Klanggewalt und Feinsinn im Jubiläumsjahr

Die Schubertiade feiert 50. Geburtstag und lädt bis zum kommenden Sonntag junge „Debütanten“ ebenso wie arrivierte Ensembles und Publikumslieblinge in den Markus-Sittikus-Saal nach Hohenems.
Am Samstag feierte der Mittzwanziger Lukas Lemcke sein herzerfrischend sympathisches Schubertiade-Debüt an der Seite des Liedpianisten Helmut Deutsch, dessen jahrzehntelange Erfahrung dem jungen Bassisten Sicherheit gab und Flügel verlieh. Hervorgegangen aus dem Kreis der Regensburger Domspatzen, ausgebildet in Wien und bereits im jugendlichen Alter von 22 Jahren mit der Gottlob-Frick-Medaille ausgezeichnet, ist Lukas Lemcke schon im Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München daheim.

Jugendliche Helligkeit
Bei allem Bassfundament, das Lemcke manchmal sonor und warm timbriert aufzeigen darf, verfügt der junge Bass auch über eine leichte und bewegliche Höhe, beste Sprachverständlichkeit und ausgewogene Vokalfarben. Es mag an der (verständlichen) Nervosität anlässlich des Debüts bei diesem Festival liegen, dass Lukas Lemcke recht viel mit Gesten und unruhigem Oberkörper arbeitet – wenn er sich in den ruhigeren Liedern besser zentriert („Der Wanderer“, „Grenzen der Menschheit“ oder in den Michelangelo-Liedern von Hugo Wolf), wirkt sich das gleich positiv aus. Das anspruchsvolle Schubert-Programm im ersten Teil meistert Lemcke flexibel, mit jugendlicher Helligkeit einerseits und philosophischer Ernsthaftigkeit andererseits, Humor darf aufblitzen und Helmut Deutsch ist der unerschütterliche Fels in der Brandung. In den Michelangelo-Vertonungen von Hugo Wolf klingen die Akkorde wie gemeißelt, im zweiten Lied spürt man die Gebrochenheit, im dritten die herzzerreißende Verzweiflung.

Gespenstisches Treiben
Mit den großen Balladen von Carl Loewe zeichnet Lemcke die gespenstischen Alpträume im „Erlkönig“ und die Autorität des nordischen Gottes Odin nach. „Nächtliche Heerschau“, obwohl bereits 1832 komponiert, hat fast schon Nähe zu Gustav Mahler in seinem gespenstischen Treiben, und „Der heilige Franziskus“ und „Der Feind“ sind voller Ironie und Wortwitz. Wie fein Lemcke dazu mit Sprache und Stimme zu spielen weiß, zeigte sich in zwei weiteren Loewe-Zugaben „Prinz Eugen“ und „Hinkende Jamben“.
Risikofreudig
Ein weiteres begeisterndes Debüt gab es am Sonntag mit dem aus München stammenden „Goldmund“-Quartett, das bereits seit über 15 Jahren besteht und sich in der reich bestückten Gruppe junger Streichquartette bestens behauptet. Bereits im einzelnstehenden c-Moll-Quartettsatz von Schubert zeigten die Musiker die brennende Unbedingtheit ihres Spiels, das risikofreudig, aber dabei fein abgestimmt, organisch und von starker Dynamik geprägt ist.

Persönliches Miteinander
Im Es-Dur-Quartett des 16-jährigen Schubert holten sie das Frage- und Antwortspiel hervor, betonten die abspringenden Figuren im Scherzo und die innige Wärme im langsamen Satz. Auch dieses Jugendwerk hat symphonische Kraft und spannende Modulationen, die das Goldmund Quartett mit großer Ernsthaftigkeit verwirklichte. „Der Tod und das Mädchen“, ein Zentralwerk dieses Festivals und der Musikgeschichte, so zu interpretieren, dass manches in neuem Licht erscheint, ist schon eine Kunst. Die „Goldmunds“ erzeugten ein brausend hellwaches und sehr persönliches Miteinander, dessen Intensität sich über alle vier Sätze erstreckte, in den Variationen stets neu gefasst wurde und mit seiner orchestralen Wucht für Begeisterungsstürme sorgte!

Katharina von Glasenapp