Sie war klar, wach und klug

Am 4. April ist Anna Brus nach langer Krankheit in Graz verstorben. Sie war Feministin, Zeitzeugin, Mitstreiterin – und eine, die sich ihren Respekt nicht erkämpfen musste, sondern ihn ganz selbstverständlich bekam.
Von Thomas D. Trummer
Anna Brus ist mir als kluge, wache Frau in Erinnerung – mit süffisantem Humor und einem eigenen Blick auf die Welt. Klar in der Ansage, wenn es sein musste. Mutig, wenn es darauf ankam.
Als ihr Mann Günter Brus wegen der „Uni-Ferkeleien“ in U-Haft saß, stellte sie sich schützend vor ihn. Nach der Flucht nach Berlin war sie es, die mit ihrer Arbeit als Modemacherin die Familie über Wasser hielt. „Ich habe ihn immer aufgefangen“, sagte sie einmal lakonisch.
Geboren 1943 im kroatischen Viškovci, war Anna Brus seit den 1960er-Jahren Teil der Wiener Avantgarde – oft im Hintergrund, aber immer unverzichtbar. Sie war Modell, Mitstreiterin, Kritikerin – aber nie Künstlerin in eigener Sache. Sie organisierte, unterstützte, machte mit – und hielt die Dinge zusammen.
2023 rückte eine große Ausstellung im Grazer Bruseum endlich ihren Anteil an dieser Kunstgeschichte ins Blickfeld. Dort erzählte Anna Brus von ihren Erfahrungen: von der Nervosität vor der Kamera, der Angst um ihren Mann, vom Alltag zwischen Provokation und Kindererziehung. Ein seltener, weiblicher Blick auf eine männlich erzählte Epoche.
Am 4. April ist Anna Brus nach langer Krankheit in Graz verstorben. Sie war Feministin, Zeitzeugin, Mitstreiterin – und eine, die sich ihren Respekt nicht erkämpfen musste, sondern ihn ganz selbstverständlich bekam. Weil sie war, wie sie war: klar, wach, klug.
Thomas D. Trummer ist Direktor des Kunsthaus Bregenz.