Schicht für Schicht: Stoff und Struktur zur Schau

Im Künstlerhaus Bregenz eröffnen heute die Ausstellungen „beyond the surface“ und „Textile Positionen“.
Von der Natur inspirierte Studien zum Wesen der Oberfläche zeigt „beyond the surface“. Arbeiten aus der Klasse Textildesign der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart stehen hingegen im Mittelpunkt von „Textile Positionen“.
Die zwei Ausstellungen werden heute Abend um 19 Uhr im Künstlerhaus Bregenz eröffnet. Bis zum 27. April bieten sie die Möglichkeit zur ästhetischen Meditation über Umwelt, Gesellschaft und Verbundenheit.

Haarpracht und Wollschafe
Fäden, die sich zu einem Stoff vereinen, versinnbildlichen die Schau der Studierenden. Diese findet jährlich mit wechselnden Partnern im Künstlerhaus statt und zeigt heuer die Abschlussarbeiten von Antonia Gauß, Lucy Ann Guth, Felicitas Pfister, Meike Schmitz, Ellen Wulf und Natalie Zielke, ergänzt durch ein Gemeinschaftswerk der Klasse.
Bei letzterem handelt es sich um eine verspielte Collage aus diversen Techniken der Stoffverarbeitung. Die bewusst unvollendete Textil-Skulptur soll dem Motiv des Schwebenden Ausdruck verleihen.
Gauß hingegen zeigt mit „Kopf + Kult“ das Resultat intensiver Recherche zur Schmückung menschlicher Oberhäupter. Aus dieser Forschung zu Tragegewohnheiten, Herstellungsmethoden und Material entstanden sieben Kopfbedeckungen, die wiedergeben, wie aus einer zweidimensionalen Fläche dreidimensionale Objekte entstehen. Mit ihrem Versuch, an die Grenzen der klassischen Technik zu gehen, dürfte Gauß einen Beitrag liefern, der speziell für Kenner der einst dominanten Stickereiindustrie von großem Interesse sein könnte.
Ausgehend von der in ihrer Familie gepflegten Tradition des Quiltens zeigt Guth fünf Arbeiten, die über ihren Ursprung hinausweisen. Separat veranschaulichen sie die grundlegenden Schritte der Technik: Verbinden, Erneuern, Schichten, Füllen und Formen. Forschung und Erbe zugleich würdigen die Werke der Tradition und suchen gleichzeitig nach neuen Möglichkeiten der Gestaltung.
Die fünf Objekte von „Berty, Familiy & Friends“ schuf Schmitz aus der Wolle von 12 Schafen, die sich im Besitz ihrer Familie befinden. Dabei wirft die Materialität der Objekte ein metaphorisches Licht auf die Besonderheit der Tiere, deren Wolle lokal kaum noch genutzt wird.

Auf eine „persönliche und biografische Reise durch die verschwimmenden Grenzen von Kunst und Textildesign“ führt Pfister mit „Symbiose“. Diese besteht aus Zeichnungen und Textilarbeiten, die gemeinsam zur Meditation über Körperlichkeit und Materialität einladen.
Muscheln finden abstrahierte Form in Gewebe, Druck und Stickerei bei „Shells & Textiles“ von Wulf. Dabei verzichtet die Künstlerin auf konkrete Darstellungen. Vielmehr verleiht sie assoziierte Eigenschaften der Weichtier haptische Qualität.
Haarig im besten Sinne ist „Bald Mensch, bald Tier“ von Natalie Zielke. Inspiriert durch Körperteilen, die gleichermaßen lebendig und unlebendig erscheinen, schuf sie ein Werk archaischer Verspieltheit.
Wasser, Wurzel, Blickwinkel
Jenseits des Kellers präsentieren Aurel Dahlgrün, Lena Kaapke, Veera Komulainen und Veronika Suschnig ihre Werke in der Gemeinschaftsausstellung „beyond the surface“. Mit unterschiedlichsten Materialien und Methoden geschaffen, ziehen sich die Themen Natur und Struktur wie ein roter Faden durch die Schau.

Tiefgründig und erhaben sind dabei die Fotografien von Aurel Dahlgrün. In Vogel- und Fischperspektive gehalten, zeigen diese Wasseroberflächen aus grundverschiedenen Blickwinkeln. Ergänzend zeigt der Düsseldorfer neue großformatige Arbeiten aus Papier, die er zuvor durch ein Wasserbad mit Farbe gezogen hat.

Das Thema Wasser setzt sich mit der Kielerin Lena Kaapke fort. In ihrem aus jeweils 194 Krügen und Trinkgefäßen bestehendem Werk „Wasser zum Trinken“ ist jedes Paar einem Nationalstaat gewidmet. Wasserstandslinien informieren dabei, wie viel Prozent der Bewohner Zugang zu Trinkwasser haben. Gleichzeitig vermittelt die Größe der Keramik-Objekte, wie groß der Bedarf nach Trinkwasser aller Bewohner des jeweiligen Landes ist. Ihre Skulptur „Growing Absence“ verleiht hingegen der Abwesenheit Form.

Von der Natur im inneren Sinne handeln die Werke von Veronika Suschnig. Denn ausgehend von einer Beschäftigung mit Themen wie Gesundheit, Krankheit und Körpererfahrung, schuf sie Drucke, Malereien und Installationen, die den suchenden Blick der Betrachter auf diese zurückwirft. Neben ihren Körperstudien ist die Wienerin mit einer Arbeit aus Medikamentenverpackungen vertreten.

Mit dem Motiv der Wurzel verdeutlicht die gebürtige Finnin Veera Komulainen die Suche nach einem Zuhause, begriffen als Ort, „wo man sich am meisten sich-selbst fühlt“. Diese Sehnsucht verdeutlicht die in Radstadt lebende Künstlerin mit Textilarbeiten und Glasobjekten, die märchenhaft verspielt und gleichzeitig ernst sind.
Bei der Vernissage bietet sich die Gelegenheit, mit den Künstlern ins Wort zu treten. Denn alle Beteiligten haben ihre Anwesenheit zugesichert.