Kultur

Grundverschieden und artverwandt

23.05.2025 • 09:53 Uhr
Ausstellung Fokus in der Galerie 9und20
Elena Schertler in ihrem Nürnberger Atelier. Schertler

Die Ausstellung „Fokus“ der Galerie 9und20 zeigt Arbeiten von Elena Schertler und Alexander Stark, die sich der Wahrnehmung aus völlig verschiedenen Blickwinkeln nähern.

Die erhellende Kraft aufeinander treffender Gegensätze zeigt die Ausstellung „Fokus“ der Bregenzer Galerie 9und20, mit Werken von Elena Schertler und Alexander Stark.

Rollen gegen den Ernst der Zeit

Im Mittelpunkt von Schertlers Schaffen stehen Individuen im gesellschaftlichen Gefüge. Von gierigen Raupen über bedrohlich kosende Vögel zeigen ihre durchwegs figurativ gehaltenen Werke verspielte Chiffren, die jenseits des freien Spiels der Assoziation einem zentralen Zweck dienen: „Mein Ziel ist, dass die erwachsenen Betrachter Teile ihrer Kindheit in die Gegenwart bringen können.“

Ausstellung Fokus in der Galerie 9und20
Schertler

Derzeit am Anfang ihres Kunststudiums, noch in Nürnberg, ab nächstem Semester in Amsterdam, ist die 21-jährige Bregenzerwälderin mit dem im Alter um sich greifenden Ernst wohl vertraut. So kontert sie ihn beim Malen mit Rollschuhen unter den Füßen, lässt das Spiel ganz physisch in ihre Haltung fließen.

Ausstellung Fokus in der Galerie 9und20
Schertler

Würde sich diese nicht ändern, wäre es fatal. Denn obwohl die gebürtige Hittisauerin in den letzten sechs Jahren an mehr als 25 Ausstellungen partizipierte und einen eigenen Stil entwickelte, befindet sie sich erst am Anfang ihrer kreativen Biografie.

Ausstellung Fokus in der Galerie 9und20
Schertler

Zentral in ihrem Werdegang war der Kunstwettbewerb „Young Art Generation“, in dessen Rahmen sie bereits 2021 im Kunstraum 9und20 ausgestellt hat: „Das gab mir einen unglaublichen Schub. Davor war Malen ein Hobby, jetzt steht schwarz auf weiß, dass ich Künstlerin bin.“

Fokus Galerie 9und20
Schertler

Jungen Kreativen, die selbst an einer Ausstellung teilnehmen möchten, rät Schertler: „Traut euch, unrealistische Gedankengänge zuzulassen. Wer den Boden unter den Füßen verliert, macht spannende Erfahrungen, aus denen Neues entstehen kann.“

Radikale Reduktion

Artverwandt und grundverschieden in Werk und Wirken ist Alexan­der Stark (38). Der gelernte Kfz-Mechaniker sprüht seit jungen Jahren Graffitis, arbeitete in der Filmbranche, Werbeagenturen und als Lichtdesigner für Georg Bechter Licht.

Fokus Galerie 9und20
Stark

An der Schau beteiligt er sich mit formalästhetischen Arbeiten von radikaler Reduktion. „Ich lege den Fokus weg vom Geist, von Geschichten, auf die reine Wahrnehmung des Menschen. Mir geht es um das direkte Fühlen, statt verkopftem Interpretieren.“ Beispielhaft ist ein von ihm geschliffenes Stück Metall, das je nach Standort des Betrachters Neues offenbart.

Fokus Galerie 9und20
Stark

Gleichzeitig fließen sinnliche Eindrücke von Infrastruktur in seinen kreativen Prozess. So wurde ein mit Spraydosen gemaltes Wellenmuster vom Schimmern inspiriert, das Metallstreben einer Brücke beim Vorbeifahren ins Auge werfen. Losgelöst vom konkreten Objekt, fasst Stark den Eindruck in neuer Form. Befreit ihn vom Gebrauchszweck, wodurch paradox-plausibel ein Blick auf die Natur der eigenen Sinnlichkeit möglich wird.

Fokus Galerie 9und20
Stark

So wie die Bregenzerwälderin bald in Amsterdam leben wird, zieht es den 38-Jährigen vorerst nach Wien. „Mich zieht es dorthin, wo es interessant ist. Wobei Vorarlberg für mich immer interessant ist. Denn hier gibt es großes Potenzial auf kleinem Raum.“

Umfassende Meditation. So auch in ihrer gemeinsamen Ausstellung. Während Stark dem Unmittelbaren, Schertler der Vermittlung, dem Verhältnis, auf der Spur ist, verschränken sich die Arbeiten in der Schau zu einer umfassenden Meditation über den Charakter von Wahrnehmung.

Die Ausstellung „Fokus“ kann noch bis zum 21. Juni in der Bregenzer Galerie 9und20 besucht werden.