Burn-out als Vorarlberger Brauchtum

„ReThinking.Traditions“ bringt performative Reflexionen über Heimat und Überforderung nach Bregenz.
Performativ nähern sich sechs Kulturschaffende aus Südtirol und Vorarlberg dem Begriff der Tradition, wenn diesen Samstag und Sonntag „ReThinking.Traditions“ in Bregenz zelebriert wird.
Der Kulturaustausch ist das Resultat einer fortlaufenden Zusammenarbeit zwischen dem Meraner Hannes Egger und der Bregenzerin Bella Angora. Ausgangspunkt ihrer gemeinsamen Kuratierung ist die Frage, wie man in der heutigen Gesellschaft mit Bräuchen umgehen soll. Klar vom gemeinschaftsbildenden Wert des Tradierten überzeugt, sieht Egger die vermeintlich uralten Rituale im Spannungsverhältnis zwischen kommerziellem Kitsch, Romantisierung und gesellschaftlichem Ausschluss. Dabei eignet sich laut Angora das Genre der Performance gut, um ein individuelles Herantasten an die Möglichkeiten gemeinschaftlicher Rituale darzubieten. Die darstellenden Künstler beschränken sich in ihrer Motivwahl nicht auf Feierlichkeiten des Jahreskreises. Vielmehr bieten sie einen kritischen Blick auf Praxen des Alltags.
Überarbeitung überarbeiten
„ReThinking.Traditions“ wird am Samstag um 18 Uhr im großen Veranstaltungssaal des Vorarlberg Museum eröffnet, wo im Anschluss um 18.30 Uhr Sopie Lazari „Resurecctionem Tarantula“ aufführt.

Eine halbe Stunde später folgt die Bludenzer Künstlerin Christine Lederer mit der eigens für das Format entwickelten Performance „Lo spettacolo contemplativo / Nichts tun als optionales Spektakel“. „Ich habe mich mit dem Nichtstun beschäftigt, auch philosophisch und ausprobiert, ob es für mich möglich ist“, lässt Lederer wissen. Eine mit Sehnsucht verbundene Form der Existenz, die der alleinerziehenden Mutter und selbstständigen Grafikerin selten zuteilwurde. Über ihr eigenes Leben hinausgehend, sieht sie in Vorarlberg ein Land, in dem bis ins Burn-out führende Überarbeitung Tradition hat. Wie die Hexe auf dem Funken sei auch das permanente Gestresst-Sein nicht mehr zeitgemäß. Während die Künstlerin nicht verraten möchte, was die Zusehenden genau erwarten wird, lässt sie durchblicken, dass es bunt und feierlich wird.

Abgeschlossen wird der Abend im kleinen Saal der Box des Landestheaters. Unter dem Titel „Sewing trumpet – visual audio tracks“ werden dort Bianca Lugmayr und Alex Kranabetter ab 20.30 Uhr zeigen, was sie mit Nähmaschine und Trompete vorhaben.
Verbesserungsgesellschaft ohne Rast und Ziel
Um 14.30 Uhr geht es am Sonntag weiter an der Molo bei den Seeanlagen. Die Schauspielerin Vivienne Causemann setzt unter umgekehrten Vorzeiten das Motiv Lederers fort. Ihre Darbietung trägt den Namen „Working Hours“. Dabei hat sie sich „mit dem Thema Arbeit beschäftigt und wie sie unsere Gesellschaft belastet, sich in unseren Körper einprägt.“ Ein Umstand, der in den Augen der Künstlerin widerspiegelt, dass wir in einer Verbesserungsgesellschaft ohne Ankommen und Abschluss leben.

In vier Akten und Persönlichkeiten gegliedert, handelt die Performance von Depression, Verlangsamung, dem „es allen recht machen wollen“ und der Demenz.

Anschließend lädt Barbara Gamper um 16 Uhr zum Workshop „Atemmuster“ ins Vorarlberg Museum. Aufgrund begrenzter Plätze ist dieser Anmeldepflichtig. Den Abschluss markiert der Südtiroler Matthias Schönweger mit seiner Aufführung von „Heimat-Töne“, die ab 18 Uhr durch das Café des Landestheaters schallen wird.