Kultur

“Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie”

11.01.2025 • 17:00 Uhr
"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Sandra Holzer wirkt im Gemeinschaftsatelier der Halle5 in Dornbirn. Steurer

Keramikerin Sandra Holzer ist „Franzi.ist“. Mit der NEUE sprach sie über ihren Weg vom Design zum Ton.


„Und du glaubst wirklich, von Geschirr verkaufen leben zu können?“ An diese harsche Ansage ihrer früheren Direktorin kann sich Sandra Holzer (31) noch gut erinnern. Denn genau das macht sie. Alleine an das Hotel Rote Wand in Lech hat sie in den letzten Jahren mehr als 1000 handgefertigte Teller und Schüsseln verkauft.

Vom Design zum Handwerk

1993 im oberösterreichischen Steyr geboren, studierte Holzer erst „Design, Handwerk & materielle Kultur“ an der NDU in St. Pölten. Während dieser Zeit entdeckte sie Ton und Porzellan als Medium für sich, dem sie auch ihrer Abschlussarbeit widmet. „Ich habe sie in der Wiener Keramik-Werkstatt von Hermann Seiser umgesetzt und bin dort hängen geblieben“, erinnert sich die Kunsthandwerkerin an eine Zeit zurück, die ihr wie eine inoffizielle Lehre im Gedächtnis blieb.

"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Steurer

Zur Schule ins Burgenland pendeln

2018 schuf die gelernte Designerin aus der Not heraus ihre erste eigene Produktion: „Damals brauchte ich Geschirr. Ich habe dann aber festgestellt, dass auch andere an meinen Arbeiten interessiert sind.“ So auch in Feldkirch, wo sie im selben Jahr an der „Potentiale“ teilnahm. Mit wachsender Leidenschaft wurde Holzer klar, dass sie ihr Können vertiefen muss. Den richtigen Ort dafür bot die kleine mittelburgenländische Gemeinde Stoob. Denn dort wurde bereits 1893 eine Tongewerbeschule gegründet, die mittlerweile den Namen Ceramico trägt. So wurde die Fertig-Studierte erneut Schülerin und pendelte mindestens dreimal pro Woche von Wien ins Kolleg. Trotz der bereits erwähnten Direktorin und dem frühmorgendlichen Pendeln waren diese Jahre unverzichtbar. Denn davor war sie nur mit dem Guss von Porzellan vertraut. Die Arbeit an der Töpferscheibe dagegen fremd. Dabei sind die Unterschiede markant: „Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie, auch kein Staubkorn.“

"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Steurer

Die Rote Wand fragt an

„Natascha Walch vom Hotel Rote Wand hat mich zwei Monate nach Schulabschluss auf Instagram gefragt, ob ich meine Muster vorstellen könnte“, erinnert sich Holzer zurück, als wäre es ein Fiebertraum. „Ich wusste gar nicht, was es mit Lech oder dem Hotel auf sich hat, aber mir war klar, dass ich es unbedingt machen möchte.“ So staunte sie nicht schlecht, als ihr klar wurde, dass ihre Designs nicht nur geschätzt werden, sondern in hundertfacher Ausführung verlangt werden.

"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Steurer

Wien, Oberösterreich, Japan

Die Zeit der Produktion ging mit wechselnden Werkstätten einher. Anfangs in den Werkstätten des Wiener WUK aktiv, zog Holzer pandemiebedingt zurück ins Elternhaus. Dort räumten ihre Eltern Keller und Garage, die der Vater mit einem Brennofen ergänzte. Nachdem der Auftrag erfüllt war und die Pandemie sich dem Ende zuneigte, zog es die Kunsthandwerkerin zurück in die Bundeshauptstadt und weiter nach Japan.

"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Beim glasieren dieser Schüssel wurde Stroh beigefügt.Steurer

Bei einer Residency im Museum of Ceramic Art in Mashiko erweiterte sie ihr Wissen um Glasuren und Brenntechniken: „In diesen zwei Monaten habe ich mich auf die Nuka-Methode spezialisiert und zum ersten Mal mit Reduktions- und Holzbränden gearbeitet.“

"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Oxidierte Metalle bestimmen die Farbe der Glasur.Steurer

Gleichzeitig prägte der Austausch mit den ansässigen Keramik-Künstlern ihr Verständnis für Ästhetik. „Vasen sind mehr als Wohnraumverstärker. Denn als symbolischer Gegenstand vermitteln sie Sicherheit. Diese symbolische Struktur darf im Handwerk nicht vergessen werden“, bekräftigt die 31-Jährige.

"Ton hat ein Gedächtnis, aber Porzellan vergisst nie"
Da die Wege in der Halle etwas lang sein können stehen Fahrräder bereit.Steurer

Neue Wirkstätte in Dornbirn

Zurück in Wien hielt es sie dort nicht lange. Geleitet vom Wunsch, ein Leben am Land zu führen, zog sie ein halbes Jahr später nach Dornbirn. Dort fand Holzer eine neue Wirkstätte im Gemeinschaftsatelier der Halle5. „Da ich nicht aus Vorarlberg komme, brauche ich eine soziale Umgebung. Hier wird jeden Tag Kunst produziert, gleichzeitig findet ein großartiger Austausch statt“, schwärmt die Wahl-Dornbirnerin. Wenn sie nicht an Aufträgen oder Skulpturen arbeitet, vermittelt die Kunsthandwerkerin ihr Können in der Tonhalle, Dornbirn. „Es ist wertvoll und lustig, durch die Lehre andere Perspektiven einnehmen zu können“, freut sich die 31-Jährige.