Feldkirch
9-12. Oktober,
19-22. Uhr