Michael Köhlmeier: „Wir sind fast aus den Satteln gefallen“

Heuer widmen der Autor Michael Köhlmeier und das Orchester Camerata Musica Reno mit Dirigent Tobias Grabher ihre mit Erzählungen begleitete Oster-Konzertreihe dem Autor William Shakespeare und von ihm inspirierten Komponisten.
“Wir sind fast aus den Satteln gefallen”, lacht Michael Köhlmeier (geb. 1949), als er sich an seine erste Begegnung Tobias Grabher (geb. 1997) zurückerinnert. Alleine auf weiter Flur seien sie sich im August 2022 am Alten Rhein entgegen geradelt. Und obwohl Hubert Dragaschnig vom Bregenzer Theater Kosmos den Autor bereits “vorgewarnt” habe, dass der junge Dirigent ihn für sein Vorhaben, Wagner in Vorarlberg aufzuführen, kontaktieren werde, konnte niemand ahnen, was für einen fruchtbaren Nachhall ihr Treffen hervorbringen wird.

Wer sich davon überzeugen möchte, hat von Samstag bis Sonntag die Chance dazu. Denn laden Köhlmeier und das Orchester Camerata Musica Reno samt Dirigent Grabher zu ihrer bereits dritten Oster-Konzertreihe in das Theater Kosmos. Während erst Wagner, dann das Thema Filmmusik auf dem Programm standen, widmet es sich heuer William Shakespeare.

“Kaum ein zweiter Schriftsteller der nachantiken Zeit hat die Künste so beeinflusst wie er. Auch im Korpus meines Wissens nimmt er einen großen Platz ein. Daher ist es natürlich kein Problem, Musik für Shakespeare zu finden”, schwärmt der Hohenemser Literat. Es ist dennoch erstaunlich, dass es dem Duo bereits nach 15 Minuten Gespräch im Wiener Café Sperl gelang, das Programm festzulegen. Weitaus aufwendiger gestaltet sich die Umsetzung.

Denn obwohl die jungen Musiker des 2021 gegründeten Orchesters allesamt aus der Rheintalregion stammen, müssen sie für die Proben teils weite Distanzen überwinden. Mit der Musikauswahl sind sie seit Spätherbst vertraut. Für die spärliche Zeit von insgesamt 18 Stunden Probe müssen sie dabei eigens von Mailand, München, Salzburg, Wien oder Zürich nach Vorarlberg reisen. “Wie ein Profiorchester treffen wir uns zu vier Orchester-, einer Haupt- und einer Generalprobe”, berichtet der Dirigent mit aufrechtem Stolz.

Preisgekrönte Konzertmeisterin
Mit Yurika Shima (geb. 1998) steht dem Orchester eine preisgekrönte Violinistin vor. An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) bei Vahid Khadem-Missagh und Stefan Kamilarov ausgebildet, absolviert sie zurzeit ihr Probejahr als Stimmführerin der zweiten Violinen an der Volksoper Wien. Bereits 2008 gewann Shima den ersten Preis bei der Astana-Merey International Competition. Zwischen 2010 und 2016 folgten sage und schreibe drei 1. Preise beim Bundeswettbewerb prima la musica.

Grabher hingegen wird sein Dirigierstudium an derselben Universität planmäßig im Juni abschließen. Ihm kommt dabei die Ehre zu, sein Diplomkonzert mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien im Wiener Musikverein darbieten zu dürfen. Gleichzeitig fungiert der gebürtige Altacher seit 2022 als Chorleiter des Konzertchors Niederösterreich.

Der Sturm des Anfangs
Die morgen beginnende Konzertreihe wird mit Beethovens Ouvertüre zu “Coriolan” eröffnet. 1807 erstmals als Teil von Heinrich Joseph von Collins Trauerspiel aufgeführt, setzt es Gefühle stürmischer Zerrissenheit an den Anfang des Abends. Folgend leiht Köhlmeier der geistreichen Geschichte Hamlets sein Wort.
Zarte Elfenflöten
Dann wagen sie den großen Sprung vom dänischen Königshof zu “Ein Sommernachtstraum” von Felix Mendelssohn Bartholdy. 1826 vom gerade mal 17-Jährigen komponiert, führt es Hörenden den Nektar einer holden Märchenwelt vor Ohren. Auf zarte Elfenflöten und schelmische Streiche folgt eine Pause.

Farbgewaltiges Klanggewitter
Sie ist die Ruhe vor dem Sturm, der mit Auszügen von Giuseppe Verdis “Macbeth” durch die Herzen fegt. Es verspricht ein farbgewaltiges Klangewitter über Macht, Verrat und Wahnsinn zu werden. Grabher beschreibt es als “beinahe psychodelisch, mit einem Gemetzel unter der Oberfläche.”
“Dann dreht er durch”
Schlüssig düster folgt der Autor mit “König Lear”. “Der alte König versucht sein ganzes Leben, den Staat im Griff zu haben und als leidenschaftlicher Mensch sein Gemüt zu zügeln. Dabei macht es ihn irre, dass seine Töchter ihm sagen müssen, wie sehr sie ihn lieben. Zwei schmeicheln ihm. Nur Cordelia widert es an. Sie liebt ihn, sagt es aber nur so sehr, wie es ihre Pflicht ist. Dann dreht er durch”, verrät der Erzähler über die Geschichte, die ihn von allen Werken Shakespeares am meisten bewegt.

“Bertram ist die hohle Nuss schlechthin”
Hinter der anschließenden Geschichte “Ende gut, alles gut” sieht er die demokratische Frage: “Hat eine dumme Nuss das Recht, eine dumme Nuss zu sein?” Vom klaren Ja überzeugt, setzt der Autor mit vermitztem Grinsen fort: “Bertram ist die hohle Nuss schlechthin und Helenas Objekt der Begierde. Sie hat ein logisches System mit Beweisen, warum er sie lieben muss. Er tut es trotzdem nicht.”
Humorvoller Ausklang
Abgeschlossen wird der Abend mit Otto Nicolais Ouvertüre zu “Die lustigen Weiber von Windsor”. 1849, nur wenige Wochen vor dem Tod des Mitbegründers der Wiener Philharmoniker, uraufgeführt, verspricht sie einen humorvollen Ausklang.
Michael Köhlmeier und das Orchester Camerata Musica Reno laden jeden Abend vom 19. bis zum 21. April jeweils ab 19.30 Uhr in das Theater Kosmos nach Bregenz zu “The rest is silence – Shakespeare und die Musik | Orchesterkonzert mit Erzählung”.