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Von Eduard und den Leuten im „alto Häß“

04.11.2022 • 18:00 Uhr
Bürgermeisterin Andrea Kaufmann bekommt Gans Eduard überreicht. Während sie erschrocken wirkt, scheint der Ganter sich bei ihr wohl zu fühlen. <span class="copyright">Hartinger</span>
Bürgermeisterin Andrea Kaufmann bekommt Gans Eduard überreicht. Während sie erschrocken wirkt, scheint der Ganter sich bei ihr wohl zu fühlen. Hartinger

Zum ersten Mal seit zwei Jahren hieß es in Dornbirn wieder „Eduard butz do Bart, z’Dorobiro ischt ­Martinimart“.

Gestern Vormittag am Platz vor dem Stadtmuseum Dornbirn, es ist 9.49 Uhr, die vereinbarte Zeit, mit dem Umzug der „Lüt im alto Häß“ zu beginnen. Noch unterhalten sich die Menschen, die großteils schwarze, aber immer alte Kleidung tragen. So manche nippen an einem Sektglas, einige bewundern noch das „Häß“ der anderen. Alle scheinen gut gelaunt zu sein. Und: Es haben sich auffallend viele Menschen mit alter Kleidung versammelt. Einige sprechen von 200, andere sagen, es seien an die 250. Der Grund für die gute Laune und die zahlreiche Teilnahme dürfte sein: Der Martinimarkt fand ges­tern nach zwei Jahren corona-bedingter Pause zum ersten Mal wieder statt. Dabei feierte er gleich ein halbrundes Jubiläum: Es war der 45. „Martinimart“.

"D'Lüt im alto Häß" vor dem Stadtmuseum. <span class="copyright">Hartinger</span>
"D'Lüt im alto Häß" vor dem Stadtmuseum. Hartinger

Während auf dem Stadtmuseum-Platz hektische Fröhlichkeit herrscht, scheint die Hauptfigur des Marktes ganz cool zu sein: Eduard, der Ganter – das ist die männliche Form von Gans – hat seinen Kopf aus seinem Korb gestreckt und bewegt ihn kaum einmal. Er schaut einfach vor sich hin. Auch als der Wagen, auf dem sein Korb befestigt ist, mit einem Ruck in Bewegung gesetzt wird, macht er keinen Mucks. Seiner Bedeutung ist er sich wohl nicht bewusst. Die da wäre: Erst, wenn er Bürgermeisterin Andrea Kaufmann übergeben wurde, ist der Martinimarkt offiziell eröffnet.

Gedicht in Dornbirner Mundart

Als alle Leute mit dem alten „Häß“ sich schließlich in Bewegung gesetzt und das Rote Haus erreicht haben, nimmt Kaufmann, die auf dem Balkon des Roten Hauses Stellung bezogen hat, ein Mikro in die Hand und gibt ein Gedicht in Dornbirner Mundart zum Bes­ten. Es folgen ein Dank an die Organisatoren Inside Dornbirn und Stadtmarketing Dornbirn sowie ein Beteuern ihrer Freude darüber, dass so viele „Lüt im alto Häß“ gekommen sind. Dann macht sie darauf aufmerksam, dass der Leitgedanke des Martinimarktes das Teilen ist: „Vereine und Schulen verkaufen an den Ständen ‚Krömle‘ für den guten Zweck.“ Es könne nicht sein, dass ein Marktbesucher ohne ein solches „Krömle“ nach Hause gehe. Was während der Rede der Dornbirner Bürgermeisterin auffallend ist: So locker und gut gelaunt sieht die Öffentlichkeit sie sonst selten.

Josef und Gertraud Meusburger mit ihrem Ganter Eduard. <span class="copyright">Hartinger</span>
Josef und Gertraud Meusburger mit ihrem Ganter Eduard. Hartinger

Schließlich kommt dann der große Moment: Der sieben Kilogramm schwere Eduard wird in die Hände des Stadtoberhauptes übergeben. Das Tier wehrt sich nicht und nach einem kurzen Moment, in dem Kaufmann erschrocken wirkt – warum, weiß man nicht – steht sie freudstrahlend mit der Gans auf dem Balkon. Dann wird noch gemeinsam das Martinimarkt-Lied gesungen, und schließlich ertönt, vom ganzen Publikum gesprochen, der bekannte Satz „Eduard, butz do Bart, z’Dorobiro ischt Martinimart.“ Nun ist er endgültig eröffnet.

Jede Kleidung hat Geschichte

Bei der Eröffnung vor dem Roten Haus. <span class="copyright">Hartinger</span>
Bei der Eröffnung vor dem Roten Haus. Hartinger

Wer sich jetzt unter die Menschen mit dem alten „Häß“ mischt und nach dieser Kleidung fragt, bemerkt rasch: Wohl jede und jeder hat eine Geschichte dazu zu erzählen. Sigrid Ofner etwa sagt, dass sie als 15-jähriges Lehrlingsmädchen von Waibel Geschirr an einem Martinimarkt-Stand Kannen verkaufte und dabei altes Gewand tragen musste. Heute – sie hat den 50er schon überschritten – ist sie in genau diese Kleidung gehüllt. Das Kleid, den Hut und den Muff hat ihr damals, als sie ein Lehrmädchen war, ihre 85-jährige Tante gegeben. Der Umhang stammt von ihrem Onkel, der ihn wiederum von seiner 100-jährigen Nachbarin bekommen hat. Laut Etikett sei er 1878 in Frankreich gefertigt worden, erzählt die Martinimarktbesucherin. Für sie vereint dieser Markt Kultur und Geschichte. „Das ist eine Tradition, die man nicht hergeben darf“, erklärt sie. Tradition ist der Martinimarkt auch für Elisabeth Bortolotti und Bernhard Sagmeister: Sie waren bei jedem dabei, seit der erste im Jahr 1975 stattgefunden hat.

Die Besucherinnen und Besucher, die alte Kleidung trugen, bekamen Sekt, Kaffee und Riebl, bevor der Markt eröffnet wurde. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Besucherinnen und Besucher, die alte Kleidung trugen, bekamen Sekt, Kaffee und Riebl, bevor der Markt eröffnet wurde. Hartinger

Oft trifft man unter den Menschen in der alten Kleidung mehrere Generationen einer Familie. Jasmin Mäser-Planinger etwa ist mit ihrem Säugling Pauline und ihrer Mutter Sieglinde Mäser am Markt. Sie zeigt auf den Mantel, den sie trägt und sagt: „Die vierte Generation ist quasi auch dabei, denn der Mantel gehörte meiner Oma, also Paulines Urgroßmutter.“

Schweizer und Schwäbischer Dialekt

Aus all dem Dornbirnerisch der Marktbesucher stechen immer wieder einmal schweizerische oder schwäbische Sätze hervor. Denn, wie schon seit mehreren Jahren üblich, ist eine Delegation aus Rheineck zu Besuch – das ist direkt gegenüber Dornbirn auf der Schweizer Seite des Rheins – sowie eine Abordnung aus dem schwäbischen Meckenbeuren. Man kennt sich, man mag sich und so ist zu vermuten, dass noch lange gemeinsam gefeiert wurde.

Nachtwächter Felix Indermauer von der Rheinecker Delegation.<s><span class="copyright"> Hartinger</span></s>
Nachtwächter Felix Indermauer von der Rheinecker Delegation. Hartinger