“Als 18-Jährige haben wir gemeinsam im Vorprogramm von Wolfgang Ambros gespielt.”

Interview. Harry Marte rockt seit mehr als 50 Jahren. Warum er nicht anders kann, verriet er im Gespräch mit der NEUE.
Neil Young singt, dass der Rock ’n’ Roll nie sterben wird. Wie lebendig ist er in der Gegenwart?
Harry Marte: Die Gegenwart hat nicht mehr so viel Rock-’n’-Roll-Power wie einst. Ich glaube, die jüngere Generation ist weniger rebellisch, höchstens woke. Wobei Jugendliche die Hinterlassenschaft immer neu entdecken, ohne eine neue Ära zu erleben.
Sie sind 1956 zur Welt gekommen. Welche Bedeutung hatte er für den jugendlichen Marte?
Marte: Für mich war Rock ’n’ Roll eine Lebensphilosophie, der vermeintliche Weg zur Freiheit. Ob mit Bob Dylan oder AC/DC, ganz egal. Über Woodstock und Easy Rider hat sich alles verbunden. Da war ein Aufbruch in etwas Neues, eine Ungebundenheit. Über die langen Haare haben wir bewusst oder unbewusst signalisiert, dass wir nicht bürgerlich sind. Das hat uns wahnsinnig stolz gemacht. Die Musik hatte auch eine politische Dimension, auch wenn Dylan das nicht gerne zugibt. Bei „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival ging es schon Ende der 60er-Jahre um umweltpolitische Fragen. Aber obwohl jeder den Song auf seiner Gitarre gespielt hat, verstand kein Mensch den Inhalt, dass ein schlechter Mond aufgeht.
Wann haben Sie angefangen, Musik zu machen?
Marte: Mit 14 habe ich Akustikgitarre gelernt, aber mir haben die Unterrichtsstunden nicht gefallen, daher kann man mich als Autodidakt bezeichnen. Hatte kein Interesse, „Alle meine Entchen“ zu lernen. Lieber wollte ich Songs von Bob Dylan spielen. Das eigentliche Handwerk habe ich dann beim gemeinsamen Spielen mit Freunden gelernt.
Sind welche davon noch aktiv?
Marte: Ja, zum Beispiel der Harald Schöch. Als 18-Jährige haben wir gemeinsam im Vorprogramm von Wolfgang Ambros gespielt.
Sie waren nie hauptberuflicher Musiker, aber gab es eine Zeit, in der Sie keine Kunst gemacht haben?
Marte: Nein. Ich bin ein Getriebener. Sobald ich in einem Wald spazieren gehe, kommen mir die Texte und Betrachtungen, das ist unumgänglich.
Wie kommt es, dass Sie fast ausschließlich auf Englisch singen?
Marte: Die verblendete, romantische Sehnsucht nach den Songtexten amerikanischer Singer-Songwriter wie Bob Dylan. Auf Deutsch kann ich einfach nicht singen, das klingt dann fast wie Schlager. Englisch dagegen führt mich einfacher ans Ziel. Bei einer Cabrio-Fahrt mit einem Freund aus Texas durch South Carolina wurde mir das bewusst. An der Küste roch es lieblich nach süßem Holz und Honig, der Himmel war so blau. Als er dann sagte, „the air tasts honey“, wusste ich, das ist meine Sprache.
Ihre Texte atmen den Mythos der USA. Was fasziniert Sie?
Marte: Die große Sehnsucht nach den Bildern, die uns als Jugendliche mit Woodstock und Easy Rider vermittelt wurden. Kann dir gar nicht sagen, wie sehr meine Augen daran geklebt haben. Die Musiker bei Woodstock waren ja teilweise nicht viel älter als wir. Die haben einen Sound gemacht, dass es scheppert! In Vorarlberg gab es niemanden, der dazu fähig gewesen wäre. Vielleicht weil wir das „eins, zwei, drei, vier“ in der Genetik haben. Hier hat sich das erst geändert, als sich mehr und mehr interessierte Leute mit der Musik beschäftigt haben.
Ist die Sehnsucht ungebrochen?
Marte: Aus dem amerikanischen Traum bin ich längst aufgewacht. Aber ich glaube an die Kraft der Singer-Songwriter. Alles andere ist natürlich ein Witz.
Diesen Freitag traten Sie gemeinsam mit Marco Figini (Gitarre), Sandra Merk (Bass) und Alfred Vogel (Schlagzeug) im Spielboden auf. Worauf können sich die Besucher gefasst machen?
Marte: Auf den Valentinstag, aber das weiß ich nur, weil mich meine Frau darauf aufmerksam gemacht hat. Wir spielen das neue Album „Extra Brut“ und ein paar Songs aus früheren Aufnahmen.

Wie habt ihr als Musiker zusammengefunden?
Marte: 2011, bei einer Aufführung von Monika Helfers „Die Sieben Todsünden“ im Theater Kosmos, saß Alfred am Schlagzeug. Ich habe ihn nicht gekannt, aber als er dann losgelegt hat, das eine Offenbarung. Er hat mir dann später direkt ins Gesicht geschaut und gefragt: „Bist du nicht der Harry Marte?“ und gleich vorgeschlagen, komm, lass uns etwas machen. 2013 haben wir dann gemeinsam mit den Schweizern Urs Vögeli und Claude Meier das Album „Big Pit“ aufgenommen. 2017 folgte dann das Album „Little Prayers“. Chris Dahlgren war als Bassist beteiligt. Er hat dann den Schweizer Gitarristen Marco Figini mit ins Boot geholt. 2023 haben wir dann zu dritt spontan das neueste Album aufgenommen. Alfred kannte die Songs schon. Zufällig war dann Raphael Preuschl bei ihm. Nach einer Kennenlern-Session dachte er sich: „Wow, das wärs. Zu dritt mit Raphael“. Dann hat er mich gefragt: „Harry, hast du morgen und übermorgen Zeit?“. Für was? Als er dann meinte, wir nehmen die Platte auf, dachte ich, er spinnt! Aber wir es durchgezogen. Wie bei den früheren Alben war die Bedingung, dass alles live aufgenommen wird. Dabei brauchten wir maximal drei Takes. Für mich war das unglaublich spannend, ich bin ja nicht so professionell wie die anderen. Bei der Vorstellung im Alten Kino kam Figini zurück in die Gruppe. Raphael hat zwar gerne mit uns gespielt, aber er war dann auf einer großen Tournee mit David Helbock. Unsicher, ob er immer wieder bei uns dabei sein kann, haben wir Sandra Merk aus Zürich ins Boot geholt. In der Schweizer Musikszene ist sie als solide Bassistin bekannt. Dabei hat sie einen wunderbaren Beat, Wärme und ist mit Alfred immer auf dem Punkt.
Harry Marte spielt am Freitag ab 20.30 Uhr im Spielboden, Dornbirn.