Gefährlich wird es erst ab 80 Jahren

Auf EU-Ebene sind verpflichtende Gesundheitschecks beim Führerschein ein Thema. Vorarlberger Experten sehen keine Notwendigkeit dafür.
Es war ein spektakulärer Fall, der einiges an Aufsehen erregt hatte: Eine 70 Jahre alte Autofahrerin war am späten Abend des 25. Oktober beim Bahnhof Dornbirn-Haselstauden über die Bahnsteigkante auf das Gleisbett gestürzt und dort fast zwei Kilometer gefahren, bis sie von der Polizei angehalten wurde. Laut Polizeiaussendung war die Frau „zeitlich und örtlich nicht orientiert und übermüdet“.
Einen Tag später verursachte ein 72-jähriger Autofahrer im Montafon aufgrund eines gesundheitlichen Problems einen Unfall. Zwei Einzelfälle oder doch Belege dafür, dass ältere Autofahrerinnen und Autofahrer gefährdeter sind?
Nicht mehr Unfälle
Wenn es nach Jürgen Wagner vom ÖAMTC Vorarlberg geht, dann sind ältere Pkw-Lenkerinnen und -Lenker keineswegs gefährlicher unterwegs als jüngere. Ältere Menschen, die mit einem Auto unterwegs sind, würden nicht häufiger einen Unfall als Jüngere verursachen, sagt er. Das würden auch die Zahlen belegen.
Ganz so dürfte das nicht stimmen. Martin Pfanner, Landesleiter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV) in Bregenz, verweist diesbezüglich auf eine ein paar Jahre alte Untersuchung. Derzufolge steigt das Unfallrisiko bei älteren Menschen – allerdings erst ab 80 Jahren.

Laut dieser Studie, die im Auftrag des KfV durch eine Verknüpfung zweier Datenquellen entstanden ist, verursacht die Altersgruppe 80+ pro Million gefahrener Kilometer statistisch über 3,5 Unfälle – die größte Anzahl aller Altersgruppen. Bei den 17- bis 19-Jährigen sind es drei Unfälle. Alle anderen Altersgruppen liegen deutlich darunter.
Als Hauptunfallverursacherinnen und -verursacher treten ältere Lenkerinnen und Lenker laut Pfanner ähnlich stark in Erscheinung wie junge. Konkret würden 17- bis 19-jährige Fahranfängerinnen und -anfänger bei 72,3 Prozent aller Unfälle, an denen sie beteiligt sind, die Hauptschuld tragen, zitiert der KfV-Landesleiter eine weitere Untersuchung. Bei den 75- bis 79-Jährigen seien es 71,1 Prozent, bei den 80- bis 84-Jährigen 78,2 Prozent und den ab 85-Jährigen 82,5 Prozent.

Während in vielen europäischen Ländern ab einem gewissen Alter, das recht unterschiedlich ist, regelmäßige Tests auf Fahrtauglichkeit durchgeführt werden müssen, ist das hierzulande nicht der Fall. Hat man in Österreich erst mal einen Führerschein, dann hat man ihn im Prinzip unbefristet – lediglich das Führerscheindokument muss mittlerweile alle 15 Jahre erneuert werden. Die Diskussion um eine Fahrtauglichkeitsprüfung für ältere Autofahrerinnen und Autofahrer wird in Österreich zwar regelmäßig geführt. Regelmäßig wird eine Verpflichtung aber nahezu quer durch die Bank – von Verkehrsklubs über Politik bis hin zum Großteil der Bevölkerung – ziemlich kategorisch abgelehnt. Erst diese Woche flammte das Thema wieder auf.
Auf EU-Ebene hatte es einen Vorstoß für verpflichtende Gesundheitschecks auf Fahrtüchtigkeit ab 70 Jahren gegeben. Am Montag haben die EU-Verkehrsminister diesbezüglich wieder einen Rückzieher gemacht. Eine Verpflichtung wird nicht kommen. Vielmehr können die Mitgliedstaaten selbst bestimmen, ob bei der Führerscheinerneuerung für Seniorinnen und Senioren gleichzeitig eine ärztliche Untersuchung oder eine Selbsteinschätzung erfolgt oder nicht.
Anders schaut es beim Verkehrsausschuss im EU-Parlament aus. Der gab am Donnerstag bekannt, eine Prüfung des Gesundheitszustands bei der Erneuerung des Führerscheins verpflichtend vorschreiben zu wollen. Österreich hatte sich stets dagegen ausgesprochen, wie Verkehrsministerin Leonore Gewessler kürzlich bekräftigte.
Eigenverantwortung
„Ich sehe keine Notwendigkeit, das gesetzlich zu regeln“, sagt Wagner. In Ländern, die Verpflichtungen hätten, gäbe es nicht weniger Unfälle von älteren Menschen, sagt er. Vielmehr setze man beim ÖAMTC auf Eigenverantwortung. Einschränkungen, die ältere Menschen beim Autofahren vielleicht hätten, würden durch unter anderem Erfahrung oder Vorsicht wieder ausgeglichen, ist Wagner überzeugt.
Ähnlich klingt es von Pfanner: „Die Defizite älterer Lenkender können im Grunde ausgeglichen werden, zum Beispiel durch eine neue Brille, langsamere Fahrweise, Vermeidung von Nachtfahrten, Bevorzugung nahegelegener Ziele und so weiter.“ Daher spricht auch er sich im Namen des KfV „gegen eine verpflichtende Untersuchung, sondern für eine ehrliche Selbsteinschätzung bzw. einen Check im konkreten Anlassfall“ aus.
Krankheit
Auf noch etwas weist Wagner hin: „Ich glaube, dass Alter oft mit Krankheit verwechselt wird“, und kranke Menschen hätten natürlich nichts hinter dem Lenkrad verloren.
Um die eigene Fahrtauglichkeit zu prüfen, bietet der ÖAMTC seit Kurzem einen Fahr-Fitness-Check an. Er richtet sich an ältere Menschen, die regelmäßig Auto fahren. Der Test dauert etwa 50 Minuten und kostet rund 100 Euro.
Infos zum Fahr-Fitness-Check gibt’s hier