Kultur

Kunst oder Reklame? Bregenzer Flaggen-Affäre mündet in kostenlosem Kebab

26.03.2025 • 21:29 Uhr
Kunst oder Reklame? Bregenzer Flaggen-Affäre mündet in kostenlosem Kebab
Wirt Serkan Balcik mit den Künstlern Ronald Rigo (l.) und Domingo Mattle. Sie halten die Flagge “The Peoples Ad” hoch.
Hartinger

Von der Flagge zum Fladenbrot – wie ein künstlerischer Affront in Bregenz zu einem Happening führt.

Wie eine strittige Entscheidung der Stadtverwaltung zu gratis Kebab führt, kann diesen Freitag in Bregenz beobachtet werden. Denn ab 17 Uhr laden die Künstler Domingo Geronimo Mattle und Ronald Rigo zum „letzten Abendmahl“ in das Imbiss-Lokal Premium Döner. „Mit und ohne scharf, solange Brot und Geld reichen“, wirbt Mattle für das Happening mit verschmitztem Ernst.

Wer entscheidet was Kunst ist?

Es ist das Resultat einer Kontroverse, in deren Mittelpunkt die Frage steht, was Kunst ist und wer das zu entscheiden hat. Denn wenige Wochen vor der Kunstmesse Stage beauftragte das Stadtmarketing Bregenz die Künstler Alexander Stark, Selina Reiterer und Domingo Mattle, Flaggen zu gestalten. Diese sollten während der Messe die Bregenzer Innenstadt schmücken. Dazu kam es auch, mit einer Ausnahme. Denn Mattles Flagge wurde zwar produziert und von der Stadt bezahlt, aber nie aufgehängt. Grund seien „Auffassungsunterschiede“, gesteht der Geschäftsführer des Stadtmarketing Bregenz Robert S. Salant.

Flaggen Stage
Der sichtlich anders gehaltene Entwurf von Selina Reiterer. Reiterer

Denn während Reiterer etwa formal-ästhetische Motive, ergänzt durch den Slogan „Art is a guaranty of sanity“ (Englisch für „Kunst ist eine Garantie für geistige Gesundheit“) beisteuerte, entschied sich Mattle für einen plakativeren Entwurf. Das von ihm eingereichte Design ist eine Ode an das Imbisslokal Premium im Vorkloster, samt Dönerspieß und Wirt Serkan Balcik, der unermüdlich sechs Tage die Woche von 10 bis 22 Uhr für Speis und Trank sorgt.

Kunst und Kommerz

Sein Versuch, im hoch-kulturellen Kontext der Messe auf die Leistung des Wirts für die Gemeinschaft aufmerksam zu machen und dabei gleichzeitig die kommerziellen Verstrickungen der Kunstwelt zu persiflieren, stieß bei den Auftraggebern auf große Skepsis. Dabei informierte er sich anfangs explizit, ob die Arbeit eines freien Künstlers oder eines zweckorientierten Designers erwünscht ist.

Kunst oder Reklame? Bregenzer Flaggen-Affäre mündet in kostenlosem Kebab
“Der Raum wird nicht derselbe sein. Dabei zeigen wir nicht nur die Flagge, sondern auch andere Kunst. Zusätzlich gibt es Musik, da kann man sich auf eine Überraschung gefasst machen.“ – Domingo Mattle.

Besonders der Umstand, dass die Öffnungszeiten und Telefonnummer des Lokals auf der Flagge stehen, dürfte zu diesem Umstand geführt haben. Denn obwohl diese, in kleiner Schrift gehalten, nur schwer erkennbar sind, entschieden die Abteilungen für Recht und Stadtentwicklung, dass es sich nicht um ein Kunstwerk, sondern um Reklame handelt. Rechtlich befürchtete man eine potenzielle Diskriminierung anderer Werbetreibender. Gleichzeitig bedinge der Schutz des Ortsbildes, dass Fahnen nur für ausgewählte Veranstaltungen wie die Festspiele oder Stage aufgehängt werden dürfen.

Absage statt Aufhängung

Laut Mattle versetzte seine Einsendung die Abteilungen von Anfang an in Unruhe. Diese sei in einer Krisensitzung gemündet, aus der zunächst eine Zusage resultierte. Salant dagegen betont, dass die Stadt ihn schon zu Beginn bat, den Entwurf generischer zu gestalten. Unabhängig der Auffassungen ist gesichert, dass zehn Stück der Flaggen produziert wurden, wobei der Künstler am Montag vor der Messe-Eröffnung erfuhr, dass seine Motive nicht aufgehängt werden. Mattle wurde trotzdem von der Stadt für seine Arbeit bezahlt. Dabei hielt sie sich an die für künstlerische Leistungen fällige Umsatzsteuer von 13 Prozent. Zusätzlich wurden ihm diesen Montag die Flaggen übergeben.
Der Künstler hielt dennoch unbeirrt an seiner ursprünglichen Inspiration fest, nicht zuletzt, da ihn der Gegenwind zu neuen Aktionen anfeuerte. So verteilte er am Tag der Messe-Eröffnung 90 Döner mit der Aufschrift „Das letzte Abendmahl“ an die Besucher. Sie gaben einen sprichwörtlichen Vorgeschmack auf das, was diesen Freitag im Premium Döner ansteht. Dieser Termin sei zwar schon seit Längerem ge­plant, aber nicht in diesem Ausmaß, berichtet der Bregenzer.

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Balcik (l.) kennt Rigo (r.) und Mattle seit gut zehn Jahren. Hartinger

Künstlercafé

„Wir verwandeln das Lokal zum ‚Caffè degli artis­ti‘ (italienisch für Künstlercafé). Der Raum wird nicht derselbe sein. Dabei zeigen wir nicht nur die Flagge, sondern auch andere Kunst. Zusätzlich gibt es Musik, da kann man sich auf eine Überraschung gefasst machen“, schwärmt Mattle. Finanziert wird die Aktion samt kostenlosem Essen durch die Einnahme aus den Flaggen. Zur Seite steht ihm dabei sein Künstler-Kollege Ronald Rigo. Die beiden kennen den Wirt seit über zehn Jahren, fast so lange wie dieser das Lokal in der Rheinstraße mit seiner Familie betreibt.

„Das letzte Abendmahl“ findet diesen Freitag, ab 17 Uhr im Imbiss-Lokal Premium Döner in der Bregenzer Rheinstraße 29 statt.

Stimmen zur Causa:

„Das Stadtmarketing hat drei heimische Kunstschaffende eingeladen, unter dem Motto „Stage on Air“ Flaggen zu gestalten, die für die Messe produziert werden. Bei aller Kunstfreiheit, unserer Ansicht nach hatte der Entwurf von Dominik Mattle keinen Bezug zur „Stage“, zumal diese Flagge samt Telefonnummer auch als Werbung für den Dönerstand in Vorkloster interpretiert werden kann. So hat das auch die Rechtsabteilung der Stadt bewertet, worauf wir davon abgesehen haben, das Werk aufzuhängen.“ – Michael Rauth, Kulturstadtrat

„Das Projekt ist nicht ideal gelaufen. Mehr Kompromissbereitschaft von allen Seiten wäre gut gewesen. Wenn niemand seine Position verändern möchte, ist das schlecht, denn dann verhärten sie sich. Der Kontext ist aber relevant. Andy Warhol hat seine Campbell Soup in einem Museum ausgestellt. In diesem Rahmen ist die Arbeit klar als Kunst erkennbar. Es ist schade, aber wir haben viel dabei gelernt.“ – Robert S. Salant, Geschäftsführer des Stadtmarketing