Lokal

Warum 24-Stunden-Pflegerin nicht nach Hause kann

12.03.2022 • 16:00 Uhr
Maria Rostea ließ sich selbst nicht fotografieren, aber ihr Bibel in Kyrillisch, in der sie täglich liest.<span class="copyright"> willi </span>
Maria Rostea ließ sich selbst nicht fotografieren, aber ihr Bibel in Kyrillisch, in der sie täglich liest. willi

Maria Rostea kommt aus Moldawien, das an Ukraine grenzt.

Viele 24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa arbeiten für unsere älteren Menschen.

Man bekommt aber, sofern nicht ein Angehöriger von ihnen gepflegt wird, kaum etwas von ihnen mit. Einige der Frauen stammen aus Ungarn, Rumänien oder der Slowakei, die an die ­Ukraine angrenzen. Viele von ihnen sind erschüttert vom Krieg, manche haben große Angst (siehe Artikel unten). Einige Betreuerinnen kommen aus Moldawien, das ebenfalls ein Nachbarland der Ukraine ist (siehe Landkarte rechts). Maria Rostea ist eine von diesen Frauen. So, wie viele 24-Stunden-Betreuerinnen unsichtbar sind, möchte auch sie nicht sichtbar sein. Deshalb ließ sie nur ihre Hände und ihre Bibel fotografieren.

Wie viele 24-Stunden-Betreuerinnen ist Maria Rostea unsichtbar. Sie möchte kein Foto von sich veröffentlichen lassen.<span class="copyright"> Willi</span>
Wie viele 24-Stunden-Betreuerinnen ist Maria Rostea unsichtbar. Sie möchte kein Foto von sich veröffentlichen lassen. Willi

Maria Rostea ist 53 Jahre alt und arbeitet bei einer Frau in Rankweil. Sie spricht neben ihrer Muttersprache Rumänisch auch Russisch, Deutsch, Griechisch und Französisch. Sie ist studierte Betriebswirtin, doch hatte sie in ihrer Heimat kaum je die Chance, den Beruf auszuüben.

Man hört die Bomben

Maria Rostea kommt aus Kischinau, der Hauptstadt von Moldawien. Ihren Worten nach liegt sie „weit von der Ukraine“ entfernt, aber es führt eine Fluchtroute dort hindurch. Die moldawische Region Transnistrien, die sich unabhängig erklärt hat, aber nur von Russland anerkannt wird, sei hingegen nur sieben Kilometer von der Hauptstadt entfernt. In Transnistrien sei viel Militär stationiert. Und in Nordmoldawien, das direkt an das Kriegsland angrenzt, hätten die Bewohner die Bomben gehört, die auf das ukrainische Odessa niedergingen. Viele Moldawier würden in großer Angst leben, vermutet Maria Rostea.
Die 24-Stunden-Betreuerin hat einen 23-jährigen Sohn, der in Rumänien studiert. Ihre Mutter ist verstorben, ihr 89-jähriger Vater lebt in Moldawien. Auf die Frage, ob sie Geschwister habe, antwortet sie mit: „Viele!“ Insgesamt sind sie es neun Brüder und Schwestern. Fünf Geschwister leben in Westeuropa, die anderen vier in Moldawien. Wenn die Moldawier 18 Jahre alt seien, verließen sie ihr Heimatland wegen der Suche nach besseren Chancen, so Maria Rostea. Nur die ganz Jungen und die ganz Alten blieben. Eine Situation, die sich seit dem Ukraine-Konflikt und -Krieg verschärft habe, was die Pflegerin wortwörtlich mit „Jetzt ist ‚Katastroph‘“ ausdrückt.

In der moldawischen Hauptstadt Kischinau sind viele Flüchtlinge. <span class="copyright">apa/Kahana</span>
In der moldawischen Hauptstadt Kischinau sind viele Flüchtlinge. apa/Kahana

Seit August in Vorarlberg

Maria Rostea war im August 2021 zum letzten Mal in ihrer Heimat. Normalerweise reisen 24-Stunden-Betreuerinnen mit dem Bus nach Vorarlberg an und ab, doch die Moldawierin muss wegen der weiten Entfernung fliegen. Deshalb dauern ihre Turnusse länger als die sonst üblichen zwei bis vier Wochen. Sie hätte in den vergangenen Monaten schon mehrmals nach Moldawien reisen wollen, doch immer kam etwas dazwischen. Seit einigen Wochen hat sie ein Ticket für den 26. März, aber nun sind die Flüge nach Moldawien bis 14. April gestrichen. Sie könnte zwar nach Rumänien fliegen, hätte dann aber noch einen 170 Kilometer langen Weg vor sich. Wie sie diesen bewältigen könne, wisse sie nicht und meint: „An der Grenze von Rumänien nach Moldawien sind 120.000 Flüchtlinge. Jedes Haus in ­Moldawien beherbergt Geflüchtete.“

Die Agentur Cura Domo, bei der Maria Rostea angestellt ist, ermöglicht ihr, in Rankweil zu bleiben und zu arbeiten. Von dieser Seite her hat sie also keine Probleme. Doch sie hat große Sehnsucht nach ihrer Heimat.

Keine Angst

Angst, jetzt dorthin zu gehen, verspürt sie hingegen überhaupt nicht. Selbst wenn sie jetzt in der moldawischen Hauptstadt wäre und der Krieg dorthin überschwappen würde, würde sie bleiben und wäre nicht ängstlich, sagt die 53-Jährige. Denn: Sie ist zwar im Kommunismus ohne Religion aufgewachsen, fand in der Zeit, als sie in Griechenland lebte, aber zum Glauben und zieht daraus sehr viel Kraft und Gelassenheit. Das ist auch beim Besuch der NEUE am Sonntag zu bemerken. Maria Rostea wirkt weder nervös noch ängstlich, sondern sehr ausgeglichen und zufrieden. Trotz allem, was gerade in ihrem Heimatland vor sich geht.

  Jürgen Schuster, Standortleiter von  „Cura Domo 24-Stunden-Betreuung“  in Vorarlberg. <span class="copyright">Cura Domo</span>
Jürgen Schuster, Standortleiter von „Cura Domo 24-Stunden-Betreuung“ in Vorarlberg. Cura Domo

Betreuerinnen sind erschüttert und betroffen

Maria Rostea ist bei der Agentur „Cura Domo 24-Stunden-Betreuung“ angestellt. Diese ist österreichweit tätig, für den Standort Vorarlberg arbeiten circa 600 Pflegerinnen. 80 Prozent von ihnen stammen aus Rumänien, einem Nachbarland der Ukraine, einige aus Ungarn, das ebenfalls an die Ukraine grenzt. Jürgen Schuster, der Standortleiter von Cura Domo, berichtet: „Viele Frauen sind erschüttert und betroffen vom Krieg in der Ukraine. Es herrschen Verunsicherung und Angst.“ Flüchtlingsströme würden durch die Regionen mancher Betreuerinnen ziehen und sie wüssten nicht, wozu Putin hinsichtlich ihrer Heimatländer fähig sei. „Teilweise erleben die Frauen auch eine Ohnmacht: Sie sind hier in Vorarlberg und können deshalb nicht genau beurteilen, was in ihrer Heimat vor sich geht. Sie telefonieren deshalb oft mit ihren Angehörigen.“

Wollen nicht nach Hause fahren

Manche der 24-Stunden-Betreuerinnen würden aus Angst vor der Nähe zum Kriegsgebiet nicht nach Hause fahren, sondern ihren Turnus in Vorarlberg verlängern wollen. „Zuerst hatten wir Frauen, die wegen der Coronasituation in ihren Ländern nicht heimfahren wollten und nun gibt es den nächsten Behinderungsgrund. Sie kommen aus den Kriseneinflüssen nicht heraus.“ Die Agentur könne jedoch flexibel auf die Wünsche der Frauen eingehen, sodass sie nicht nach Hause fahren müssen.