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Als Mellau eine moderne Seilbahn bekam

03.10.2023 • 17:14 Uhr
Reger Betrieb im neuen Skigebiet Mellau.<span class="copyright">Bildarchiv Klaus Riezler</span>
Reger Betrieb im neuen Skigebiet Mellau.Bildarchiv Klaus Riezler

Vor 50 Jahren wurde die Kabinenbahn in Mellau eröffnet. In einem Erzählcafé wird den Geschichten von damals nachgegangen.

Wenn heute ein neuer Lift gebaut wird, sorgt das auch für Wirbel und Widerstand. Vor 50 Jahren war das noch ganz anders: Die Menschen – und zwar mehr oder weniger alle – freuten sich und erhofften einen wirtschaftlichen Aufschwung, der dann tatsächlich auch eintrat.

Der Stolz der Mellauer: Die Kabinenbahn zur Rossstelle. <span class="copyright">Helmut Häusle/Bildarchiv Klaus Riezler</span>
Der Stolz der Mellauer: Die Kabinenbahn zur Rossstelle. Helmut Häusle/Bildarchiv Klaus Riezler

Als am 21. Dezember 1973 die neue Kabinenbahn in Mellau eröffnet wurde, war die Stimmung dementsprechend sehr gut. Mit Stolz wurde die neue Bahn der Öffentlichkeit als erste Einseilkabinenbahn Österreichs vorgestellt. Die Bahn stand an derselben Stelle, wo heute die moderne Gondelbahn die Wintersportler und Wanderer nach oben bringt. In Mellau hatte es zwar schon vor 1973 Schlepplifte gegeben, sie erschlossen aber nicht dieselbe Höhe wie die neue Bahn, die vom Tal 700 Meter in die Höhe zur Rossstelle fuhr. Mit den drei Schleppliften dort oben sei ein Skigebiet entstanden, das „schlichtweg herrlich“ sei, berichteten Medien zu der Zeit.

Der Bau der Bergstation auf der Rossstelle. <span class="copyright">Bildarchiv Klaus Riezler</span>
Der Bau der Bergstation auf der Rossstelle. Bildarchiv Klaus Riezler

Dieses „herrliche“ Skigebiet zu errichten, bedeutete aber sehr viel Arbeit und Mühe – jedenfalls aus der Sicht des heutigen Menschen: Kein Hubschrauber flog die Stützen nach oben, eine ordentliche Straße zur erbauenden Trasse gab es nicht. Stattdessen wurde eine Materialseilbahn errichtet, die das Material zur jeweiligen Stelle brachte, an der gerade gearbeitet wurde. Wenn die Arbeiten dort abgeschlossen waren, wurde die Bahn zur nächsten Baustelle gebaut.

Ortschronistin Elisabeth Wicke und der damalige Skisportfunktionär Hans Schwarzmann.<span class="copyright">willi</span>
Ortschronistin Elisabeth Wicke und der damalige Skisportfunktionär Hans Schwarzmann.willi

Rund 1,5 Jahre dauerten die Bauarbeiten. Circa 42 Millionen Schilling kostete das gesamte Skigebiet; in Euro sind das 3,05 Millionen, wobei in dieser Summe die Inflation seit den frühen 1970er-Jahren bis heute nicht enthalten ist. Die 42 Millionen waren damals jedenfalls eine stolze Summe, die hauptsächlich von deutschen Investoren gestemmt wurde. Die Gemeinde Mellau war mit rund einem Siebtel am Gesamtkapital beteiligt. Außerdem hielten einige Mellauer geringe Anteile an der Bahn.

Die offizielle Eröffnung am 4. Februar 1974. <span class="copyright">Bildarchiv Klaus Riezler </span>
Die offizielle Eröffnung am 4. Februar 1974. Bildarchiv Klaus Riezler

Der Grund, weshalb das Skigebiet errichtet wurde, war die Belebung des Wintertourismus. Die 71-jährige Mellauerin Elisabeth Wicke – die ehemalige Bürgermeisterin der Hinterwäldergemeinde und jetzige Ortschronistin – berichtet: „Bis in die 1960er-Jahre war Mellau ein reiner Sommerfrischeort. Um das zu ändern, wurde der Lift gebaut.“ Eine „unglaubliche Aufbruchstimmung“ habe damals durch das Dorf geweht. Denn zeitgleich mit dem Bau der Bahn wurden auch die Hotels umgebaut und vergrößert – man wollte und musste mit dem erhofften Ansturm durch den modernen Lift auch genügend Betten anbieten. Die Rechnung ging auf: Zählte Mellau 1974 186.000 Nächtigungen, waren es im Jahr 1975 schon 200.000.   

Bau der neuen Straße bei Mellau. <span class="copyright">Bildarchiv Klaus Riezler</span>
Bau der neuen Straße bei Mellau. Bildarchiv Klaus Riezler

Allgemein herrschte im Bregenzerwald in den 1960er- und 70er-Jahren Aufbruchstimmung. In Warth beispielsweise fuhren Gäste und Einheimische bereits seit 1963 in einem modernen Skigebiet, und auch andere Gemeinden setzten zunehmend auf den Wintertourismus. Die Infrastruktur indes wuchs nicht so schnell mit. So bekrittelte Erich Haller, der Geschäftsführer der Bergbahnen Mellau, bei der offiziellen Eröffnung der Mellauer Bahn am 4. Februar 1974 den schlechten Zustand der damaligen B 200 (heute L 200). Die Hauptverkehrsader durch den Bregenzerwald sei wahrlich kein Renommee für ein Fremdenverkehrstal, sagte er in Richtung des anwesenden Verkehrsministers Erwin Lanc. Die Straße bei Mellau wurde daraufhin tatsächlich bald erneuert und bekam die Straßenführung, die wir heute noch kennen. Ebenso wurde die Bregenzerwälder Hauptverkehrsader in dieser Zeit auch in anderen Gemeinden erneuert und/oder verlegt.  

Bei der Rossstelle war ein Restaurant zur Versorgung der Skifahrer gebaut worden.  <span class="copyright">Bildarchiv Klaus Riezler</span>
Bei der Rossstelle war ein Restaurant zur Versorgung der Skifahrer gebaut worden. Bildarchiv Klaus Riezler

Vom Tourismuskuchen in Mellau naschten auch andere Orte und Berufszweige mit. „Der Bau der Mellauer Lifte und der Ausbau der Hotels und Privatzimmer hatte Auswirkungen auf die umliegenden Ortschaften“, sagt Elisabeth Wicke. In Mellau gab es zu der Zeit beispielsweise kaum Schreiner, also kamen solche aus anderen Bregenzerwälder Gemeinden zum Zug. „Zudem profitierte die ganze Region von der Werbung, die von Mellau ausging.“

Einladung zum Weltcuprennen in Mellau im Jänner 1979. <span class="copyright">Bildarchiv Klaus Riezler</span>
Einladung zum Weltcuprennen in Mellau im Jänner 1979. Bildarchiv Klaus Riezler

Internationale Reklame erwarb das kleine Dorf, als dort 1979 und 1987 Skiweltcuprennen der Damen durchgeführt wurden. Der heute 90-jährige Hans Schwarzmann war damals als technischer Leiter des ausführenden Vereines – der Sportvereinigung Mellau – federführend in die Organisation und Durchführung eingebunden. Auf die Frage, wie es dazu kam, dass Mellau Austragungsort solch großer Bewerbe wurde, antwortet er: „Das hat sich ergeben, indem wir ein Rennen nach dem anderen ausgetragen haben und dabei immer größer wurden. Zuerst waren es Vereinsrennen, dann Firmenrennen, Landesrennen, österreichische Rennen und schließlich die Weltcup-Rennen.“ Die Läuferinnen und der ganze Tross, der mit den Sportlerinnen mitreiste, musste kostenlos untergebracht werden, erzählt der rüstige Pensionist. „Da gab es Verpflegungsvorgaben, zum Beispiel, was am Morgen auf dem Frühstückstisch zu sein hatte.“ Die weltbesten Skifahrerinnen der damaligen Zeit maßen sich in Mellau, etwa Anita Wachter, Maria Walliser, Vreni Schneider oder Katharina Gutensohn. Das ganze Dorf war in Aufruhr und half mit, damit alles glatt über die Bühne ging.

Ansichtskarte aus dem "Skiparadies Mellau". <span class="copyright">VLB Volare</span>
Ansichtskarte aus dem "Skiparadies Mellau". VLB Volare

Diese Glanzzeiten sind lange her. In der Zwischenzeit gingen die Nächtigungen in Mellau eine Zeitlang zurück, kletterten ab der Verbindung der Skigebiete Mellau-Damüls im Jahr 2009 aber wieder kräftig nach oben. Auch dieses Mal folgte dem Liftbau eine rege Bautätigkeit in der Gemeinde. Manche Dinge ändern sich eben nicht, andere hingegen schon: Die Liftverbindung Mellau-Damüls fand nicht mehr die hundertprozentige Zustimmung wie damals beim Bau des ersten Liftes im Jahr 1973.

Aktion aus Lustenau gegen das ungeliebte Wien

Eine Lustenauer Wirtshaustischrunde namens „Ein einiges Vorarlberg“ fand die rote Wirtschaftspolitik des Bundes Anfang der 1970er-Jahre sehr schlecht und nahm die offizielle Eröffnung der Mellauer Bergbahn am 4. Februar 1974 zum Anlass, ein Zeichen gegen Wien zu setzen. Für dieses Ereignis hatte sich nämlich auch Verkehrsminister Erwin Lanc von der SPÖ angemeldet. Man solle ihm einen möglichst unfreundlichen Empfang bereiten, forderten die jungen Mitglieder der Gruppe auf anonym verfassten Flugzetteln, die sie im Bregenzerwald verteilten. Der Verkehrsverband und andere offizielle Bregenzerwälder Stellen distanzierten sich von der Aktion und verurteilten sie. Die Polizei wurde dazu angehalten, den Minister zu schützen und einen ruhigen Ablauf der Eröffnungsfeier zu gewährleisten.
Zwei Tage vor der Eröffnung wurden die Verfasser des Flugzettels ausgeforscht und festgenommen. „Sie bedauern heute, insbesondere nach der ablehnenden Reaktion des Bregenzerwaldes, ihre Handlungsweise, und sie hatten auch nicht bedacht, welche nachteiligen Folgen eine Demonstration mit möglichen Ausschreitungen für die Allgemeinheit und für sie selbst haben kann“, wurde in den Vorarlberger Nachrichten berichtet.

Erzählcafé

Am Donnerstag, 5. Oktober, 20 Uhr, findet im Dorfsaal Mellau das Erzählcafé „Die Türen zum Paradies“ statt. Dabei erzählen die beiden Pioniere des Wintersports Jakob Kohler (Bergbahnen Mellau) und Hans Schwarzmann (Skisportfunktionär) sowie der ehemalige Weltcupläufer Christian Greber über die bewegte Zeit in Mellau in den 1970er-und 1980er-Jahren. Das Erzählcafé wird von Georg Sutterlüty moderiert. Der Eintritt ist frei.