Kultur

Ein sanfter Held und ein intensives Requiem

HEUTE • 11:10 Uhr
Bregenzer Meisterkonzerts – Orchestre des Champs-Élysées & Collegium Vocale Gent
Der flämische Dirigent Philippe Herreweghe beehrte mit dem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Elysées Bregenz.Mittelberger

Ein beziehungsreiches Programm und eine Entdeckung kennzeichnen den Konzertabend, den Philippe Herreweghe und seine beiden Ensembles im ersten Bregenzer Meisterkonzert ermöglichten.

Der flämische Dirigent ist mit seinem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Élysées auf Tournee und stellt Beethovens dritte Symphonie „Eroica“ dem Requiem von Luigi Cherubini gegenüber: Die Symphonie wollte Beethoven ja bekanntermaßen Napoleon widmen, zerriss das Deckblatt aber, als dieser sich zum Kaiser krönte. Cherubini, der gebürtige Italiener, der in London und Paris lebte, erhielt im Jahr 1816 den Auftrag für das Requiem in c-Moll, als des 23. Jahrestags der Hinrichtung von König Louis XVI. und Marie Antoinette gedacht wurde. Beethoven und Cherubini schätzten sich gegenseitig sehr, das Requiem wurde zu Beethovens Trauerfeier gespielt und Cherubini, der zehn Jahre vor Beethoven geboren wurde und ihn um 15 Jahre überlebte, setzte sich für die Verbreitung von dessen Werken in Frankreich ein.

Bregenzer Meisterkonzerts – Orchestre des Champs-Élysées & Collegium Vocale Gent
Dirigent und Orchester wirken als Einheit. Mittelberger

Trost und Licht

Philippe Herreweghe und sein 1991 gegründetes Orchester sind eine Einheit, der Dirigent kann sich auf wenige, fast minimalistische Zeichen beschränken, umso aktiver agiert der Konzertmeister. Der warme Klang, der durch die Originalinstrumente des Ensembles entsteht, und der fließende, tänzerische Duktus geben dem ersten Satz der Symphonie einen überraschend milden Charakter, der freilich immer mehr durch Spannungsklänge und plastische Akzente geschärft wird. Im raunenden Trauermarsch bringen die Holzbläser Trost und Licht, verdichtet sich das Geschehen in schmerzlichem Aufbäumen. Unaufgeregt, fast im Plauderton lässt Herreweghe das Scherzo musizieren, souverän meistern die Hornisten das heikle Trio. Auch im Finale bleibt die Interpretation relativ milde, die Variationen, die sich auf die Stretta hin verdichten, verströmen weniger den heldischen, erhabenen Glanz, den diese Symphonie in sich trägt. Trotzdem kommt Beethovens Intensität zur Wirkung.

Bregenzer Meisterkonzerts – Orchestre des Champs-Élysées & Collegium Vocale Gent
Mittelberger

Dunkler Klang

Mit dem dunklen Klang der tiefen Streicher und der Fagotte beginnt Cherubinis Requiem: Ohne Solisten, schlicht, eindringlich deklamierend, begeistert von Anfang an der so homogene Klang der 32 Sängerinnen und Sänger, die in dieser Besetzung des Collegium Vocale Gent vereint sind. Nach den flehenden Eingangssätzen markiert ein starker Gongschlag den „Tag des Zorns“ („Dies irae“), zischend skandierte Worte, jagende Dreiklänge, Bläserfanfaren spiegeln des Komponisten Vorstellung vom Jüngsten Gericht. Zwischen Mozart, Berlioz und Verdi hat Cherubinis Requiem eine ganz eigene Tonsprache, der Vergleich ist höchst interessant und es ist schade, dass dieses Werk so wenig im Repertoire verankert ist. Vielleicht ändert sich das ja dank Herreweghes Einsatz, das Requiem scheint für anspruchsvolle Chöre durchaus lohnend und machbar. Natürlich wartet es auch mit ausdrucksreicher Chromatik, die Seufzer und Trauer spiegelt, auf, markante Fugenthemen („quam olim Abrahae promisisti“), ein feierlich strahlendes „Sanctus“, ein inniges „Pie Jesu“ und ein in der Dynamik fein differenziertes „Agnus Dei“ mit schwebendem Schlussklang ziehen hinein in Cherubinis Totenmesse. Philippe Herreweghe, das Orchestre des Champs-Élysées und das Collegium Vocale Gent wurden vom Publikum begeistert gefeiert.

Katharina von Glasenapp