Diese Orgel findet ihren Meister

Beim Bregenzer Meisterkonzert am vergangenen Freitag stand die Orgel im Fokus. Aus diesem Grund fand das Abschlusskonzert der heurigen Abonnement-Reihe unter dem Motto „Klangbilder“ in der Pfarrkirche Herz Jesu statt, wo sich die zweitgrößte Orgel des Landes befindet.
Martin Haselböck ist als umtriebiger Organist, Dirigent und künstlerischer Leiter des Kirch’Klang-Festivals längst eine feste Größe im österreichischen Musikleben. In seinem Wirken als Organist wurde er mit vielen Preisen und Ehrungen bedacht, mit seiner „Wiener Akademie“ setzte er Maßstäbe für die originalgetreue Aufführung alter Musik, und durch sein Wirken als Professor an der Wiener Musikuniversität hat er Generationen junger Organisten maßgeblich geprägt. Umso erfreulicher ist es, dass er für das Abschlusskonzert der Bregenzer Meisterkonzerte auf der großen Behmann-Orgel in Herz Jesu gewonnen werden konnte.

Liszt bearbeitet Bach
Weil sie mit ihren 61 Registern am symphonischen Klangbild der Spätromantik orientiert ist, stimmte Haselböck sein Konzertprogramm ganz auf die Möglichkeiten dieser einzigartigen Orgel ab. Er wählte zunächst Bearbeitungen Bach’scher Musik, die der Klavier- und Orgelvirtuose Franz Liszt gut 100 Jahre nach Bachs Tod zusammengestellt hatte. Aus Motiven der Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ schuf Liszt ein tänzerisches Klangstück aus hellen Registern, mit der er dem verehrten Meister Reverenz erweisen wollte. Auch die nächste Bearbeitung Bach’scher Musik, „aus tiefer Not schrei ich zu dir,“ brachte – nach einem kleinen Fehler beim Wechseln der Register (ein lautes Prinzipal wurde noch schnell weggeschalten; …kann vorkommen!) – diese Bearbeitung also brachte über einem ornamentalen Band aus staubig-düsteren Flöten- und Streicherregistern einen leuchtenden Cantus firmus zum Klingen, getragen von einem bezaubernd schönen Aliquot, gehüllt in einen zarten Flöten-Mantel. Und so sang die Orgel auf eine Art wie bei Bach selber, nobel, großbogig und erhaben.

Bach-Tonspiel
Mit dem Präludium und der Fuge über „B-A-C-H“ stellte Liszt nun ein eigenes Werk neben die Musik des Thomaskantors. Überwältigend, raumgreifend, geprägt von polternden Pedalfiguren, denen dann schwindelerregend in die Höhe gerissene Türme aus gurgelnden Mixtur-Klängen im Manual folgten, war dieses Werk kühn gebaut und gut eingerichtet. Aber das Ohr ermüdete schließlich, weil die thematisch monoton bleibenden B-A-C-H – Motive einfach wenig Platz für neue Ideen zuließen. Die darauffolgende „Evocation à la Chapelle Sixtine,“ die mit einem Doppelpedalspiel aus murrenden 16‘-Registern eröffnet wurde, überraschte durch eine ungeheure Modernität und zeigte den ausgeprägten Instinkt des Abbé List für mystische Wirkungen, war er doch zeit seines Lebens ein beständiger Gottsucher. Allerdings fügte Liszt der freien Fantasie über dem berühmten Allegri-Miserere, das Mozart als 17-Jähriger in der Sixtina hörte, das er danach aus dem Gedächtnis niederschrieb und wofür er von Papst Clemens XIV zum „Ritter des goldenen Sporns“ geschlagen wurde, eine leider wenig inspirierte Dekomposition des „Ave verum corpus“ an, die sich mit den hintergründigen Ideen der „Miserere-Fantasie“ nicht recht verbinden ließ. Da halfen auch die vielen interessanten Register-Effekte, die Haselböck zur Rettung der Ave-verum-Plattitüden einsetzte, nicht viel. Das Stück geriet zur simplen Frömmelei und verdorben waren all die guten Ansätze. In den Variationen über Bach‘s „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ verwendete Liszt dann einen aus dem Werk entnommenen Lamento-Bass und ließ seine Einfälle um diese Ton-Vorlage kreisen, wie es die Barock-Meister in schönster Manier mit anderen Modellen, beispielsweise dem berühmten „la Folia-Motiv“ gemacht haben. Haselböck stellte auch hier die klanglichen Möglichkeiten der Orgel ins beste Licht und evozierte dadurch viele schöne Effekte.
Reger als guter Abschluss
Mit der Fantasie und Fuge über den Choral „wachet auf ruft uns die Stimme“ kam dann – nach sehr viel Liszt – mit Max Reger ein frischer Wind auf. Düstere Klangfarben, die im geschlossenen Schwellkasten der Orgel wie gefangen waren, wurden zweimal von einem Feuerstrahl durchbrochen und der Nebel lichtete sich. Dann begann der berühmte Weihnachts-Choral alles zu durchdringen, er kämpfte sich nach oben und ergoss sich wie ein Strahlenband aus goldenen Klängen des Trompeten-Registers über das graue ornamentale Maßwerk der zarten Flöten und schmalen Streicher. Eine leichtfüßige Fuge tanzte beschwingt über hastig dahinjagenden Pedalfiguren. Der apotheotische Cantus firmus schließlich, der von Max Reger geschickt aus dem Fugenthema herausgearbeitet worden war, trug die Musik in himmlische Höhen und bereitete dem andächtig lauschenden Publikum eine katharische Schlusswirkung – und Martin Haselböck einen großen Applaus.
Thomas Thurnher