Ein Tanz am Abgrund, mit Liebe zum Detail

Ein Abend voller Klangfarben und dichter Atmosphäre im Theater Kosmos – eindrucksvoll umgesetzt.
Bereits zum dritten Mal gestalteten Dirigent Tobias Grabher mit seiner Camerata Musica Reno und Erzähler Michael Köhlmeier über die Ostertage eine Konzertreihe im Theater Kosmos: Nach den „Nibelungen“ und einem Ritt durch die Film(musik)geschichte stand heuer William Shakespeare im Mittelpunkt, der Dramatiker, der so viele Komponisten zu Liedern und Opern inspiriert hat.
Junge Musiker auf dem Weg in die Profikarriere
Wieder erwies sich das junge Orchester, dessen Mitglieder auf dem Weg in die Profikarriere sind, studieren oder bereits wie die Konzertmeisterin Yurika Shima Erfahrungen in großen Orchestern sammeln, als enorm motiviert und wandlungsfähig. Nach einer intensiven Probenwoche hatte Tobias Grabher, der ebenfalls im Juni sein Dirigierstudium abschließen wird, auf die Werke von Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy, Verdi und Nicolai eingeschworen. Nur in kurzen Überleitungen waren Wort und Musik verbunden, Köhlmeier konzentrierte sich in seiner unvergleichlichen Erzählkunst auf Shakespeares „Hamlet“ und „King Lear“, die in eine ganz andere Welt der Familienfehden und Intrigen hineinzogen.

Scharfe Spannungsklänge
Beethovens Coriolan-Ouvertüre bezieht sich auf das Schauspiel von Heinrich Joseph von Collin, dieses wiederum auf eines der drei Römerdramen Shakespeares. Mit scharfen Spannungsklängen und Punktierungen arbeitet Tobias Grabher die gezackten Figuren der Beethoven-Partitur heraus, formt mit den Bläsern schöne Linien (hervorgehoben sei die „Hoffnungsstimme“ der 1. Oboe) und zeigt schon hier seine klare Handschrift.

Fein wispernde Streicherfiguren
Die spritzige und farbenreiche Musik des 17-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy kommt den jungen Musikerinnen und Musikern der Camerata Musica Reno besonders entgegen, mit fein wispernden Streicherfiguren und pointierten Bläsern (etwa für das i-a des Eselsgeschreis oder das derbe Auftreten der Handwerker) macht Grabher in der genialen Ouvertüre und in den später komponierten Sätzen die besonderen Stimmungen des „Sommernachtstraums“ lebendig.

Schwelende Düsternis
Dunkel und unheilvoll ist die Stimmung, die Giuseppe Verdi im Vorspiel zu seiner frühen Oper „Macbeth“ erschafft, während sich im „Ballo“ des dritten Akts vermeintliche Leichtigkeit mit unterschwelliger Düsternis verbindet: Es ist ein Tanz am Abgrund, den Tobias Grabher hier mit Liebe zum Detail bis hin zum effektvollen Schluss zelebriert.
Frech und fein
Die Ouvertüre zu Otto Nicolais Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ zum Schluss des Programms nimmt die zauberische Waldstimmung der Romantik wieder auf und zeichnet auch den frech umtriebigen Charakter des John Falstaff in unterschiedlichen Farben und fein musizierten Motiven nach. Mit seinem Gespür für die wechselvollen Stimmungen der Musik und der Kunst, sie seinem Orchester zu vermitteln, hat der junge Musiker das Publikum wieder begeistert.

Köhlmeier ist unnachahmlich
Wie Michael Köhlmeier die großen Dramen „Hamlet“ und „King Lear“ zusammenfasst und auf seine ganz persönliche Weise präsentiert, ist geprägt von seiner reichen Erfahrung als Erzähler und Autor. In einem Halbsatz skizziert er ganze Handlungsstränge und Familienkonstellationen, er führt die Figuren ins Heute und hält uns so manchen Spiegel vor – großartig und unnachahmlich!
Katharina von Glasenapp