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„Man sollte das Wahl-Privileg unbedingt nutzen“

13.10.2024 • 08:00 Uhr
Erstwähler-Titel
Marie Hiebeler, Simon Laber, Simon Fenkart, Joah Antretter, Kiana Felder, Alexander Moosbrugger und Elanur Güner haben heute Premiere in der Wahlkabine.hartinger

Marie, Simon, Simon, Joah, Kiana, Alexander und Elanur wählen heute zum ersten Mal. Wie haben sie sich auf die Wahl vorbereitet? Was würden sie sich von der nächsten Regierung wünschen?

“Die Dinosaurier dachten damals sicher auch, sie hätten noch Zeit“, steht auf einem selbst gemalten Schild an der Wand vor dem Besprechungsraum. Der Unterricht am BG Lustenau ist in vollem Gange, nur sieben Schüler stehen gesammelt in einer Gruppe auf dem Gang vor dem Konferenzzimmer.

Es sind Alexander Moosbrugger, Simon Laber, Kiana Felder, Joah Antretter, Marie Hiebeler, Simon Fenkart und Elanur Güner. Sie alle wählen am Sonntag zum ersten Mal. Die aller erste Wahl und dann direkt eine Landtagswahl: Ein wichtiger Schritt ins Erwachsenendasein.

Schüler
Joah Antretter im Gespräch. hartinger

„Natürlich gehen wir wählen“, ist das kollektive Feedback der sieben Erstwähler und Erstwählerinnen. „Es ist das Interesse an der eigenen Zukunft. Man will ja mitentscheiden können, was in der Zukunft passieren sollte und was nicht“, so Alexander. „Ich gehe wählen, damit sich Sachen für uns verbessern. Damit unsere Interessen mehr Aufmerksamkeit bekommen“, sind sich Alexander Moosbrugger und Simon Fenkart einig. „Es geht auch darum, Parteien, die man nicht an der Macht haben möchte, zu verhindern“, pflichtet auch Marie ihnen bei. Es sind sich alle einig: Man sollte mitreden können, bei Themen, die einen interessieren.

Schüler
Marie Hiebeler wählt für ihre Zukunft. hartinger

Was stört

Welche Themen sind den erstwählenden Jugendlichen wichtig? Welche Themen würden sie sich in der Politik wünschen? „Für mich wurde das Thema Wirtschaft definitiv zu wenig angesprochen. Der Wirtschaftsplan der einzelnen Parteien hat mir gefehlt“, erzählt Joah.

Simon Laber hingegen ist anderer Meinung. „Mir persönlich hat nichts explizit gefehlt. Mich hat eher die Art, wie die einzelnen Parteien ihre Ziele umgesetzt haben, gestört. Das war bei einigen Parteien problematisch.“ Rein thematisch gefehlt hat ihm aber bisher am Programm der Parteien nichts. „Ich würde mir nur wünschen, dass die Parteien ihre Ziele anders umsetzen“, alle am Tisch nicken. Vor allem Elanur Güner pflichtet ihm bei.

„Unsere Gespräche sind überraschend objektiv, auch wenn wir verschiedene Meinungen haben.“

Alexander Moosbrugger, Schüler
Schüler
Alexander Moosbrugger liefert viele gute Argumente, warum jede Stimme wichtig ist.hartinger

Es muss sich etwas ändern

Natürlich beschäftigt gerade das Thema Schule und Schulsystem die jungen Menschen. Ob sich am österreichischen Schulsystem etwas ändern sollte? „Ja“, ist die klare Antwort der sieben Schüler und Schülerinnen. „Ich finde, es sollte sich nicht nur am Schulsystem selbst etwas ändern, sondern auch etwas mehr Geld in die Hand genommen werden, um die generelle Bildung zu fördern“, findet Alexander. Als Beispiel nennt er, dass am BG Lustenau noch immer Overhead Projektoren verwendet werden. Die Standards seien deutlich vernachlässigt, finden die jungen Menschen. „Das Schulsystem selbst ist nicht mehr zeitgerecht. Ich meine konkret, was man lernt und wie man Dinge lernt.“

Eine klare Ansage an Lehrer und Politik. „Wir sollten auch mehr an aktuelle Themen anknüpfen im Unterricht“, ergänzt Simon. Auch Kiana Felder meint zu diesem Thema: „Die Lehrer sagen immer, dass wir unbedingt wählen gehen sollen, aber so richtig werden wir in der Schule nicht über Politik informiert. Wenn Wahlen anstehen, sprechen wir kurz zwei Schulstunden darüber, das war’s dann.“

Schüler
Elanur Güner hat sich ausreichend mit den Wahlen beschäftigt. hartinger

Nicht genügend Interesse

In einigen Schulen gibt es politische Bildung mittlerweile als Pflichtfach, um Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit zu bieten, sich das ganze Jahr über ausreichend über politische Themen zu informieren.
Am Bundesgymnasium Lustenau gibt es das noch nicht. Die Gruppe würde sich das Fach allerdings wünschen. „Wir hatten letztes Jahr politische Bildung als Wahlpflichtfach. Das Interesse war aber eher weniger vorhanden“, resümieren Alexander und Simon. „Es war aber sehr bildend. Der Unterricht war wirklich gut.“

Die Erklärung der Gruppe, warum nicht allzu großes Interesse am Fach bestand, ist, dass es parallel dazu noch andere Fächer zu wählen gab. Fächer, in denen man Zertifikate bekam und dadurch der Anreiz vielleicht größer war.

Falscher Lehrplan

Von einer nächsten Regierung würden sie sich wünschen, dass mehr Fächer auf den Stundenplan kommen, die auf das spätere Leben vorbereiten. „Wirtschaftsfächer fehlen meiner Meinung nach. Zum Beispiel wie man Aktien kauft, oder Steuern bezahlt. Wir lernen in Mathe binomische Formeln, am Ende können wir uns aber davon kein Haus kaufen“, so Alexander.

Es schwingt ein gewisser Grad an Enttäuschung und Frust mit. „In Deutsch lernen wir Gedichte von Menschen zu interpretieren, die schon vor hundert Jahren gestorben sind. Aber um uns über Steuererklärungen zu informieren ist kein Platz im Lehrplan.“

„So richtig werden wir in der Schule nicht über Politik und anstehende Wahlen informiert.“

Kiana Felder, Schülerin
Schüler
Kiana Felder wünscht sich mehr Fokus auf politische Bildung in Schulen. hartinger

Social Media

Wie informieren sich Schüler über politische Themen? „Über die Medien. Vorallem natürlich über die sozialen Medien, aber auch über die Standard-Medien, wie Fernsehen oder Zeitungen“, sind sich alle am Tisch einig. Social Media spielt 2024 eine entscheidende Rolle im Wahlkampf.

Trotzdem finden alle: „Man muss auch miteinander reden. Wir diskutieren sehr viel untereinander, aber auch mit Familienmitgliedern.“ Auch in der Freizeit trifft sich die Gruppe, um sich über politische Themen auszutauschen. „Unsere Gespräche sind dabei überraschend objektiv. Wir sind uns zwar oft ziemlich einig, aber natürlich hat man zu manchen Themen verschiedene Meinungen“, erzählen die Jugendlichen. „Wir reden vor allem wegen Social Media darüber, klar. Aber ich finde, wir reden teilweise sogar mehr darüber als Erwachsene“, sind sich Simon und Alexander einig. „Social Media ist indirekter als beispielsweise eine Wahldiskussion. Das spricht uns mehr an“, fügt Joah hinzu.

Faulheit als Grund für Nicht-Wähler

Trotz dem scheinbar hohen Interesse der siebenköpfigen Schülergruppe, scheint das generelle Interesse der Bevölkerung, vor allem der jungen Bevölkerung, an der Politik, stetig zu schrumpfen.

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Simon Laber meint, dass viele Nicht-Wähler einfach nur faul sind. hartinger

Simon Laber hat dafür eine Erklärung. „Ich glaube, die meisten Leute sind einfach zu faul. Schon beim Anfordern einer Wahlkarte scheitert es.“ Auch Kiana meint: „Die Leute wissen nicht, wer sie am besten vertreten könnte. Es gibt keine Partei und keinen Programmpunkt, der sie anspricht.“

Als einen weiteren Punkt sehen sie die Öffnungszeiten der Wahllokale. „Viele junge Menschen schlafen am Sonntag bis um 13 Uhr. Das entschuldigt aber natürlich nichts.“

„Es ist eine individuelle Entscheidung, ob man wählen geht, oder nicht. Aber ich finde, nicht wählen zu gehen, ist eine dumme Entscheidung“, so Alexander. „Wählen ist eine Möglichkeit der Mitbestimmung und es gibt für mich keinen guten Grund diese nicht zu nutzen“, fügt er hinzu.

Auch Schülerin Kiana ist seiner Meinung: „Leute, die nicht wählen gehen und sich dann aufregen, wenn in Zukunft etwas bestimmt wird, was ihnen nicht zusagt, sind selbst schuld.“

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Simon Fenkart wünscht sich, dass alle Vorarlberger und Vorarlbergerinnen ihr Wahlrecht sinnvoll nutzen. hartinger

Simon Fenkart resümiert das Gespräch sehr passend. „Wenn man das Privileg eines Wahlrechtes hat, sollte man dieses auch nutzen. Geht wählen“, er appelliert damit nicht nur an die Erstwähler und Erstwählerinnen, sondern an alle Vorarlberger und Vorarlbergerinnen, diesen Sonntag sinnvoll zu nutzen.